Wochenrückblick KW 32

15.08.2011

Organe vom Schwein: Abstoßungsfaktor gezielt ausgeschaltet

Schweine könnten sich künftig noch besser als Lieferanten von Spenderorganen eignen: Forschern des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) am Institut für Nutztiergenetik in Mariensee ist es zusammen mit der US-Firma Sangamo gelungen, durch den Einsatz von Zinkfinger-Enzymen das Gen für den wichtigsten Abstoßungsfaktor im Schweine-Erbgut dauerhaft auszuschalten und Tiere ohne diesen Faktor zu züchten.

Daraus ergeben sich völlig neue Möglichkeiten für die Biomedizin und Landwirtschaft, wie die Autoren im Fachjournal PNAS (2011, Bd. 108 S. 12013) berichten. Mit molekularen Präszisionswerkzeugen namens Zinkfinger-Nukleasen (mehr...) entfernten die Wissenschaftler gezielt einen Bereich des Erbmaterials in Bindegewebszellen vom Schwein, ohne das übrige Genom zu schädigen. Durch Verwendung dieser Zellen bei einem Klonexperiment konnten Schweine gezüchtet werden, denen das Gen für das Enzym α-1,3-Galactosyl Transferase (GGTA-1) fehlt. Die Aktivität dieses Enzyms führt zur Bildung von besonderen Zuckermolekülen auf der Zelloberfläche aller Gewebearten beim Schwein.

Mehr auf biotechnologie.de
Dossier: Klontechnik - wohin geht die Reise heute?

Menschen: Eckhard Wolf - Ersatzorgan vom Spenderschwein

News: Die Klone von Hailsham

Bei einer Transplantation von Gewebe und Organen vom Schwein auf Primaten führen diese Zucker zu schweren Abstoßungsreaktionen. „Im Gegensatz zu den bisher eingesetzten gentechnischen Methoden sind Zinkfinger-Nukleasen wesentlich genauer und effizienter“, erläutert Heiner Niemann, Leiter des Instituts für Nutztiergenetik in Mariensee. Außerdem könne auf den Einsatz von Antibiotika-Markern zur Selektion der Zellen im Labor verzichtet werden. Aus den so gezüchteten Schweinen könnten langfristig Gewebe- und Organtransplantate gewonnen werden, die vom Empfänger besser angenommen werden und dadurch ein längeres Überleben des Transplantats im Empfänger erlauben. Da ein großer Mangel an geeigneten humanen Spenderorganen besteht, ergeben sich mit der nun vorgestellten Methode neue Perspektiven für die Xenotransplantation, bei der Gewebe oder Organe von einer Spezies auf eine andere übertragen werden.

BMBF unterstützt Aufbau eines Deutschen Stammzellnetzwerks

Deutschland nimmt im zukunftsträchtigen Gebiet der Stammzellforschung weltweit eine Spitzenposition ein. Um die nationale und die internationale Präsenz der grundlagenorientierten und angewandten  Stammzellforschung nachhaltig zu stärken und die Forscher besser zu vernetzen, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung  (BMBF) den Aufbau einer Dialogplattform "Deutsches Stammzellnetzwerk".

Stammzellen gelten als Hoffnungsträger für eine Regenerative Medizin, die die Selbstheilungskräfte des Körpers nutzen will, um erkranktes Gewebe zu heilen oder wieder herzustellen. Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung eines solchen Medizinkonzepts ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren. Nach US-amerikanischem Vorbild soll in Deutschland die Vernetzung der Stammzellforscher vorangetrieben werden. Zahlreiche US-amerikanische Zentren mit genau diesem Aufgabenfeld existieren bereits und bringen einen wirklich Mehrwert. Eine Dialogplattform „Deutsches Stammzellnetzwerk“ soll auch Deutschlands Stammzellforschern helfen, überregional und international Kooperationen zu finden, die sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette befinden.

