Fett-Kontrolle: Eiweiß bestimmt, wie und wo der Körper Fett lagert

Auch im richtigen Leben hat Gabourey Sidibe, die im Drama "Precious" eine übergewichtige junge Frau spielt, mit ihren Kilos nach eigenen Angaben keine Probleme.  <ic:message key='Bild vergrößern' />
Auch im richtigen Leben hat Gabourey Sidibe, die im Drama "Precious" eine übergewichtige junge Frau spielt, mit ihren Kilos nach eigenen Angaben keine Probleme. Quelle: Lee Daniels Entertainment

26.03.2010  - 

Übergewicht hat schwerwiegende Auswirkungen - nicht nur auf das Gesundheitssystem, sondern auch auf die Psyche vieler Betroffener. Nicht alle können damit so nonchalant umgehen wie Gabourey Sidibe, die 150 Kilogramm schwere Schauspielerin, die für ihre Rolle im Drama "Precious" für den Oscar nominiert wurde. Wie Fett im Körper gespeichert wird, ist noch nicht ganz verstanden. Forscher aus Potsdam, Münster, Leipzig und München haben nun ein Eiweiß entdeckt, das wichtige Elemente der Fettspeicherung kontrolliert. So verhindert ARFRP1 einerseits, dass Fett nicht gleich wieder abgebaut wird. Zum anderen sorgt es dafür, dass Fett auf die richtige Weise - und vor allem an der richtigen Stelle - eingelagert wird. Das könnte zum besseren Verständnis von Diabetes beitragen, vermuten die Ernährungswissenschaftler in der Fachzeitschrift Molecular and Cellular Biology (März 2010, Bd. 30, Ausg. 5, S. 1231-1242).


 

Auch wenn sie in der modernen Welt oft zur Belastung wird, hat die Fettablagerung im Körpergewebe ein wichtigen evolutionären Sinn. Fett ist als Energiereserve hocheffizient. Ein Mensch mit einem Fettvorrat von 15 Kilogramm kann etwa 50 bis 60 Tage ohne Nahrung auskommen. Das war in den Savannen Afrikas wichtig, wenn die Vorfahren des Menschen einmal kein Jagdglück hatten. Im 21. Jahrhundert allerdings wird die Zeit von einer Mahlzeit zur nächsten nicht mehr in Wochen, sondern in Stunden gemessen.

Die Fettzellen (Adipocyten) des weißen Fettgewebes sind vergleichsweise große Zellen. Die Zelle ist fast vollständig mit einem großen Fetttropfen (Pfeil) ausgefüllt, wobei der Zellkern dicht an den Zellrand gedrückt ist. Stark vereinfacht kann man sich die Fettzelle als einen dehnbaren Öltank vorstellen. Lightbox-Link
Die Fettzellen (Adipocyten) des weißen Fettgewebes sind vergleichsweise große Zellen. Die Zelle ist fast vollständig mit einem großen Fetttropfen (Pfeil) ausgefüllt, wobei der Zellkern dicht an den Zellrand gedrückt ist. Stark vereinfacht kann man sich die Fettzelle als einen dehnbaren Öltank vorstellen. Quelle: Deutsches Institut für Ernährungsforschung

Noch wenig über Fettspeicherung bekannt

Über das Entstehen von Übergewicht weiß man noch nicht sehr viel. Mit bloßem Auge lassen sich zwei Arten von Fettgewebe unterscheiden. Das so genannte braune Fettgewebe trägt dazu bei, die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Das in ihm gespeicherte Fett wird direkt für die Wärmeproduktion verwendet, so dass hier größere Mengen an Energie verbraucht werden. Lange ging man davon aus, dass das braune Fettgewebe beim Menschen eher eine untergeordnete Rolle spielt und er nur im Säuglingsalter wenig davon besitzt. Neuere Studien belegen jedoch, dass auch der erwachsene Mensch über braunes Fettgewebe verfügt, wobei allerdings adipöse Personen keine oder nur geringe Mengen dieses stoffwechselaktiven Gewebes aufweisen. In letzter Zeit konnten Forscher auch einige Genvarianten ausmachen, die mit einem höheren Risiko für Übergewicht in Verbindung stehen (mehr...). Doch was bei der Fettablagerung auf molekularer Ebene abläuft, darüber sagen die genomweiten Assoziationsstudien dieser Art wenig aus.

