Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs in der Diskussion

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Der deutsche Virologe Harald zur Hausen hat als erster herausgefunden, dass Papillomaviren Krebs auslösen können. Quelle: GSK

11.12.2008  - 

Die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs gilt als Meilenstein und ist nicht zuletzt deshalb Wirklichkeit geworden, weil der deutsche Virologe Harald zur Hausen vom Deutschen Krebsforschungszentrum so hartnäckig war. Für ihn stand schon früh fest: Viren können Krebs auslösen. Für diese Entdeckung hat er am 10. Dezember den diesjährigen Medizinnobelpreis in Stockholm erhalten. In Deutschland ist derweil eine Debatte um den Gebärmutterhalskrebs-Impfstoff entbrannt.

Die Geschichte einer Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs beginnt im Jahr 1976. Damals stellt der Virologe Harald zur Hausen erstmals die These auf, dass auch Viren Krebs auslösen könnten. In der Wissenschaftsgemeinde steht er zunächst isoliert da, kaum einer seiner Kollegen will ihm folgen. Doch zur Hausen bleibt hartnäckig. Vier Jahre später kann  er schließlich nachweisen, dass bestimmte Warzenviren, die Humanen Papillomviren (HPV), Gebärmutterhalskrebs verursachen. Er konnte die HPV-Typen 16 und 18 im Tumorgewebe isolieren und zeigen, dass sich ihr Erbgut in die Gewebezellen eingebaut hatte. Heute ist bekannt, dass es über hundert HPV-Typen gibt. Insgesamt rund 15 gelten dabei als besonders krebsauslösend, wobei die Stämme 16 und 18 zu den gefährlichsten zählen.

Die Kritiker
Dr. Ansgar Gerhardus (Universität Bielefeld); Prof. Martina Dören (Charité Berlin); Prof. Ferdinand M. Gerlach (Universität Frankfurt); Prof Claudia Homberg (Universität Bielefeld); Prof. Michael M. Kochen (Universität Göttingen); Prof. Petra Kolip (Universität Bremen); Prof. Wold-Dieter Ludwig (Charité Berlin); Prof. Ingrid Mühlhauser (Universität Hamburg); Prof. Oliver Razum (Universität Bielefeld); Prof. Rolf Rosenbrock (WZB Berlin); Corinna Schach (Universität Bremen); Prof. Norbert Schmacke (Universität Bremen); Prof. Jürgen Windeler (MDS Essen)

Download Manifest: hier klicken

Impfstoff seit zwei Jahren auf Markt

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurden inzwischen unter dem Namen Gardasil  und Cervarix zwei Impfstoffe zur Marktreife gebracht.  Im Fall von Gardasil wirkt der Imfpstoff nicht nur gegen die krebsauslösenden HPV 16 und 18, sondern auch gegen die Genitalwarzen verursachenden HPV-Typen 6 und 11. Seit Oktober 2006 wird Gardasil in Europa von Sanofi Pasteur MSD – ein Joint Venture der amerikanischen Merck & Co und dem französischen Pharmahersteller Sanofi Aventis – vertrieben, für Cervarix vom britischen Impfstoffhersteller GlaxoSmithKline gibt es seit September 2007 eine Zulassung in Europa.

Wesentlich für den wirtschaftlichen Erfolg von Impfstoffen ist dabei die Frage, ob diese von den Krankenkassen bezahlt wird. In Deutschland spielt dabei die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut in Berlin eine wichtige Rolle: Empfiehlt dieses Expertengremium eine Impfung, dann sind die Krankenkassen verpflichtet, die Kosten dafür zu übernehmen. Beim Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs hat die STIKO im März 2007 eine Empfehlung ausgesprochen (mehr...). Es wird angeraten, dass alle Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren noch möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr geimpft werden und dabei alle drei Impfdosen des Impfstoffs innerhalb von sechs Monaten erhalten. Die Kosten betragen dabei etwa 450 Euro, doppelt soviel wie in den USA. 2007 war Gardasil mit 267 Millionen Euro die umsatzstärkste Arznei in Deutschland.