Mehr auf biotechnologie.de
News: Stammzellforscher kommen bei Gentherapie voran

Förderung: Deutsch-amerikanische Kooperation: Vierte Runde zu Stammzelltherapien gestartet

Die Dialogplattform soll Informationsknotenpunkt und Ansprechpartner für die Stammzellforschung in Deutschland werden. Sie soll nicht nur als Repräsentanz von Forschern und Unternehmen aus der Biotech-, Pharmaindustrie und Gesundheitswirtschaft dienen, sondern auch die Kommunikation zu zulassungs- und regulatorischen Fragestellungen verbessern. Aufgabe eines Deutschen Stammzellnetzwerks wird es auch sein, Fachinformationen für die interessierte Öffentlichkeit bereitzustellen. Antragsberechtigt sind staatliche und nicht-staatliche Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, sowie Unternehmen. Die Förderung  ist insgesamt auf einen Zeitraum von maximal vier Jahren als Anschubfinanzierung angelegt und umfasst maximal 60% der zuwendungsfähigen Kosten. Anträge können bis zum 31. Oktober 2011 beim Projektträger Jülich (Ansprechpartner: Dr. Marion Wehner und Dr. Bülent Genç)  eingreicht werden.

Mehr Informationen beim Projektträger Jülich: hier klicken

Zur Ausschreibung des BMBF: hier klicken

Mäuse ohne Haare bringen Aufschluss über MS

Biochemiker der Universität Bonn erlebten eine Überraschung, als sie ein Gen ausschalteten, das eigentlich für die Weiterleitung von Signalen im Gehirn zuständig ist.
Wie sie im Fachblatt Journal of Biological Chemistry (Ausg. 286, 2011) berichten, war bei den Mäusen nicht nur die Funktion der Nervenzellen gestört.

Bei dieser Maus wurde das FA2H-Gen abgeschaltet. Es spielt für die Signalweiterleitung im Gehirn eine Rolle. Als "Nebeneffekt" stellten die Wissenschaftler auch Haarausfall fest.Lightbox-Link
Bei dieser Maus wurde das FA2H-Gen abgeschaltet. Es spielt für die Signalweiterleitung im Gehirn eine Rolle. Als "Nebeneffekt" stellten die Wissenschaftler auch Haarausfall fest.Quelle: Matthias Eckhardt/Universität Bonn

Die Stilllegung des FA2H-Gens hatte auch äußerliche Folgen: Den Nagern gingen die Haare aus. Offenbar ist FA2H also an ganz verschiedenen Vorgängen beteiligt. Die Wissenschaftler der Universität Bonn wollten genauer untersuchen, wie die aus dem Protein Myelin bestehenden Ummantelung der Nervenbahnen im Gehirn durch einzelne Gene beeinflusst werden. Diese Schutzschicht ist bei Erkrankungen wie Multipler Sklerose beschädigt. Von Bedeutung für die Isolierung der Nervenbahnen ist das Enzym Fettsäure-2-Hydroxylase (FA2H).
Blockierten die Forscher bei Mäusen das Ablesen des für das Enzym kodierenden Gens, veränderte sich bei den modifizierten Mäusen im Gehirn erstmal wenig. Umso größer war aber der Wechsel im Erscheinungsbid: Die Nager verfügten nur noch über wenige Haare, die ihnen immer wieder ausfielen. „Die Drüsen an den Haarbälgen waren gestört und produzierten einen Talg, der eine deutlich veränderte Zusammensetzung aufwies“, sagt Matthias Eckhardt vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Bonn, der die Studie koordinierte. Der Talg besteht aus Fett  und fettähnlichen Stoffen, die eine Art Schmiermittel für das Haarwachstum bilden. Bei den untersuchten Mäusen wies der Talg aber Klümpchen auf, die den Haarkanal verstopften und dazu führten, dass die Haare nicht so leicht auswachsen konnten.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Nervenkrankheit ALD erstmals mit Gentherapie geheilt

Menschen: Frauke Zipp - Mit neuen Strategien die MS aufhalten

Die Bonner Forscher schließen aus diesem Ergebnis, dass die Fettsäure-2-Hydroxylase an ganz unterschiedlichen Stellen des Stoffwechsels eine Funktion ausübt. „Das lässt sich entfernt mit Schrauben an einem Auto vergleichen“, sagt Eckhardt. „Wenn sich an entscheidenden Stellen des Wagens dieser bestimmte Schraubentyp lockert und ausfällt, kann dies unterschiedliche Folgen haben – den Verlust eines Rades oder des kompletten Motors.“ Übertragen bedeutet das: Wird das für FA2H zuständige Gen ausgeschaltet, ist die Produktion von unterschiedlichen Lipiden im Gehirn und in den Talgdrüsen beeinträchtigt. Die Ergebnisse lassen sich aber vermutlich nicht von der Maus auf den Menschen übertragen. Mit dem Ergebnis des Teams werden sich also absehbar keine Glatzen kurieren lassen. Die Wissenschaftler wollen nun aber mehr über das FA2H und andere Gene herausbekommen, die an Erkrankungen der Myelinummantelung beteiligt sind.

