Winziges RNA-Molekül verlängert Immunantwort

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Die T-Helfer-Zellen gehören zur Gruppe der Lymphozyten. Sie werden aktiv, wenn andere Abwehrzellen ihnen Eindringlinge präsentiert. Quelle: NIH

11.01.2011  - 

Sobald ein Krankheitserreger in den Körper eindringt, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Die Mikroben versuchen sich möglichst schnell zu vermehren und so den Körper erfolgreich zu besiedeln. Das Immunsystem versucht genau das zu verhindern und stellt daher zusätzliche Abwehrzellen her, die die Eindringlinge bekämpfen sollen. Lange Zeit war unklar, wie es weiße Blutkörperchen schaffen, sich nach dem Kontakt mit einem Keim schnell genug zu vermehren. Wissenschaftler des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin haben nun einen Mechanismus entdeckt, der für die rasche Neubildung von Zellen verantwortlich sein könnte. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Vorhaben mit mehr als einer Million Euro.

Von entscheidender Bedeutung für die Immunabwehr sind so genannte T-Helfer-Zellen. Wie alle T-Zellen erkennen auch sie eine Infektion nur dann, wenn zum Beispiel Fresszellen ihnen Proteinbruchstücke der eingedrungenen Mikroben präsentieren. Sie beginnen dann, sich zu vermehren. Im Gegensatz zu anderen Zellen greifen die Helferzellen die Krankheitserreger aber nicht direkt an, ihre Aufgabe ist es vielmehr, die anderen weißen Blutkörperchen in einen Alarmzustand zu versetzen. Das geschieht, indem sie bestimmte Botenstoffe, beispielsweise Interleukin ausschütten. Diese Botenstoffe alarmieren jedoch nicht nur die Abwehrzellen des Körpers, sie lösen auch Entzündungsreaktionen aus. Deswegen ist es besonders wichtig, die Vermehrung der T­-Helfer-Zellen genau zu kontrollieren.

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Genaue Steuerung der T-Zellvermehrung ist wichtig

Die Wissenschaftler um Andreas Radbruch und Mir-Farzin Mashreghi vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin untersuchen, auf welche Weise die gezielte Vermehrung der T-Zellen bei einer Infektion reguliert wird. Wie wichtig diese Steuerung ist, zeigen Erkrankungen, bei denen die Anzahl der T-Zellen abnorm ist. Bei Autoimmunkrankheiten wie der rheumatoiden Arthritis, werden viel zu viele der Helferzellen gebildet. Dadurch kommt es zu chronischen Entzündungen. Genau der entgegengesetzte Effekt spielt bei bestimmten Leukämie-Erkrankungen eine wichtige Rolle. Dann werden vom Körper nicht genügend der spezialisierten Zellen hergestellt.

Aufgrund der Vielzahl von Krankheitserregern kann im Körper jeweils nur eine geringe Zahl von T-Zellen gegen einen bestimmten Eindringling vorgehalten werden. Im Ruhezustand sorgt ein Protein, der Transkriptionsfaktor Foxo1, dafür, dass sich T-Helfer-Zellen nicht unkontrolliert vermehren. Sobald den Zellen aber ein körperfremdes Molekül präsentiert wird, schalten sie in den Alarmzustand und diese Blockade wird aufgehoben. Die Vermehrung der spezifischen T-Helfer-Zellen nimmt ihren Lauf. Unterstützt wird dieser Vorgang durch den Botenstoff Interleukin-2.

FORSYS

Im Jahr 2006 begann das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit der Förderung von Forschungseinheiten zur Systembiologie - FORSYS. Zunächst wurden vier Zentren gefördert,später wurde die Förderung mit dem Prograqmm FORSYS-Kooperaqtion weiter ausgebaut.

mehr Informationen zu FORSYS und zur Systembiologie beim BMBF: hier klicken

zur Homepage des FORSYS-Projekts: hier klicken

Kurze RNA steuert lange Immunantwort

Die Aktivierung der Vermehrung der T-Zellen im Zusammenspiel mit Interleukin-2 ist allerdings nur von kurzer Dauer. Damit die Immunantwort des Körpers erfolgreich ist und der Aufbau von Abwehrzellen nicht zu Beginn einer Infektion zusammenbricht, braucht es ein weiteres Signal. Bisher wussten die Forscher nicht, welcher Stoff genau dieses Signal vermittelt. Das Team um Radbruch hat den Boten nun durch einen systembiologischen Suchansatz gefunden: Ein kurzes RNA-Bruchstück mit dem Namen microRNA-182.

In der Vergangenheit schrieben die Biologen der RNA hauptsächlich eine Vermittler-Rolle zu und sahen ihre einzige Aufgabe darin, die Sprache der Gene in eine Bauanleitung für Proteine zu übersetzen. Das RNA-Moleküle auch eine regulatorische Funktion haben, ist erst seit wenigen Jahren bekannt. Um so mehr rücken die microRNAs nun in den Fokus der Forschung. „Die microRNA-182 haben wir nur durch Sequenzierung aller in den Zellen vorhandenen microRNA finden können“, erklärt Mir-Farzin Mashreghi, einer der Mitarbeiter im Labor von Andreas Radbruch. Nach einem Vergleich von inaktiven T-Zellen im Ruhezustand und aktivierten T-Zellen konnten die Forscher Veränderungen in den RNA-Mengen beobachten. „In den aktiven T-Helferzellen haben wir besonders viel von der microRNA-182 gefunden“, berichtet Mashregi. Durch Untersuchungen an Zelllinien konnten sie die Funktion des RNA-Moleküls nachweisen: „Im Immunsystem sorgt sie dafür, dass Foxo1 länger blockiert bleibt und damit der Expansion nichts im Wege steht“, so der Zellbiologe.

Um die microRNA-182 zu identifizieren haben die Forscher unzählige kleine RNA-Moleküle untersucht. Ihre Sequenz lässt sich aus sogenannten Interferogrammen ableiten.Lightbox-Link
Um die microRNA-182 zu identifizieren haben die Forscher unzählige kleine RNA-Moleküle untersucht. Ihre Sequenz lässt sich aus sogenannten Interferogrammen ableiten.Quelle: National Human Genome Research Institute

Dass die microRNA-182 tatsächlich eine zentrale Rolle in der Immunantwort spielt, konnte in einem Mausmodell für Arthritis bestätigt werden. Verabreichten die Forscher den Mäusen einen Hemmstoff gegen die microRNA-182, so blieb eine übermäßige Vermehrung von T-Helfer-Zellen aus. Sie konnten nicht die für die Arthritis typische, überschießende Immunantwort auslösen. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift Nature Immunology (2010, Band 11, Seiten 1057-1062) berichten eröffnet die Entdeckung der Funktion von microRNA-182 neue therapeutische Möglichkeiten, unter anderem bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen.

Das Verbundprojekt „Systemanalyse von regulatorischen Netzwerken in T-Helfer-Zellen“ wurde vom BMBF im Rahmen der Initative FORSYS-Kooperation mit etwa einer Millionen Euro gefördert. Das auf drei Jahre angelegte Projekt läuft noch bis Ende April 2011. Beteiligt sind neben den Wissenschaftlern des DRFZ auch Wissenschaftler des Max-Delbrück-Zentrums, der Charité-Universitätsmedizin, der Firma Miltenyi-Biotec, des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie.

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