Pilze mit jedem Atemzug

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Der Schimmelpilz Emericella nidulans unter dem Mikroskop: die kugelförmigen Sporen dienen der Verbreitung. In Deutschland sind zwischen über zehn Prozent aller Wohnungen von Schimmel befallen. Quelle: BASF

15.07.2009  - 

Auf dem Teller sind Pilze gern gesehen und heiß begehrt. Auf Pilzsporen in der Atemluft könnten manche Allergiker allerdings gerne verzichten. Für sie gibt es schlechte Nachrichten aus Mainz. Dort haben Wissenschaftler mit einer neuartigen DNA-Analyse herausgefunden, dass in einem Kubikmeer Luft bis zu 10 000 Sporen herumschweben - viel mehr als gedacht. Die Entdeckung könnte nicht nur für Allergiker interessant sein. Auch Landwirtschaft und Klimaforschung könnten von der Messmethode profitieren. Und sogar die Wettervorhersage wird offenbar genauer, wenn die Meteorologen wissen, wie viel Pilz in der Luft ist.



Die Menge und Artenvielfalt an Pilzsporen in der Luft ist wesentlich höher als bisher angenommen. Dies haben Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für Chemie und des Geocycles-Programms der Universität in Mainz festgestellt. Mittels DNA-Analyse identifizierten sie mehrere 100 Pilzarten in der Luft. In jedem Kubikmeter Luft schweben demnach zwischen 1000 und 10000 Pilzsporen, schreiben die Forscher im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences (Online-Vorabveröffentlichung, 17. Juli 2009). Nach Auskunft der Wissenschaftler ist es die erste systematische Erhebung des Gehalts an Pilzsporen in der Atemluft. Sie zeigt, dass die Konzentration an Pilz-Erbgut in der Luft weitaus höher ist, als bisherige Untersuchungen haben vermuten lassen.

Überwachung von genmodfizieten Pflanzen
Von ihrer Methode versprechen sich die Mainzer Forscher noch Großes: So könnte die Charakterisierung von luftgetragenen biologischen Schwebteilchen nicht nur in der Landwirtschaft, beispielsweise für die Überwachung von gentechnisch veränderten Pflanzen, sondern auch für die Medizin und die Klimawissenschaften interessant sein. "Insgesamt kennen wir heute über 100.000 Arten von Pilzen", erläutert Janine Fröhlich, Wissenschaftlerin in der Geocycles-Arbeitsgruppe. "Hochrechnungen gehen aber davon aus, dass es über 1,5 Millionen Arten gibt." Die in der Luft gefundenen Arten gehören überwiegend zu den Gruppen der Schlauch- oder der Ständerpilze, zu deren Vertretern sowohl beliebte Speisepilze wie Champignons oder Trüffel, aber auch potentielle Krankheitserreger wie Schimmel- und Rostpilze zählen. Beide Gruppen schleudern zur Vermehrung ihre Sporen aktiv in die Luft. Und wenn sie in die Lunge von Mensch oder Tier gelangen oder in Kontakt mit Pflanzen kommen, können viele von ihnen Allergien oder Krankheiten auslösen.

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Der Mensch atmet zwischen 10.000 und 20.000 Liter Luft täglich, jeder Atemzug enthält zwischen einer und zehn Pilzsporen. "Über den Tag gerechnet nehmen wir mit dem Feinstaub sieben Nanogramm Pilz-DNA auf. Das entspricht dem 10.000-fachen Informationsgehalt des menschlichen Erbguts", sagt Viviane Després von der Universität Mainz, die die Analysemethode entwickelt hat. Gemeinsam mit Ulrich Pöschl vom Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC) in Mainz haben die beiden Biologinnen den DNA-Gehalt der Luft in einer bisher einmaligen Langzeitstudie untersucht. Dazu haben sie über ein Jahr lang Fein- und Grobstaub aus der Luft gefiltert und auf Pilz-DNA untersucht.

Ein Jahr lang Proben gesammelt

Ihre Methode hatten die Forscher in den letzten zwei Jahren verfeinert: "Um die verschiedenen Arten aus der Gen-Suppe unserer Proben herauszufischen, benutzen wir eine Art genetischen Angelhaken. Im Gegensatz zu vorhergegangenen Studien haben wir aber mehrere verschiedene Köder für unterschiedliche Pilze benutzt. So haben wir einen wesentlich größeren Anteil der vorhandenen Arten identifizieren können", erklärt Fröhlich. "Außerdem haben wir über ein Jahr lang Proben gesammelt und analysiert - und damit wesentlich umfangreichere und aussagekräftigere Daten erhalten als vorhergehende Studien", so Despres.

"Uns interessiert die Anzahl der Pilzsporen in der Luft aus drei Gründen", zählt MPIC-Forscher und Studienleiter Pöschl auf: "Erstens können wir über den Nachweis der Sporen untersuchen, ob sich die Ökosysteme durch den Klimawandeln verändern. Zweitens spielen Pilzsporen eine große Rolle als Allergieauslöser, Pflanzenschädlinge und Krankheitserreger bei Mensch, Pflanze und Tier."

Wassertropfen bilden sich an Pilzsporen

Am meisten interessiert den Aerosolforscher jedoch die Möglichkeit, dass Pilzsporen eine Rolle bei der Bildung von Niederschlag spielen können. "Pilzsporen und andere biologische Aerosolpartikel können als Kondensations- und Kristallisationskeime für Wassertropfen und Eiskristalle dienen und dazu beitragen, dass Wolken, Nebel und Niederschlag entstehen." Eine genaue Analyse der Anzahl und Eigenschaften der Pilzsporen in der Luft kann daher dabei helfen, die Abläufe im Klimasystem besser zu verstehen. "Die Wechselwirkungen sind so komplex, dass wir immer noch neue Prozesse und Faktoren finden, die wir beachten müssen", so Pöschl über die Verbindung von Pilzen, Biosphäre und Klima.

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