Wochenrückblick KW 13

30.03.2009

Phantom von Heilbronn löst sich in Luft auf

Das "Phantom von Heilbronn" hat sich als Sturm im Wattestäbchen und peinliche Ermittlungspanne entpuppt. Die Gen-Spur, die nach dem Mord an einer Polizistin in Heilbronn vor knapp zwei Jahren und an vielen weiteren Tatorten gefunden worden war, stammt nicht von einer geheimnisvollen Serienmörderin, sondern von einer Arbeiterin.

Die genetischen Werkzeuge der Polizei
Dossier: Gene und Verbrechen

Ihre DNA geriet bei der Herstellung der Abstrich-Sets für die Polizei auf die Wattestäbchen. In den vergangenen acht Jahren war mit diesen Stäbchen an unterschiedlichen Tatorten Gen-Material gesichert worden. Daraus entstand das Profil einer Serienverbrecherin, das sich mittlerweile als Luftnummer erwiesen hat. Verschiedene Sonderkommissionen ermittelten jahrelang erfolglos, bis die Polizei schließlich eine interne Ermittlung einleitete - die entsprechende DNA war an zu vielen disparaten Tatorten aufgetaucht, als dass eine reale Person dafür hätte verantwortlich sein können. Die Ermittlungspanne könnte Auswirkungen auf die genetische Spurensicherung haben. Da genetische Fingerabdrücke inzwischen für die Verbrecherjagd von zentraler Bedeutung seien, müsse das Risiko sogenannter Trugspuren unbedingt minimiert werden, sagte der Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Manfred Klumpp. Er forderte verbindliche Qualitätsstandards für das Testmaterial.  Die Herstellerfirma der verunreinigten Wattestäbchen musste indes eine Mitschuld eingestehen. Das Unternehmen Greiner Bio-One GmbH im baden-württembergischen Frickenhausen räumte ein, dass einigen Wattestäbchen-Lieferungen Zertifikate beigelegen haben können, wonach die Werkzeuge garantiert frei von DNA-Spuren seien.

Zwölf Risikogene für plötzlichen Herztod gefunden

Unter Leitung des Helmholtz-Zentrums München haben Wissenschaftler eines internationalen Konsortiums Genvarianten gefunden, die auf ein erhöhtes Risiko für den plötzlichen Herztod hinweisen können.

Institut für Humangenetik

Das Institut für Humangenetik am Helmholtz-Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt in München koordinierte das internationale Wissenschaftskonsortium QTSCD.
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Die Ergebnisse der genomweiten Studie sind in der Zeitschrift Nature Genetics (Ausg. 41, 2009, S. 407 - 414) veröffentlicht worden. Die Mitglieder des QTSCD-Netzwerks (QT-Interval-and-Sudden-Cardiac-Death) untersuchten die Elektrokardiogramme von mehr als 15.000 Personen aus Deutschland, Italien und den USA und stießen dabei auf zwölf Genvarianten, die für ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen und den plötzlichen Herztod stehen. In ihrer Summe und im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren können diese Genvarianten über das jeweilige individuelle Krankheitsrisiko entscheiden. Ein zweites Wissenschaftskonsortium, das QTGEN, ist parallel zu nahezu identischen Resultaten gelangt (Nature Genetics, 2009, Ausg. 41, S. 399-406). In einem nächsten Schritt sollen nun weitere Untersuchungen den Zusammenhang zwischen den neuen Genvarianten und dem plötzlichen Herztod bestätigen. Ziel ist es, dadurch weitere Erkenntnisse über die Mechanismen der Krankheitsentstehung und damit Perspektiven für eine verbesserte Risikoerkennung und erfolgreichere Therapie zu gewinnen. Die Arbeit des QTSCD-Konsortiums, das auf deutscher Seite von Forschern aus Lübeck, Essen, München und Bonn getragen wurde, erhielt im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Fördermittel. Hinzu kam Geld von der Exzellenzinitiative der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der französischen Leducq Foundation zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Evotec fastet sich gesund

Der Hamburger Wirkstoffentwickler Evotec hat sich eine Entschlackungskur veordnet. Mit seinem "Aktionsplan Evotec 2012" versucht der neue Chef Werner Lanthaler die bisherige Produktpolitik zu korrigieren.

Bei der Vorstellung des Geschäftsberichts für 2008 zog der Wiener Intercell AG beschäftigte Manager gegenüber Analysten einen Schlussstrich unter die Politik seines Vorgängers Jörn Aldag, der Ende 2008 zurückgetreten war. Das Ergebnis: 50 Arbeitsplätze werden gestrichen, die Forschung auf nur wenige, aussichtsreiche Projekte konzentriert. Der Neustrukturierung zum Opfer fiel auch der ehemalige Hoffnungsträger von Evotec, das Schlafmittel EVT201. Dessen Zulassung sei "unwahrscheinlich", die Verhandlungen mit Pharmapartnern somit endgültig gescheitert, hieß es. Damit sinkt die Zahl der von Evotec allein durchgeführten Programme von 14 auf nur noch vier. Für die meisten Wirkstoffe soll alsbald ein Partner gefunden werden, der nicht nur das Risiko, sondern vor allem die Kosten minimiert. Die Rede ist von Einsparungen in Höhe von 14 Mio. Euro jährlich. Evotec hatte Ende 2008 noch 92 Mio. Euro in der Kasse. Mit dem neuen Kostenplan soll Evotec nun bis 2012 haushalten können.

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Die Gene denken mit

Das Sein bestimmt das Denken. Zumindest auf individueller Ebene könnte Bertolt Brecht und sein episches Theater Recht behalten. Eine internationale Forschergruppe hat nämlich entdeckt, dass jeder Mensch auf ganz persönliche Art denkt.

Es ist offenbar genetisch mitbestimmt, auf welches Netzwerk von Gehirnarealen eine Person für das Arbeitsgedächtnis zurückgreift, wenn ihr kognitive Anforderungen gestellt werden. Das sind die Ergebnisse einer Studie, die Wissenschaftler aus Aachen, Amsterdam, Bonn, Maastricht, Nijmegen und Salzburg im Fachblatt Science (Ausg. 323, Nr. 5922, S. 1737-1740) veröffentlichten. Die Wissenschaftler ließen Probanden Aufgaben lösen und beobachteten gleichzeitig die Stoffwechselvorgänge im Gehirn mit Hilfe der Magnetresonanztomographie. Um Aufschluss über individuelle Muster zu bekommen, führten die Wissenschaftler eine Studie mit eineiigen Zwillingen durch. Die ausgewählten männlichen Geschwisterpaare hatten alle noch einen Bruder, der unter gleichen Bedingungen die gleichen Aufgaben löste. Während die Zwillinge genetisch identisch sind, teilen sie mit ihrem Bruder auf Grund der gleichen Abstammung im Durchschnitt nur 50 Prozent der Erbanlagen. Die drei Mitglieder jeder untersuchten Familie sollten sich bei einer Gedächtnisaufgabe in verschiedenen Paarungen jeweils Ziffern einprägen. Dabei wurden sie durch eine weitere Aufgabe abgelenkt, bei der einfache Rechenaufgaben zu lösen waren oder Fotos von Objekten in Gruppen einsortiert werden mussten. Anschließend bekamen sie erneut eine Ziffer gezeigt und sollten entscheiden, ob sie diese bereits vorher gesehen hatten. Die Auswertung zeigte, dass die Hirnaktivierungsmuster zwischen den einzelnen Personen beträchtlich variierten. Allerdings ließ sich bei der Aktivierung unter den Zwillingen in bestimmten Hirnregionen eine größere Ähnlichkeit feststellen als im Vergleich mit ihrem Bruder. Das legt nahe, so die Forscher, dass Teile unserer Individiualität im Denken eine genetische Komponente aufweisen.

Merck Serono stellt 40 Millionen für Biotechnologie-Firmen bereit

Der deutsche Pharmakonzern Merck will jungen Biotechnologie-Unternehmen, die vielversprechende Ideen vorweisen können, fiannziell unter die Arme greifen. Dazu legte Merck jetzt einen Kapitalfonds auf, der mit 40 Millionen Euro gefüllt ist.

Wie das Unternehmen in Darmstadt mitteilte, soll "Merck Serono Ventures" Biotech-Start-up-Unternehmen unterstützen, die innovative Produkte in jenen therapeutischen Einsatzfeldern entwickeln, für die sich Merck Serono besonders interessiert. Dazu gehören neurodegenerative Erkrankungen ebenso wie Krebs, Autoimmun- und Entzündungskrankheiten. "Wir wollen frühzeitig mit aufstrebenden Biotechnologie-Unternehmen in Kontakt kommen, die in ähnlichen Bereichen wie wir tätig sind", sagte ein Merck-Sprecher. Die 40 Millionen Euro sollen schrittweise in den kommenden fünf Jahren investiert werden. Erste Kandidaten, die für eine Förderung in Frage kommen, stehen noch nicht fest.
Merck bezeichnet sich selbst als das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt. Die Firmengeschichte begann 1668, als Friedrich Jacob Merck die Engel-Apotheke in Darmstadt übernahm. Im Jahr 2007 übernahm die Merck KGaA das damals größte europäische Biotechnologie-Unternehmen Serono aus der Schweiz. Die entstandene Arzneimittel-Sparte firmiert seitdem als "Merck Serono".

Wächter der Zellteilung entdeckt

Die Zellteilung ist ein Vorgang, der ablaufen muss wie ein Uhrwerk, wenn er erfolgreich sein will. Zunächst werden die Chromosomen von zahlreichen molekularen „Zugseilen“, dem sogenannten Spindelapparat, ausgerichtet.

Menschliche Zellen in verschiedenen Stadien der Zellteilung unter dem Mikroskop sichtbar gemacht. Die Chromosomen sind blau, der Spindelapparat grün eingefärbt.Lightbox-Link
Menschliche Zellen in verschiedenen Stadien der Zellteilung unter dem Mikroskop sichtbar gemacht. Die Chromosomen sind blau, der Spindelapparat grün eingefärbt.Quelle: Institut für molekulare Pathologie

Erst dann dürfen die Chromosomen durch die Zugfasern an die entgegengesetzten Zell-Pole gezogen werden. Werden Chromosomen zu früh getrennt und ungleich auf die Tochterzellen verteilt, drohen Krankheiten wie Krebs, Trisomie und verfrühte Alterungsprozesse. Für die Trennung ist ein Proteinkomplex zuständig, der sogenannte Anaphase einleitende Komplex" (APC/C). Dass er nicht zu früh mit der Trennung loslegt, dafür sorgt ein zellulärer Wächter. Wie dieser funktioniert, haben jetzt  deutsche und österreichische Forscher im Fachjournal Science (Ausg. 323, Nr. 5920, S. 1477-1481) beschrieben. Jan-Michael Peters vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (Wien) und Holger Stark vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen beobachteten mit dem Elektronenmikroskop, was der von ihnen Spindel-Checkpoint getaufte Wächter mit APC/C anstellt, um die Zellteilung zu stoppen. „Wir haben entdeckt, dass sich ein zweiter kleiner Proteinkomplex an APC/C anlagert, wenn der Spindel-Checkpoint aktiviert wird – quasi ein molekularer Agent, der sich bei APC/C einschleicht“, erklärt Strukturbiologe Stark. Dieser kleine Komplex stellt den größeren APC/C-Komplex „kalt“, indem er eine Bindungsstelle blockiert. Die Folge: APC/C kann die Zelltrennung nicht einleiten. "Diese Ergebnisse sind ein Meilenstein auf unserem Weg zum Verständnis der menschlichen Zellteilung", sagt Peters. "Vielleicht kann uns dieses Wissen in der Zukunft auch helfen zu verstehen, warum Krebszellen sich so anders verhalten als normale Zellen".