Bio-Putztruppe entgiftet Schwermetall-Böden

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Für kontaminierte Bergbauregionen, wie diese Halden des einstigen Wismut-Uranbergbaus in Ostthüringen, haben die Jenaer Forscher Sanierungsstrategien entwickelt. Quelle: Jan-Peter Kasper/FSU

24.04.2012  - 

Beim Abbau von Erzen bleiben meist stark Schwermetall-belastete Halden zurück. Erika Kothe, Mikrobiologin der Universität Jena, koordiniert einen internationalen und interdisziplinären Forschungsverbund, der sich mit der Sanierung von Böden beschäftigt. Mikroorganismen sollen die schädlichen Stoffe aus den kontaminierten Böden binden. Anschließend werden sie mit geeigneten Pflanzen aus den betroffenen Gebieten entfernt. Das Umbrella genannte Projekt hat Tests an verschiedenen Bergbau-Standorten durchgeführt und die Ergebnisse in Form einer Handlungsempfehlung zusammengefasst.

Wie die großen Herden in den Steppen Afrikas von einem Wasserloch zum nächsten ziehen um ihren Durst zu stillen, so treibt es auch Bergbauunternehmen auf der Suche nach immer neuen Ressourcen um. Doch ebenso wie die Herden in der weiten Savanne nach dem Trinken nur ein ausgetretenes Schlammloch zurücklassen, bleibt auch nach dem Abzug der großen Maschinen aus den Abbaugebieten meist nur ein verwüsteter Landstrich zurück. Abgesehen davon, das die Schönheit der Natur in diesen Arealen auf Dauer zerstört ist, lauert hier aber eine viel größere Gefahr: Böden und Grundwasser sind nach der Ausbeutung oft stark mit Schwermetallen und Umweltgiften belastet. Hier setzt der interdisziplinäre Forschungsverbund Umbrella an. Das Ziel: Mikroorganismen sollen die belasteten Böden schnell und günstig sanieren. Gefördert wird das Projekt seit 2009 von der Europäischen Union im Cluster „Soil Technology Research“ mit rund 2,3 Millionen Euro.

Die Mikrobiologin Erika Kothe von der Universität Jena hat den interdisziplinären Forschungsverbund „Umbrella“ koordiniert.Lightbox-Link
Die Mikrobiologin Erika Kothe von der Universität Jena hat den interdisziplinären Forschungsverbund „Umbrella“ koordiniert.Quelle: Jan-Peter Kasper/FSU

Bakterien und Pflanzen sammeln Schwermetalle

Im Laufe der Zeit haben Mikroorganismen Wege gefunden, sich den widrigsten Umständen anzupassen. So existieren Bakterien, die gegenüber Säuren und Laugen tolerant sind, anderen wiederum können selbst Temperaturen über 100 Grad Celsius nichts anhaben. Um die Böden der ehemaligen Bergbaugebiete zu entlasten, werden hingegen Organismen benötigt, die widerstandsfähig gegen Schwermetalle sind. „Es gibt viele Bakterien, die zum Beispiel Cadmium, Nickel oder Kupfer aufnehmen und speichern können“, erläutert Erika Kothe, die Koordinatorin des Forschungsverbundes. Die Mikroorganismen brauchen die Schwermetalle in geringen Mengen zum Überleben, nehmen sie deshalb auf, binden sie in Komplexen und speichern sie so für magere Zeiten. Auf diese Weise sind die Substanzen zwar gebunden, aber dennoch nicht wirklich aus den belasteten Halden entfernt. Dazu bedarf es weiterer Helfer, welche in der Lage sind, die von den Bakterien gebildeten Komplexe aufzunehmen. Pflanzen können dies leisten. Nachdem sie die Stoffe aus dem Boden gezogen haben, gleicht ein Kontrollmechanismus ab, ob noch geringe Mengen der Metalle in ihren Zellen benötigt werden. Ist dies nicht der Fall werden sie von der Pflanze in einer Art Mülleimer gesammelt.

Umbrella

Der Projektname steht für: Using Microbes for the Regulation of heavy metal mobility at ecosystem and landscape scale – also die Regulierung der Schwermetallbelastung von Ökosystemen durch Mikroben.

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Durch die Auswahl eines geeigneten Gewächses, dessen Anbau auf den Halden und seiner anschließenden Ernte könnten die Böden dauerhaft saniert werden. Die verseuchten Pflanzen gelten im Anschluss je nach Kontaminationsgrad als Sondermüll. Zur Entsorgung werden sie getrocknet und verbrannt. Die anfallende Asche muss schließlich auf speziellen Deponien gelagert werden. Ist die Konzentration an wertvollen Metallen wie beispielsweise Zink jedoch hoch genug, lohnt sich eventuell sogar ein Verkauf und die Sanierung ließe sich zumindest teilweise refinanzieren.

Spezifische Auswahl der Reinigungsmannschaft

An insgesamt sechs verschiedenen Bergbaustandorten in ganz Europa, beispielsweise in Schweden, Rumänien und auch in Ostthüringen hat das Forscherteam unterschiedliche Zusammenstellungen von Mikroorganismen und Pflanzen erprobt. Auf diese Weise wurden die zuvor entwickelten Konzepte auf ihre Tauglichkeit geprüft. Das Fazit: Den regional spezifischen Kontaminationen muss mit einer jeweils exakt angepassten Reinigungsmannschaft aus Mikroorganismen und Pflanzen begegnet werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Somit lässt sich kein allgemein gültiger Sanierungsplan formulieren. Stattdessen „muss der Standort zunächst umfassend charakterisiert werden“, sagt Mikrobiologin Kothe.

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Beispielsweise muss geklärt werden, welche Mikroorganismen vor Ort leben, welche Metallbelastung vorliegt oder auch welche Pflanzen wachsen können und welche Pilze diese eventuell bei der Aufnahme der Schwermetalle unterstützen können. Um alle entscheidenden Faktoren berücksichtigen zu können, arbeitet Umbrella sehr interdisziplinär. So gehören neben den Mikrobiologen auch Geowissenschaftler zum Team, die Wissen über die Verteilung der Metalle im Boden und im Wasser beisteuern. Ein ebenfalls sehr entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Sanierung.

Eine Win-Win-Situation

Dass das Projekt ein Gewinn für die einstigen Bergbauregionen sein könnte, ist einfach zu erkennen. Doch Erika Kothe ist überzeugt: „Langfristig wird nicht nur die Natur der ehemaligen Bergbaugebiete profitieren.“ So sieht die Prorektorin für wissenschaftlichen Nachwuchs und Gleichstellung der Universität Jena in dem Projekt auch für die beteiligten Menschen großes Potenzial: „Dank der guten Kooperation in unserem Verbund bot sich vor allem motivierten Nachwuchsforschern die Chance, sich bei den internationalen Partnern weiterzuqualifizieren.“ Viele Doktoranden der beteiligten Forschergruppen haben im Rahmen des Umbrella-Projekts die Möglichkeit genutzt, für einige Monate im Ausland zu forschen.

© biotechnologie.de/ss

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