Personalisierte Medizin: Depressionsspezialist gründet Biotech-Firma

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Gründen für die Entwicklung von maßgeschneiderten Depressions-Medikamenten eine Firma: Neuroforscher Florian Holsboer und Finanzier Carsten Maschmeyer (re). Quelle: HMNC

02.12.2010  - 

Mit personalisierter Medizin gegen das Volksleiden Depression: Der Direktor des Münchener Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, Florian Holsboer, hat mit dem ehemaligen AWD-Chef Carsten Maschmeyer eine Biotech-Firma gegründet. Die neue HolsboerMaschmeyer Neurochemie GmbH (HMNC) wurde Anfang Dezember in das Handelsregister eingetragen. Das Unternehmen ist mit zunächst vier Mitarbeitern am Münchener Max-Planck-Institut angesiedelt. Hier sollen Holsboers Forschungen zu Biomarkern und Wirkstoffmolekülen für eine  maßgeschneiderte Behandlung von Depressionen zur Marktreife gebracht werden.

Der Münchner Neurowissenschaftler Florian Holsboer gilt als internationaler Experte für die Erforschung von Depressionserkrankungen. Unter anderen hat er auch den Fußballprofi Sebastian Deisler behandelt. Zentral für Holsboers Herangehensweise ist, die organischen Ursachen für psychiatrische Erkrankungen dingfest zu machen. Holsboer und Maschmeyer gehören jeweils 50 Prozent der Anteile an der neuen Biotech-Firma. „Der intellektuelle Input stammt von mir, der finanzielle von Herrn Maschmeyer. Beides ist gleich wichtig. Daher besitzt jeder die Hälfte“, sagte Max-Planck-Direktor Hoelsboer im Gespräch mit dem Biotech-Branchenmagazin |transkript. Zum Geschäftsführer wurde Karsten Mitzinnek bestellt, ehemals Direktor von AWD und heute die rechte Hand des Multimillionärs Maschmeyer. Der Film stellt Forschungsarbeiten von Florian Holsboer am Max-Planck-Institut für Psychiatrie vor, wo neuartige Behandlungswege für Depressive entwickelt werden.Quelle: IAIS/ BMBF Dieser hatte 2007 dem von ihm gegründeten Finanzdienstleister AWD an die Schweizer Swiss Life-Gruppe verkauft. Im letzten Jahr gründete er mit dem ehemaligen „Wirtschaftsweisen“ Bert Rürup ein eigenes Beratungsunternehmen. Nun will Maschmeyer mehrere Millionen in die HolsboerMaschmeyer Neurochemie GmbH investieren.

Veronika Ferres hat die Gründer zusammengebracht

„Ich bin ein Fan aller neurologischen Themen“, sagte Maschmeyer der Financial Times Deutschland. Der 51-jährige Finanzunternehmer hat selbst einige Semester Medizin studiert und sich mit Stiftungen bereits in der Neurologie und der Bionik engagiert."Und wenn es schiefgeht, war das eben ein philantropisches Projekt", sagte er.  Das Zusammenkommen mit Depressionsforscher Holsboer hat dabei Maschmeyers Lebensgefährtin, die Schauspielerin Veronica Ferres, eingefädelt. „Ich kenne Veronica Ferres schon eine lange Zeit. Sie hat mich mit Herrn Maschmeyer bekanntgemacht“, so der Max-Planck-Direktor Holsboer  im Gespräch mit |transkript. Da Maschmeyer über sein Engagement beim Fußball-Bundesligisten Hannover 96 und dem Freitod von Torhüter Robert Enke mit dem Thema Depression in Kontakt gekommen war, konnte Holsboer ihn für seine Idee gewinnen. Holsboer betont, die HMNC als Privatperson gegründet zu haben – unabhängig von seiner Position als Max-Planck-Direktor. Im Rahmen eines Kooperationsvertrages werden demnächst allerdings die Erkenntnisse aus seiner Arbeitsgruppe in der HMNC verwertet. Über Lizenzen verhandelt er direkt mit der Max-Planck-Gesellschaft. Entsprechende Stellen könnten aber am Institut geschaffen werden und aus der Kasse der Firma bezahlt werden. Bei den erforschten Ansätzen handelt es sich vor allem um genetische und epigenetische Biomarker, die eine personalisierte Diagnose und Aussagen über den Verlauf einer Depression erlauben.

