Qiagen investiert in Startup von Krebsgenomforschern

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Start in die personalisierte Medizin: Aus Millionen von genetischen Daten will die Alacris GmbH die beste individuelle Therapie für Krebspatienten ermitteln. Quelle: NIHGR

27.01.2011  - 

Die Biotechnologie entwickelt sich rasant. Ideen, die heute noch fantastisch klingen, könnten morgen in neue Therapien oder Produkte münden. Oder eben nicht. Die Biotechnologie war schon immer etwas für risikobereite Investoren. Die sind besonders nach der Finanzkrise rarer geworden. Die Berliner Alacris GmbH ist nun bei Qiagen fündig geworden. Der börsennotierte Spezialist für molekulare Diagnostik finanziert die ersten Schritte des Unternehmens über eine strategischen Minderheitsbeteiligung. Im Gegenzug erhält Qiagen eine Option auf sämtliche Biomarker, die Alacris entdeckt. Das vom Max-Planck-Genomforscher Hans Lehrach mitgegründete Unternehmen will Patienten aufgrund ihres genetischen Profils die wirksamste Therapie vermitteln.

Mit mehr als 3000 Beschäftigten und über einer Milliarde Euro Umsatz im Jahr ist die im nordrhein-westfälischen Hilden beheimatete Qiagen AG Europas größtes Biotechnologieunternehmen. Die Alacris Gmbh aus Berlin dagegen bestand bisher hauptsächlich aus ihren Gründern: Wissenschaftler des Max-Planck Instituts für molekulare Genetik um Hans Lehrach und Kollegen der Harvard Medical School im US-amerikanischen Cambridge. Doch in der Biotechnologie ist Größe oft relativ. Die 41. Folge von biotechnologie.tv ist eine Sondersendung zur Humangenomforschung.Quelle: biotechnologie.tvNeue Ideen kommen oft von Startups.

Biomarker-Forschung erweitern

In den vergangenen Jahren hat sich eine neue Art der Kooperation manifestiert. Etablierte Unternehmen aus dem Pharma- oder sogar aus dem Biotechnologiebereich selbst investieren direkt und bereits in seiner frühen Phase in kleine Startups. Das ist riskant, sichert aber den für die Unternehmen lebenswichtigen Zugang zu Innovationen. „Mit der strategischen Beteiligung an Alacris erweitern wir unsere Biomarker-Forschung", sagt Qiagen-Chef Peer Schatz. "Uns eröffnet sich die Möglichkeit, auf Basis der QIAsymphony-Plattform unser Portfolio an Tests für die personalisierte Medizin auszubauen.“ QIASymphony ist ein Gerät zum Testen von Substanzen. Mit verschiedenen Modulen kann das Gerät auf verschiedene Bedürfnisse und eine Vielzahl an zu testenden Substanzen abgestimmt werden. 

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An Selbstbewusstsein mangelt es dem kleineren Partner jedenfalls nicht. „Wir haben das Ziel, die Krebstherapie zu revolutionieren“, sagt Lehrach. Dafür setzt er auf eine Software, mit dem die Reaktion von Patienten auf Krebsmedikamente vorhergesagt werden kann.

Erfindung aus Treat 1000-Programm

Das ModCell genannte Werkzeug basiert auf molekularen Daten, die hauptsächlich im Rahmen des Treat 1000-Programms ermittelt worden sind. Hierzu hatte sich Lehrach mit seinen Kollegen George Church von der Harvard Medical School sowie dem Onkologen Reinhold Schäfer von der Berliner Charité zusammengeschlossen. Im Rahmen des Projektes wurde nicht nur das Genom von Krebspatienten bestimmt, sondern auch das Transkriptom, das ist ein Schnappschuss aller RNA-Fragmente, die zu einem bestimmten Augenblick in der Zelle vorhanden sind.

Mittels der RNA wird die genetische Information von der DNA im Zellkern zu den Proteinfabriken, den Ribosomen, transportiert. Außerdem wird das Exon-Muster bestimmt. Exons sind jene Teile der Gene, auf denen die tatsächliche Bauanleitung für die Proteine gespeichert ist. Diese individuellen molekularbiologischen Muster wurden dann damit abgeglichen, wie gut die Patienten auf die Therapie ansprechen.

Alacris

Die Alacris GmbH wurde 2008 von Forschern des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik und der Harvard Medical School gegründet.

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Auch Blutproben wurden genommen. „Aus diesen Datensätzen haben wir die Muster mit der besten prognostischen Aussage auf einen Therapieerfolg modelliert“, erklärt Lehrach. Die Daten werden in ein spezielles Computermodell gespeist, das Daten aus der Krebsforschung der vergangenen 20 Jahre enthält. Dieses vergleicht die Daten mit Informationen über verfügbare Anti-Krebs-Arzneimittel und spuckt die besten Therapievorschläge aus. Das Treat1000-Projekt wird auch im Dossier zur Entschlüsselung des Humangenoms vorgestellt (mehr...).

Investitionen sollen Genomsequenzierungen antreiben

Der Direktor des Max-Planck Instituts für molekulare Genetik in Berlin glaubt, dass die computerunterstützte Verknüpfung von Biomarkern und Therapie schon bald im medizinischen Alltag ankommen wird: „Ein gutes Modellierungssystem ist notwendig, um fundierte Voraussagen über passende Therapien treffen zu können“, so Lehrach.

Lehrach gründete Alacris einerseits, um seine Ergebnisse kommerzialisieren zu können, andererseits aber auch, um mehr Patientengenome zu sequenzieren. „Derzeit liegt deren Zahl bei zwei pro Woche“, sagt er. Limitierend seien dabei nicht die Gerätekapazität, sondern die finanziellen Mittel. Aus diesem Grund entschloss sich Lehrach, die Suche nach externer Finanzierung zu beginnen. Einige Wagniskapital-Investoren winkten jedoch ab. Ihr Urteil: zu früh für ein Investment. Schließlich ließ sich Qiagen für das Projekt begeistern. „Wir haben für die erste Runde länger gebraucht als ich zunächst gedacht hatte“, gibt Lehrach zu. Auch Fördermittel will er zur Finanzierung seines Projektes nutzen. Wo der Firmensitz des Unternehmens sein wird, das steht noch nicht genau fest. Er soll sich jedoch in der Hauptstadtregion befinden.

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