Viren-Fessel kommt an vielen Stellen im Körper vor

Der körpereigene Eiweißstoff Tetherin, auch CD317 genannt, kann Viren sehr effektiv bekämpfen. Heidelberger Infektionsforscher haben erstmals nachgewiesen, dass der Abwehrstoff fast überall im Körper gebildet wird und so die Ausbreitung von Erregern stoppen kann.

Die Arbeiten wurden nun in der Fachzeitschrift PNAS (2011, Online-Veröffentlichung) publiziert. CD317 ist vor allem gegen solche Viren wirksam, die eine Hülle besitzen, etwa gegen das Grippevirus (Influenza), HIV und Lassa-Virus. Frühere Laborarbeiten mit Zellkulturen haben gezeigt, dass virusinfizierte Zellen das Protein CD317 in großen Mengen herstellen.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Molekulare Fußfessel setzt Grippeviren fest

Viren, die ihre Wirtszelle verlassen, um neue Körperzellen zu befallen, umgeben sich beim Austritt aus der Zelle mit einer Eiweißhülle. CD317 lagert sich in diese Hülle ein und bildet eine Eiweißbrücke aus, die die Virushülle mit der äußeren Wirtszellmembran verbindet. An dieser Brücke hängen die umhüllten Viren einzeln oder sogar in Trauben fest und können sich nicht von der Zelle lösen.

In diesem Gewebeschnitt einer Milz ist der Virenabwehrstoff CD317 dunkelrot gefärbt.Lightbox-Link
In diesem Gewebeschnitt einer Milz ist der Virenabwehrstoff CD317 dunkelrot gefärbt.Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg

Die festgebundenen Viren können somit keine weiteren Körperzellen befallen und sich nicht weiter vermehren. Bislang war jedoch nicht bekannt, in welchen Zellen und Geweben des Körpers der Abwehrstoff CD317 gebildet wird. Oliver Keppler und sein Team vom Universitätsklinikum Heidelberg haben dies nun erstmals umfassend erforscht. In die Wissenschaftler untersuchten 468 Gewebeproben von 25 verschiedenen menschlichen Organen und wiesen in allen Proben CD317 nach. Die Heidelberger Forscher konnten so erstmals eine Landkarte erstellen, auf der ersichtlich ist, wo und in welchem Umfang CD317 im Körper vorkommt. Möglicherweise müssen einige Behandlungsansätze nun jedoch neu durchdacht werden.  Bislang hatten Forscher CD317 vor allem in bestimmten Immunzellen, den sogenannten B-Zellen, sowie in Krebszellen nachgewiesen. Neu entwickelte Antikörpertherapien sollten hier gezielt den Hebel ansetzen. Da das Molekül aber offenbar von vielen verschiedenen Körperzellen gebildet wird, würde ein CD317-Antikörper auch viele gesunde Körperzellen angreifen. "Unsere Ergebnisse unterstreichen  aber die Bedeutung von CD317“, erläutert Keppler. „In Zukunft wird es darum gehen herauszufinden, welche Viren von CD317 abgewehrt werden, wie wir den Körper dabei unterstützen können und welche spezifischen Gegenmaßnahmen manche Viren entwickelt haben, die wir dann selektiv entkräften können.“

Forscher weisen Geschlechter-Unterschiede im Blut nach

Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums in München haben nachgewiesen, wie sich die Zusammensetzung der Stoffwechselprodukte im Blut zwischen Mann und Frau unterscheidet. 

Die Forscher um Thomas Illig, dem Leiter der Abteilung Molekulare Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum München, haben die Blutproben von mehr als 3.300 Probanden der Bevölkerungsstudie KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) untersucht. Sie analysierten die im Blut enthaltenen Stoffwechselprodukte, wie Fette, Aminosäuren, Zucker und Ester-Verbindungen. Ihre Forschungsergebnisse stellen die Wissenschaftler nun im Fachjournal PLoS Genetics (2011, Online-Veröffentlichung) vor.

