Frank Kirchhoff: Den AIDS-Erreger verstehen

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Frank Kirchhoff nutzt seine wissenschaftlichen Ergebnisse zur Entwicklung neuer Medikamente gegen HIV. Quelle: Kirchhoff

25.05.2009  - 

Kirchhoffs wissenschaftliche Leistungen sprechen Bände: Neben zahlreichen Publikationen in hochrangigen Fachzeitschriften hat der Professor aus Ulm fast jedes Jahr einen Forschungspreis erhalten. Zuletzt würdigte ihn die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit dem Gottfried-Wilhelm Leibniz Preis, mit 2,5 Millionen der höchstdotierte deutsche Förderpreis. Der 47jährige Virologe gilt als weltweit anerkannter AIDS-Forscher – er entschlüsselt die Geheimnisse des HI-Virus und versucht diese Erkenntnisse zur Entwicklung neuer Hemmstoffe zu nutzen.

Das Thema AIDS ist seit Jahren weitgehend aus dem öffentlichen und politischen Blickpunkt geraten. „Die Förderung in Deutschland ist erschreckend niedrig,“ findet der Biologe. Die bereitgestellten Mittel betragen einen Bruchteil des Geldes, welches alleine das amerikanische National Institute of Health (NIH) für AIDS-Forschung ausgibt. Auch werde Grundlagenforschung zu AIDS hierzulande gar nicht mehr spezifisch durch die Bundesregierung unterstützt. Kirchhoff kennt die neusten statistischen Zahlen zur Immunschwächekrankheit nur zu genau: „Etwa drei Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen einer HIV-Infektion,“ erklärt der Professor des Universitätsklinikums. „Alleine in Deutschland leben etwa 60.000 Menschen mit HIV oder AIDS und jährlich kommen fast 3.000 weitere Personen dazu.“

Auf seiner Suche nach Hemmstoffen stieß er im menschlichen Sperma auf aggregierende Peptide (Sevi, für semen enhancer of viral infection), die kleine Fibrillen ausbilden und die HIV-Infektion um das 100.000fache verstärken können.Lightbox-Link
Auf seiner Suche nach Hemmstoffen stieß er im menschlichen Sperma auf aggregierende Peptide (Sevi, für semen enhancer of viral infection, hier weiß), die kleine Fibrillen ausbilden und die HIV-Infektion um das 100.000fache verstärken können.Quelle: Kirchoff (Zur Verfügung gestellt von Walther Mothes, Joseph Luna and Pradeep Uchil.)

Forscht seit über 20 Jahren an HIV

Im Kampf gegen den AIDS-Erreger kommt dem Wissenschaftler der Leibniz-Preis daher sehr gelegen. Die Benachrichtigung ereilte ihn, als er gerade von einem Tischtennisspiel mit einem Kollegen kam. Neben HIV ist dieser Sport nämlich seine zweite Leidenschaft, für die er sich trotz vieler Forschungsprojekte immer noch Zeit nimmt. Die Auszeichnung verschafft dem Ulmer und seiner 14köpfige Arbeitsgruppe nun eine großzügige finanzielle Basis für seine Arbeiten. Darüber hinaus kann sich Kirchoff über zusätzliche Mittel vom Land Baden-Württemberg und der Universität Ulm freuen. Diese sollen dazu dienen, ein Institut für Molekulare Virologie zu gründen, an dem Kirchhoff zukünftig die Leitung übernehmen wird.

Für Biologie hat sich Kirchhoff schon immer interessiert, zu HIV kam er eher zufällig. „Als ich Diplom-Arbeit gemacht hatte, war AIDS gerade ein sehr wichtiges Thema und dann bin ich ein bißchen hängen geblieben“, erinnert sich der 47jährige. In seiner Promotion an der Georg-August Universität in Göttingen charakterisierte Kirchhoff den AIDS-Erreger. Und schließlich ließ er das Thema auch während seiner Zeit als Nachwuchswissenschaftler an der Harvard Medical School in Boston, einer der renommiertesten Talentschmieden in den USA, nicht aus den Augen und brachte es 1994 wieder mit nach Deutschland. Seit rund 20 Jahren forscht Kirchhoff nun zum Thema AIDS, seit 2001 an der Universität Ulm. „Je mehr man die Mechanismen versteht, die der Erkrankung zugrundeliegen, desto interessanter findet man es auch“, erläutert der Forscher. 

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Viele Strategien gegen vielseitigen Virus
Die Ulmer haben mehrere Strategien in petto, dem Virus auf die Pelle zu rücken. In Kooperation mit der Biotech-Firma VIRO Pharmaceuticals aus Hannover suchen die Wissenschaftler nach Substanzen, die das Eindringen von HIV in Körperzellen verhindern. „Dafür haben wir aus Körperflüssigkeiten und Geweben verschiedene Verbindungen isoliert, die das Virus blockieren,“ erklärt Kirchhoff. So filterten die Forscher bereits einen vielversprechenden Kandidaten heraus, der momentan in der ersten klinischen Phase an Patienten getestet wird. Es handelt sich um ein humanes Peptid, welches die Verankerung des Virus an menschliche Zellen unterbindet und auf diesem Weg die HIV-Infektion blockiert.

In einem anderen Forschungsprojekt beschäftigt sich die Arbeitsgruppe um Kirchhoff mit Verstärkern der HIV-Infektion. Gefunden wurden diese in der menschlichen Samenflüssigkeit. „Die von uns identifizierten Faktoren verstärken die Virus-Zellinteraktion und dadurch das Verschmelzen der Virushülle mit der Wirtszelle,“ erläutert der Fachmann. „Wie wollen nun herausfinden, welche Rolle diese Verstärker bei der sexuellen Übertragung von HIV spielen und mit welchen Substanzen wir sie blockieren können.“ Solche Substanzen könnten die Übertragung von HIV deutlich reduzieren.

Hintergrund

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In einem dritten Forschungsprojekt wollen die Wissenschaftler um Kirchhoff  herausfinden, warum HIV so krankheitsauslösend ist. Welche Eigenschaften machen HIV-1 so aggressiv? Wie musste sich das ursprüngliche aus Affen stammende SI-Virus verändern, um bei Menschen AIDS zu verursachen? Warum führt es in Affen nicht zur Erkrankung? Die Beantwortung dieser Fragen könnte helfen, neue Strategien gegen das Retrovirus HIV-1 zu entwickeln und die Immunschwächekrankheit einzudämmen.

Für die nächsten Jahre bleibt der vielfach ausgezeichnete Forscher erst einmal in Ulm, obwohl es nicht an anderen Angeboten mangelt. Doch nicht nur das neue Institut ist für ihn ein Grund zum Bleiben. Der frisch gebackene Vater will sich in Ulm mit seiner Familie niederlassen. Eine Hochzeit steht noch für dieses Jahr an.

Autorin: Andrea van Bergen

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