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Einen Einblick in den Prozess der Fettspeicherung auf Zellebene liefert nun ein Team von Wissenschaftlern rund um Annette Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. In Zusammenarbeit mit Kollegen des Leibniz-Instituts für Arterioskleroseforschung (LIFA) in Münster, der Universität Leipzig sowie des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried haben die Wissenschaftler ein Eiweiß ausgemacht, das die Fettspeicherung im Körper maßgeblich steuert.

Kleine Fettpartikel werden zu großen Tropfen

Bei ihren Untersuchungen studierten die Forscher einerseits Fettzellen außerhalb des Körpers in der Petrischale, andererseits aber auch spezielle Mäuse. Durch eine gentechnischen Trick können diese "Knock-out-Mäuse" das Eiweiß ARFRP1 nicht mehr bilden. Durch den Vergleich mit den Daten von normalen Kontrolltieren konnten die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die Funktion des Eiweißmoleküls ziehen. Das Ergebnis war deutlich: Die Tiere ohne ARFRP1 konnten Fett nicht mehr richtig ablagern - die Fetttröpfchen in den Zellen waren winzig. Die verminderte Speicherleistung des Fettgewebes sorgte in der Folge dafür, dass die Tiere Lipide bereits im Alter von nur sieben Tagen in anderen Geweben wie der Leber einlagerten - ein Vorgang, der zu einer Insulinresistenz führen kann, einer Vorstufe des Typ-2-Diabetes. Zusätzliche biochemische Analysen zeigten darüber hinaus, dass ein fettabbauendes Enzym (hormone-sensitive lipase) stärker aktiv war.

Fehlt in den Fettzellen das Eiwieß ARFRP1, dann sind die eingelagerten Fetttröpfchen viel kleiner. Lightbox-Link
Fehlt in den Fettzellen das Eiwieß ARFRP1, dann sind die eingelagerten Fetttröpfchen viel kleiner. Quelle: Deutsches Institut für Ernährungsforschung

„Aufgrund unserer Daten gehen wir davon aus, dass das identifizierte Protein gleichzeitig zwei Prozesse reguliert. Einerseits fördert es die Fusion kleiner Fettpartikel zu größeren Fetttropfen. Andererseits hemmt es den enzymatischen Fettabbau“, erklärt Angela Hommel vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung, die Erstautorin der Studie. Doch bedeutet der Zusammenhang mit dem Fettabbau nun nicht, dass eine Blockade von ARFRP1 Übergewichtige wie von Zauberhand abnehmen lassen würde. Das Zusammenspiel der Eiweiße im Körper ist komplexer. ARFRP1 spielt auch während der Embryonalentwicklung sowie in anderen Organen wie der Leber, den Nieren oder dem Gehirn eine wichtige Rolle. Würde man versuchen, die Wirkung des Eiweißes zu unterdrücken, würde damit vielleicht die Fettspeicherung, auf jeden Fall aber auch andere wichtige Körperfunktionen beeinträchtigt werden.

Erkenntnisse zur Entstehung von Diabetes

So liegt der mittelfristige Nutzen der Ergebnisse vielleicht in einem "Nebenergebnis". Die Maus könnte als Modell für die Untersuchung der Ursachen und Mechanismen der Insulinresistenz dienen, hoffen die Forscher. „Aufgrund der defekten Fettspeicherung im Fettgewebe lagert der Körper Fette in anderen Organen, wie z.B. der Leber, dem Skelettmuskel und dem Herz ein, wie es auch bei übergewichtigen und adipösen Personen beobachtet wird", erklärt Schürmann. Diese fehlgeleiteten Fette werden mit einer verminderten Insulinwirkung in Verbindung gebracht, wie sie bei Typ2-Diabetes auftritt. So könnten von der Grundlagenforschung vielleicht einmal Diabetes-Patienten profitieren. Denn auch im menschlichen Körper spielt ARFRP1 eine Rolle.

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