Mehr auf biotechnologie.de

Menschen: Oliver Werz - Vom Krebs und dem kleinen Unterschied

News: Epigenetischer Geschlechterkampf in der befruchteten Eizelle

Wochenrückblick: Megastudie - 95 Gene beeinflussen Blutfette

Demnach waren 102 von insgesamt 131 untersuchten kleinen Molekülen im Blut von Männern und Frauen in unterschiedlichen Konzentrationen enthalten. Indem sie diese Metabolomik-Untersuchung der kleinen Stoffwechselmoleküle mit genetischen Daten kombinierten, konnten die Wissenschaftler ein detailliertes Stoffwechselprofil erstellen. Auf diese Weise fanden sie einige für den Stoffwechsel wichtige Gene, die bei den Geschlechtern in unterschiedlichen Varianten vorkommen. Diese geschlechtspezifischen Unterschiede seien der Beweis, dass Männer und Frauen molekular zwei völlig unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen sind, so Illig: „Das bedeutet: Wir benötigen auch geschlechtspezifische Ansätze zur Therapie von Erkrankungen.“Im nächsten Schritt will er die Zahl der untersuchten Stoffwechselverbindungen erhöhen und weitere Studien analysieren. „Durch die Kombination von geschlechtsspezifischer Auswertung, genetischen Assoziationsstudien und Metabolomics werden wir lernen, die Entstehung der großen Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus detailliert zu verstehen,“ so Illig.

Diagnostikspezialist Epigenomics vor Schrumpfkur

Das Berliner Unternehmen Epigenomics AG hat wegen schrumpfender Umsätze umfangreiche Sparmaßnahmen angekündigt.

Die Hälfte der Mitarbeiter wird wohl gehen müssen: Ende 2011 sollen statt 84 nur noch 45 Mitarbeiter bei Epigenomics beschäftigt sein, hieß es bei der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen am 10. August. So sollen die Kosten um 3,5 bis 4 Millionen Euro jährlich sinken. Seit Ende 2009 vertreibt der Diagnostikspezialist den Darmkrebstest Epi proColon. Dessen Umsätze entwickeln sich in Deutschland und der Schweiz aber – offenbar wegen der fehlenden Erstattung durch Kostenträger – langsamer als erwartet. Dementsprechend stagnierte der Umsatz mit 0,99 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2011 auf Vorjahresniveau (0,97 Mio. Euro). Etwa 6 Millionen Euro Verlust sind so in den ersten sechs Monaten 2011 angefallen.  Nach einer Kapitalerhöhung 2010 hatte Epigenomics Ende Juli noch etwas mehr als 20 Millionen Euro liquide Mittel in den Büchern stehen. Mit den nun angekündigten Sparmaßnahmen dürfte sich das Management mehr Zeit verschaffen, um das Unternehmen profitabel zu machen. „Die Unternehmensleitung geht davon aus, dass die vorhandenen liquiden Mittel die Geschäftstätigkeit bis deutlich in das Jahr 2013 finanzieren können“, hieß es dazu aus der Firmenzentrale.
Gespart werden soll unter anderem im europäischen Direktvertrieb an Selbstzahler. Er werde „heruntergefahren“, so Epigenomics. Künftig werden die Tests verstärkt an Großkunden wie Gesundheitsdienstleister und Krankenkassen abgegeben. Auch die F&E-Aktivitäten werden zusammengestrichen: die frühe Forschung eingestellt, die klinische Entwicklung reduziert. Alle Anstrengungen werden auf „die Entwicklung der zweiten Produktgeneration und Unterstützung bestehender Produkte konzentriert“, heißt es. Allerdings dürften auch künftig Kooperationen mit der Pharmabranche im Bereich der Biomarkerentwicklung für die Personalisierte Medizin möglich sein. Neben Vertrieb und Forschung, werden wohl auch in der Verwaltung Stellen abgebaut. Die Entwicklung von Epigenomics‘ Darmkrebs-Bluttest der zweiten Generation, Epi proColon 2.0, verläuft indes weiterhin nach Plan. Noch in diesem Jahr soll bei der US-amerikanischen Aufsichtsbehörde FDA die Zulassung beantragt werden, so Epigenomics.