Gülsah Gabriel: Viren die Tür vor der Nase zuschlagen

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Gülsah Gabriel Quelle: HPI

23.03.2011  - 

Es ist ihre enorme Anpassungsfähigkeit, die Influenza-Viren so gefährlich und gleichzeitig für die  Molekularbiologin Gülsah Gabriel so faszinierend macht. Besonders bedrohlich werden Grippeviren, wenn sie Artgrenzen überspringen, so geschehen bei H5N1, der als Vogelgrippe-Virus bekannt geworden und für Menschen hochpathogen ist. Nachwuchsforscherin Gabriel untersucht am Hamburger Heinrich-Pette-Institut den bedrohlichen Übertritt dieses Virus von Vögeln auf Säugetiere und hat dabei herausgefunden, dass die Empfänglichkeit für eine Virusinfektion durch das Abschalten ganz spezifischer zellulärer Proteine reduziert werden kann.

Ihre Faszination für Influenza-Viren habe sie den Vorlesungen ihres Virologie-Professors in Marburg zu verdanken, erklärt Gülsah Gabriel. „Er hat uns das Spannende an der Influenza vermittelt: Denn bei den Viren kann man sich allein einer Sache sicher sein, und zwar dass man nie voraussagen kann, wie sie sich verändern werden.“ Einer der Gründe für die extreme Flexibilität der Viren sei deren Replikationsmaschinerie, so Gabriel. „Sie ist so fehlerträchtig, dass sie ständig Veränderungen in die RNA einbaut. Die Viren befinden sich praktisch in einer ständigen Evolution.“

Vogelgrippeviren dringen in Kerne menschlicher Zellen vor

Die 32-jährige Molekularbiologin ist den Grippeviren in kürzester Zeit und sehr zielstrebig nähergekommen. Noch während ihrer Promotion in Marburg konnte sie zeigen, wie die hochpathogenen Vogelgrippe-Erreger von Vögeln auf Säuger überspringen. 

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„Möglich machen dies einige wenige Mutationen in der Virus-Enzym Polymerase, die verantwortlich ist für die Replikation der Viren“, erklärt sie. Mit Hilfe der veränderten Polymerase können Vogelgrippeviren bis in den Zellkern vordringen, sich vermehren und die Infektion ausbreiten. Das mache diese Viren so gefährlich und hochpathogen, so Gabriel.

Nach ihrer Promotion ging die junge Forscherin für fast zwei Jahre als Postdoctoral Fellow an die Universität von Oxford, anschließend holte das Heinrich-Pette-Institut – Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie sie als Nachwuchsgruppenleiterin nach Hamburg. Fragt man die Forscherin nach dem Rezept für ihren schnellen, geradlinigen Weg, überlegt sie kurz und antwortet dann, dass sie sich bei der Auswahl ihrer Projekte immer für das entschieden habe, was sie besonders faszinierte. „Es ist weniger wichtig, dass eine Arbeitsgruppe besonders namhaft ist, als dass das Projekt ein gewisses Feuer in einem weckt“, erklärt sie. Geduld und Ausdauer brauche man auf jeden Fall, doch mache es eine gewisse Passion für das Thema leichter, tatsächlich durchzuhalten.

Transportmechanismus blockieren

Dank ihrer Stationen hat sich Gülsah Gabriel ein Netzwerk aufgebaut, das sich bei ihrer interdisziplinär ausgerichteten Forschung auszahlt. So gelang es ihr kürzlich, den Viren zusammen mit einer internationalen Forschergruppe noch ein Stück näher zu rücken. „Wir haben uns den Transportmechanismus, der das Viren-Erbmaterial in den Zellkern schleust, genauer angeschaut und festgestellt, dass dessen Komponenten bei Vögeln und Säugetieren unterschiedlich sind“, so die Forscherin. Für den Import der viralen Erbinformation bedarf es spezifischer Proteine, der so genannten alpha-Importine. In der aktuellen Studie stellt die Gruppe verschiedene Experimente vor, die belegen, dass Vogelgrippeviren Importin-alpha-3 benötigen, während Viren, die an Säugetiere angepasst sind, Importin-alpha-7 brauchen, um in den Zellkern zu gelangen und sich dort zu vermehren.

Suche nach einem Inhibitor

Besonders interessant ist der Befund, dass die Vermehrung der Influenza-Variante H1N1 (2009 als

Elektronenmikroskopische Aufnahme des 2009 H1N1-Grippevirus (Schweinegrippevirus). Lightbox-Link
Elektronenmikroskopische Aufnahme des 2009 H1N1-Grippevirus (Schweinegrippevirus). Quelle: Dr. H. Hohenberg/Dr. G. Gabriel, HPI
Schweinegrippe bekannt geworden) offensichtlich von den beiden Importin-Varianten alpha-3 und alpha-7 abhängt. An Experimenten mit Mäusen konnten die Forscher bestätigen, dass ein Fehlen des Importin-alpha-7 den Verlauf einer Infektion mit  H1N1 deutlich abschwächt. „Wenn wir dieses zelluläre Protein kurzzeitig blockieren, könnten wir die Ausbreitung dieser Infektion möglicherweise verhindern“, so Gabriel.

Die öffentliche Diskussion um Grippeerkrankungen ist meist von der Angst vor einer Pandemie bestimmt und wie diese verhindert werden könne. Gülsah Gabriel hält sich in solchen Diskussionen eher zurück, sieht sich selbst vor allem als Forscherin. Und dennoch ist ihr ein klarer Anwendungsbezug ihrer Forschung wichtig. Erst vor kurzem ist sie der European Scientific Working Group on Influenza (ESWI) beigetreten, ein Zusammenschluss europäischer Grippe-Experten. „Deren Ziel ist es, im Kampf gegen die Grippe die Kommunikation zwischen Wissenschaft, staatlichen Entscheidern und Industrie zu verbessern“, erklärt sie. „From bench to bedside“, nennt die Forscherin den Brückenschlag vom Labor zum Patienten. Dafür sei es notwendig, dass sich alle an einen Tisch setzen.

Autorin des Textes: Ute Zauft

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