Notiz: 20 Jahre Rheumaforschung

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Im Jahr 2000 konnte das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum den Neubau auf dem Gelände der Charite in Berlin beziehen. Quelle: DRFZ

12.12.2008  - 

Rheuma gilt als Volkskrankheit. Aus gutem Grund. Schätzungsweise zwei bis drei Prozent der erwachsenen Bevölkerung leidet unter chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, die umgangssprachlich alle unter dem Begriff „Rheuma“ zusammengefasst werden. Um die mehr als hundert verschiedenen Krankheitsbilder zu erfassen und Therapiemöglichkeiten zu erkunden, ist ein übergreifender Ansatz nötig. Aus diesem Grund wurde 1988 das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum gegründet. Auf dem Gelände der Berliner Charite arbeiten mittlerweile 143 Menschen an Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten. Das wird nun in einem Festakt zum 20jährigen Bestehen gefeiert.





 

Eine Analyse des Robert Koch-Instituts zu chronischen Erkrankungen ermittelte schon in den 1970er Jahren erstmals die hohe Zahl von Menschen, die von Krankheiten des rheumatischen Formenkreises betroffen sind, und kritisierte gleichzeitig den Mangel an Informationen zu Ursachen und Therapiemöglichkeiten. Forschung und Patientenversorgung waren unzureichend miteinander verzahnt, die Patienten wurden überwiegend in Kur- und Rehakliniken behandelt. Zudem war die Rheumatologie im universitären Bereich kaum vertreten.

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Epidemiologie und Immuologie als Hautpziele

1983 gründeten Wissenschaftler in Berlin die "Gesellschaft zur Erforschung rheumatischer Erkrankungen - Forschungszentrum Berlin e. V." mit Sitz am Immanuel-Krankenhaus. Die Gesellschaft überzeugte das Land Berlin, einen grundlegenden Beitrag zur Erforschung rheumatischer Erkrankungen zu leisten. Das Konzept sah ein Zentrum der Grundlagenforschung vor, das eng mit anderen Kliniken, niedergelassenen Ärzten, der Deutschen Rheuma-Liga und dem Robert-Koch-Institut zusammenarbeiten sollte. Als Gründungsdirektor  des neuen Instituts wurde 1989 der international renommierte Biologe Professor Avrion Mitchison aus London berufen, der die Forschungsschwerpunkte Immunologie rheumatischer Erkrankungen und Epidemiologie bestimmte. Ziel der Epidemiologie ist die Verbesserung der Versorgung von Patienten, die an rheumatischen Erkrankungen leiden. Ziel der immunologischen Forschung ist die Entwicklung von neuen Therapien, die rheumatische Erkrankungen heilen können.

Die Immunologie ist bei Rheuma deshalb gefragt, weil es bei vielen rheumatischen Erkrankungsformen zu einer Störung des Immunsystems kommt, woraufhin der Körper eigene Strukturen angreift – bei der rheumatoiden Arthritis ist es etwa die Gelenkinnenhaut. Wissenschaftler des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ) schalten die defekten Immunzellen entweder gezielt aus oder bauen das gesamte erworbene Immunsystem neu auf. Tatsächlich können Autoimmunerkrankungen behandelt werden, indem man das Immunsystem der Betroffenen auslöscht und anschließend ein neues, junges und nicht fehlgeleitetes Immunsystem aufbaut. Diesen Weg beschreitet die so genannte autologe Stammzelltransplantation (autos, griechisch = selbst, eigen).

Links zum Thema

Deutsches Rheuma-Forschungszentrum

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.

Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz

EULAR - The European League Against Rheumatism

Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie

Rheuma-Liga

Austausch des Immunsystems

Dabei werden zunächst gezielt Stammzellen des Immunsystems aus dem Blut oder Knochenmark des Patienten gewonnen. Die für die Krankheit verantwortlichen Zellen werden aus dem Zellgemisch mithilfe eines Zellseparators herausgefiltert und die übrigen Stammzellen eingefroren. Anschließend wird das Immunsystem durch eine Chemo/Strahlentherapie gezielt zerstört. Dabei sterben auch die für die Krankheit relevanten Immunzellen: die autoreaktiven Lymphozyten und die langlebigen Plasmazellen. Danach erhält der Patient seine zuvor entnommenen, eigenen Stammzellen über eine Transfusion zurück. Diese siedeln sich wieder im Knochenmark an und bilden rasch ein neues, junges Immunsystem, das die erworbenen Fehler der früheren Immunzellen nicht (oder noch nicht) aufweist und daher den eigenen Körper nicht angreift. Diese Art Therapie ist jedoch wegen des vorübergehenden, aber lebensgefährlichen Infektionsrisikos für eine breite Anwendung nicht geeignet. Für die Zukunft setzen die Forscher daher auf subtilere Methoden, mit denen das immunologische Gedächtnis des Körpers gezielt aufgesucht und ausgeschaltet werden kann.

Bei ihrer Forschungsarbeit können die DRFZ Wissenschaftler auf eine ganz besondere Ressource zurückgreifen. In jahrzehntelanger Arbeit haben die Epidemiologen am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) unter Leitung von Frau Professor Angela Zink eine weltweit einmalige Datensammlung aufgebaut: die so genannte Kerndokumentation. Seit 1993 werden die Daten eines großen Teils der in Deutschland behandelten Rheumapatienten in diesem Register systematisch erfasst und ausgewertet. Darüber hinaus liefern die Epidemiologen mit einem weiteren Register wertvolle Aussagen zur Sicherheit und zum optimalen Einsatz neuer Therapieformen. Die Kerndokumentation ist das zentrale Instrument der Versorgungsforschung der deutschen Rheumatologie. Der Datensatz umfasst inzwischen rund 250.000 Fälle, die von etwa 200 rheumatologischen Kliniken und Praxen in Deutschland dokumentiert werden. Für 25-40 % der Fälle liegen bereits Langzeitdaten vor. Seit 1997 wurde parallel die Kinder-Kerndokumentation aufgebaut. Diese erfasst jährlich die Daten von etwa 6000 Kindern mit chronischen rheumatischen Erkrankungen an etwa 50 kinderrheumatologischen Einrichtungen.

Ab 2009 Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft

Als Avrion Mitchison Ende 1996 in den Ruhestand ging, folgte ihm der zuvor an der Universität Köln tätige Zellbiologe Andreas Radbruch aus Köln (mehr...). Radbruch erweiterte die immunologische Forschung des Zentrums und ergänzte das Forschungsspektrum um Aspekte der häufigen degenerativen rheumatischen Erkrankungen. Mittlerweile arbeiten 143 Menschen am DRFZ. Darunter sind Wissenschaftler aus 16 Nationen, die in insgesamt 21 Forschungsgruppen arbeiten.

Ab Januar  2009 ist das DRFZ reguläres Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, der es bisher als assoziiertes Mitglied angegliedert war. Parallel dazu übernimmt Radbruch, der bisher schon Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) war, auch die Präsidentschaft der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGFI).

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