Strahlender Trojaner lässt Tumor schrumpfen

Samer Ezziddin von der Bonner Nuklearmedizin erlŠutert einen Ršntgenscan. Im Hintergrund das Kamerasystem zum AufspŸren der Trojaner. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Samer Ezziddin von der Bonner Nuklearmedizin erlŠutert einen Ršntgenscan. Im Hintergrund das Kamerasystem zum AufspŸren der Trojaner. Quelle: Johann Saba/Universitätsklinik Bonn

19.08.2011  - 

Wenn sich Krebszellen aus ihrem Tumorverband lösen, können sie durch den Körper wandern. Dort, wo sie sich ansiedeln und vermehren, bilden sich Tochtergeschwulste, sogenannte Metastasen. Von diesem Moment an sinken die Überlebenschancen für den Patienten erheblich. Mit einem Trick hat ein Ärzteteam der Universitätsklinik Bonn in Knochenmetastasen von Patienten den radioaktiven Stoff Lutetium eingeschleust, der Geschwulste schrumpfen lässt. 42 Krebspatienten haben die Forscher mit der neuen Methode bereits behandelt. Über ihre Ergebnisse berichten sie im Fachmagazin The Journal of Nuclear Medicine (2011, Ausgabe 52, S. 1197).

 

Neuroendokrine Tumore sind selten. Gerade einmal drei bis fünf von 100.000 Menschen erkranken jährlich an dieser Krebsform. Sie wuchern meist im Magen-Darm-Trakt und in der Bauchspeicheldrüse und weisen eine Besonderheit auf: Die Geschwüre bilden Hormone und geben diese über die Blutbahn ab - das macht den Patienten das Leben zur Hölle, denn ihr Verdauungssystem gerät komplett durcheinander. Auch das Risiko, dass der Tumor sich auf andere Organe ausbreitet, ist groß. Weil Knochen gut durchblutet sind, stellen einen fruchtbaren Boden für das Wachstum menschlicher Krebszellen dar. „Bei manchen Patienten treten Knochenmetastasen auf“, sagt Samer Ezziddin. Die Überlebenschancen sind dann schlecht, weiß der Oberarzt von der Universitätsklinik für Nuklearmedizin in Bonn.

Bösartige Zellen geraten ins Kreuzfeuer

Zusammen mit Kollegen aus Kanada hat sich Ezziddin nun einen Trick einfallen lassen, die Metastasen zu bekämpfen: Die Ärzte schleusen in die Tumore das radioaktive Isotop Lutetium-177 – die bösartigen Zellen werden so von innen zerstört. „Es strahlt nicht weiter als etwa einen Millimeter“, erklärt Ezziddin. „Deshalb können wir damit gezielt die Tumore zerstören, ohne das Nachbargewebe zu schädigen.“ Der Clou: Das Lutetium wird zunächst getarnt. Die Forscher nutzen dafür Andockstellen auf der Oberfläche der Tumore, mit denen sie bestimmte Eiweiße einsammeln. Diese Eiweiße haben die Rolle eines Trojanischen Pferds - sie werden mit dem radioaktiven Lutetium beladen und schleusen es so in die Geschwulste.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Stefan Pfister - Krebs bei Kindern bekämpfen

Förderbeispiel: Innovative Therapieverfahren - Gehirntumore vom Wuchern abbringen 

Das Leben von Patienten verlängert

Mittlerweile wurden 42 Patienten mit der Peptidrezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) tatsächlich behandelt: Bei etwa der Hälfte der Patienten bildeten sich die Knochenmetastasen zurück, bei einem weiteren Drittel blieben sie stabil. In zwei Fällen verschwanden Knochenmetastasen sogar komplett. Die Ärzte sind zuversichtlich, dass mit der PRRT-Therapie das Leben von Patienten verlängert werden kann. „Wir konnten einen durchschnittlichen Wachstums-Stop von 35 Monaten beobachten“, sagt Ezziddin. „Verglichen mit den Daten diverser medikamentöser Studien ist dies ein beachtliches Resultat.“ Die üblichen Chemotherapien konnten die Ausbreitung der Metastasen im Schnitt bis zu einem Jahr bremsen.

Und die Nebenwirkungen sind vergleichweise überschaubar: Am ersten Behandlungstag könne etwa vermehrter Stuhlgang oder eine leichte Übelkeit und Abgeschlagenheit auftreten. Dafür werden die durch die Knochenmetastasen ausgelösten Schmerzen reduziert. „Mehr als die Hälfte der Patienten war sogar beschwerdefrei“, sagt Ezziddin.

"Die Ergebnisse sind spektakulär“

Auch Hans-Jürgen Biersack, Direktor der Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Bonn, wertet die Studie seiner Mannschaft als Erfolg: „Für die effektive Therapie von Knochenmetastasen gab es bisher mit dieser Methode noch keinen Nachweis“, sagt er. „Die Ergebnisse aber sind spektakulär.“

Die Therapiemethode wird nun zunehmend angewendet, obwohl die Lutetium-Präparate noch nicht auf dem Markt sind und die Handhabung des radioaktiven Materials eine entsprechende Logistik fordert. So ist beispielsweise ein spezielles Radioisotopenlabor notwendig. Die Ärzte nehmen das gerne in Kauf: „Patienten mit Knochenmetastasen können die berechtigte Hoffnung haben, dass ihnen mit der PRRT effektiv geholfen werden kann“, sagt Biersack. 

© biotechnologie.de/tk

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit