Die Bakterien-Artillerie

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Elektronenmikroskopische Aufnahme von gesunden Fresszellen (links) und mit Streptococcus pyogenes infizierten Fresszellen. Die infizierten Immunzellen runden sich ab - ein erstes Anzeichen ihres Absterbens. Quelle: Helmholtz- Zentrum für Infektionsforschung

13.01.2009  - 

Bakterien, die in den Menschen eindringen, leben gefährlich. Im Handumdrehen sind sie mit einer Armee von Fresszellen des Immunsystems konfrontiert, die alles, was nicht zum Körper gehört, verschlingen und zerstören. Doch die Bakterien kontern mit einem Gegenangriff. Wie er genau abläuft, war bisher unklar. Eva Medina vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig beschreibt im Fachmagazin "Cellular Microbiology" (2009, Vol.11, Nr. 1, S. 138-155), dass die Bakterien gezielt die Energieversorgung der Fresszellen ausschalten. Dazu müssen sie nicht einmal an die gefürchteten Gegner andocken.





Fresszellen gehören zur ersten Verteidigungslinie des Immunsystems. Sie patrouillieren den Körper, ständig auf der Suche nach Bakterien, Pilzen und Viren, die eingedrungen sind und den Körper krank machen können. Ist ein ungebetener Gast entdeckt, wird er verschlungen. Im Zellinneren der Fresszellen wird der Eindringlinge dann geknackt und aufgelöst. Gleichzeitig fordert die Fresszelle mit chemischen Botenstoffen Verstärkung an den Entzündungsherd.

Eine Fresszelle (Makrophage) streckt sich nach Bakterien aus, die im Vordergrund zu sehen sind. Fresszellen sind die erste Abwehrreihe des Immunsystems. Lightbox-Link
Eine Fresszelle (Makrophage) streckt sich nach Bakterien aus, die im Vordergrund zu sehen sind. Fresszellen sind die erste Abwehrreihe des Immunsystems. Quelle: Boehringer Ingelheim International GmbH

Gezielter Angriff auf die Energieversorgung

Doch im Laufe der Evolution haben die Bakterien auch gelernt, zurückzuschlagen. Ganz schutzlos sind sie den Fresszellen nicht ausgeliefert. Im Gegenteil: Immer wieder überstehen sie die ersten Angriffe und können sich zunächst so stark vermehren, dass Krankheiten ausgelöst werden. Die Abwehrmechanismen der Bakterien sind ausgefeilt. Ihre stärkste Waffe sind chemische Substanzen, die Fresszellen absterben lassen. Wie dieser Angriff im Einzelnen abläuft, das haben jetzt Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig herausgefunden.

Eva Medina und ihre Arbeitsgruppe „Infektionsimmunologie“ sahen sich die Kriegsführung der Bakterienart Streptococcus pyogenes genauer an. Das Ergebnis überraschte sie: Die Bakterien führen offenbar einen gezielten Angriff auf die Kraftwerke der Fresszellen durch, die Mitochondrien. Dadurch bricht der Energiehaushalt zusammen und die Zellen sterben. In ihren Experimenten klärten die Forscher den bisher unbekannten Mechanismus auf, der zur Zerstörung der Mitochondrien und damit zum Zelltod führt.

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Zunächst wird die Zellmembran durchlöchert

Am Anfang stehen von den Bakterien produzierte Substanzen, die sogenannten Cytolysine. Sie haben die Aufgabe, die Zellmembran der Fresszellen zu durchlöchern. "Bakterien produzieren diese sogenannten Cytolysine ständig, um vorbereitet zu sein, wenn sie auf unsere Immunabwehr treffen", sagt Eva Medina. Bisher vermutete man, dass die Zellen an diesen Einschusslöchern sterben.

Die Forscher versuchten nun, die Löcher in der Membran der Fresszellen zu stopfen und damit die Zellen zu retten. Doch die Zellen gingen trotzdem zugrunde, auch nachdem ihre Hülle wieder geflickt war. Offenbar, das entdeckten die Forscher schließlich, beschädigen die Cytolysine nicht nur die Zellhülle, sondern in einem zweiten Schritt ganz gezielt auch die Mitochondrien.

Die ersten Salven auf Distanz
Diese kombinierte Kriegsführung zwingt selbst die robusten Fresszellen in die Knie. "Normalerweise haben die Fresszellen gelernt, diesen Cytolysinen zu entgehen und sie zu neutralisieren. Aber die Löcher in der Membran stressen die Zellen und beeinträchtigen auch die Mitochondrien im Zellinneren. Schließlich geben sie auf und produzieren keine Energie mehr", sagt Medina.

Ein weiterer Vorteil für die Bakterien: Die Cytolysine wirken auch aus der Distanz. Schon wenn die Fresszellen anrücken, feuern die Bakterien ihre Salven ab. Die Fresszellen  sterben, bevor sie ihren Feind erreichen. Die Bakterien könnten sich so erst einmal ungehindert festsetzen, sagt Medina. "Bis das Immunsystem merkt, was los ist, ist es schon zu spät."

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