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Biomarker und Gentests für Depressions-Typen

Menschen mit bestimmten Genvarianten sind anfälliger für das Volksleiden Depression als andere. Trotz der Erkenntnisse zur Erblichkeit ist die Depression als komplexe Erkrankung nur schwer zu fassen. „Die heutige Diagnose von Depressionen hat keinen Bezug zur Pathophysiologie. Die Betrachtung ist immer noch sehr holzschnittartig“, beklagt Holsboer. Ähnlich sieht es bei der Arznei-Therapie aus. „70 Prozent der gängigen Antidepressiva wirken bei Patienten nicht. Noch dazu haben sie zu viele Nebenwirkungen und schlagen erst langsam an“, so der Depressionsforscher. Die Zukunft der Depressionsbehandlung liegt für Holsboer in der Berücksichtigung von biologischen Anzeigern, sogenannten Biomarkern.

„Wenn es uns aber gelingt, Gentests mit systembiologischen Biomarkern zu paaren, dann haben wir eine gute Chance, die Diagnose und damit die Behandlung von Depressionen entscheidend zu verbessern.“ In der Onkologie hätten bereits genetische Marker neue Behandlungs- und Diagnosewege eröffnet, in der Behandlung von Depressionen fehle das bisher völlig. „Die Onkologen haben es relativ einfach. Sie entnehmen Gewebe, färben es an und sehen dann ob ein Antikörper bindet oder nicht. In der Psychiatrie ist das sehr viel schwieriger“, sagt Holsboer. In seiner Arbeitsgruppe seien aber vielversprechende Ansätze entwickelt worden. Eine Zielstruktur befinde sich auf der Zelloberfläche von Nervenzellen, sagte Holsboer, ohne nähere Angaben zu machen. Mehr über die Biomarker-Forschung bei Depressionen am Münchener Max-Planck-Institut war kürzlich bei einem Forum auf der Medica-Messe zu erfahren (mehr...). Marcus Ising, der die Arbeitgruppe Molekulare Psychologie am MPI für Psychiatrie leitet, hat mit seinem Team offenbar bei depressiven Patienten Varianten in drei Genen aufgespürt, die sich in Tests als sehr zuverlässige molekulare Indikatoren für den Verlauf einer Depression erwiesen haben. Die hoffnungsvollen Kandidatengene tragen kryptische Namen wie P2RX7, FKBP5 oder ABCB1.

HMNC

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Maßgeschneiderte Studien und Wirkstoffe

Für MPI-Direktor Holsboer werden Biomarker wie diese nicht nur die Diagnose von Depressionen, sondern auch die Medikamentenentwicklung verbessern. Denn sie ermöglichen es, für klinische Studien nur die Patientengruppen auszuwählen, die auch wirklich auf ein maßgeschneidertes Medikament ansprechen werden. Im Kern geht es darum, die Patientengruppen je nach Ursache und Mechanismus der Depression unterschiedlichen Klassen zuzuteilen. Für jedes Patientenkontingent werden dann kleine chemische Wirkstoffmoleküle erforscht, die zu einem späteren Zeitpunkt an Pharmaunternehmen auslizenziert werden könnten. Die Forschung in einem Institut ließe sich jedoch nur bis zu einer bestimmten Grenze betreiben: „Wenn es darum geht, Lead-Strukturen zu entwickeln oder klinische Studien durchzuführen, dann braucht man einen externen Partner.“, so Holsboer. Aus diesem Grund habe er zusammen mit Maschmeyer die HMNC gegründet. Erst dessen finanzielles Engagement hätte aber die Firmengründung möglich gemacht.

Für die Entwicklungen von Zielstrukturen kann sich Holsboer unter anderen eine Zusammenarbeit mit dem Lead Discovery Center (LDC) in Dortmund vorstellen. Dieses von der Max-Planck-Innovation GmbH gegründete Zentrum zielt darauf ab, die frühe Phase der Wirkstoffentwicklung effizienter als bisher voranzutreiben. Das LDC ist Teil eines Konsortiums, dass im Biopharma-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) siegreich war (mehr...).

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