Kritik an irreführender Werbekampagne

Eine Gruppe von 13 deutschen Wissenschaftlern hat sich nun mit einem Manifest zu Wort gemeldet (siehe Kasten oben) und damit eine heftige Berichterstattung in den Medien ausgelöst (siehe Kasten unten). Die Kritiker prangern die schnelle Empfehlung des Gebärmutterhalskrebs-Impfstoffes durch die STIKO sowie eine teilweise irreführende Werbekampagnen der Pharmakonzerne an. „Wir wissen noch nicht, ob diese Impfung Nutzen stiftet, trotzdem wird sie massenhaft eingesetzt“, sagt Norbert Schmacke, Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bremen und einer der 13 Unterzeichner. Diese Kritik ist nicht neu. Bereits im August 2008 hatte Charlotte Haug im New England Journal of Medicine (2008, Vol. 358, S. 881-862) das Fazit gezogen: „Die gute Nachricht ist: Es gibt einen Impfstoff gegen die beiden gefährlichsten HPV-Typen. Die schlechte Nachricht ist: Der Nutzen des Impstoffs auf die Entwicklung von Gebärmutterhalskrebs wird noch für Jahrzehnte unklar bleiben.“

Medienberichte

SZ, 26. November: Heftige Kritik an Impfempfehlung

SZ, 26. November: Marketing um jeden Preis 

FAZ, 1. Dezember: Antwort des Nobelpreisträgers

SZ, 5. Dezember: Interview mit Nobelpreisträger

FAZ, 6. Dezember: Sie wirkt, aber nützt sie auch?

Die Unsicherheit der deutschen Kritiker bezieht sich jetzt vor allem auf die Vehemenz der Werbekampagnen für die Impfstoffe sowie auf das dabei geäußerte Versprechen, dass eine Impfung den Krebs zu 70 Prozent verhindern könne. Diese Behauptung geht von der optimistischsten Annahme aus und beruht auf  Untersuchungen, die die Viren-Typen 16 und 18 in Gewebeproben von Gebärmutterhalskrebs zu 70  Prozent nachgewiesen haben. „Daraus zu schließen, dass sich mit einer Impfung gegen diese beiden Viren 70 Prozent der Krebsfälle vermeiden lassen, ist gewagt“, sagt Jürgen Windeler, leitender Arzt des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Essen, und ebenfalls Unterzeichner des Manifestes.

Tückische Krankheit Gebärmutterhalskrebs

Gebärmutterhalskrebs ist eine tückische Krankheit, denn eine Infektion mit den Viren ist noch nicht gleichbedeutend mit einer Krebserkrankung. Das Risiko, im Leben mit HPV angesteckt zu werden, ist sehr hoch: Etwa 70 Prozent der sexuall aktiven Frauen infizieren sich im Laufe ihre Lebens mit den Viren. Sie werden zumeist durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. In den meisten Fällen ist eine solche Infektion jedoch unauffällig und es kommt nicht zur Entstehung von Gebärmutterhalskrebs. Dank umfangereicher Vorsorgemaßnahmen ist der Krebs in Deutschland vergleichsweise selten. In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 6500 Frauen daran. Laut Bundesstatistik des Jahres 2004 sterben hierzulande etwa 1100 pro Jahr Weltweit liegen diese Zahlen bei rund 230.000.

STIKO
Bei der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut kann man die Impfempfehlung ausführlich nachlesen.

Mehr Informationen bei der STIKO: hier klicken

Für Impfhersteller ist die Prüfung einer Impfung bei dieser Art von Krebs nicht ganz einfach, denn ein Ausbruch kann Jahrzehnte dauern. Aus diesem Grund haben die Pharmakonzerne bei den klinischen Studien von Gardasil und Cervarix untersucht, in welchem Ausmaß die Impfung eine Infektion mit den Viren verhindert und um wieviel weniger sich die gefährlichsten Krebsvorstufen entwickeln. Die Ergebnisse der Studien sind u.a. im New England Journal of Medicine (2007, Vol. 356, S. 1915-1927) nachzulesen. So konnte die sogenannte Future II-Studie mit mehr als 12.000 Frauen zwischen 15 und 26 Jahren zeigen, dass eine Impfung besonders dann sehr gut wirkt, wenn die Mädchen noch keinen Geschlechtsverkehr hatten und sich noch nicht mit den Viren des Typs 16 oder 18 infiziert hatten. In diesem Fall schützt die Impfung zu nahezu 100 Prozent vor einer Infektion mit den zwei Virentypen und damit auch vor den Krebsvorstufen, die durch diese Viren ausgelöst werden. Wie die STIKO in einem Antwortbrief auf das Manifest betont, ist dieses Ergebnis der wichtigste Grund gewesen, eine Impfempfehlung an junge Mädchen auszusprechen.

Zulassungsbehörden

Mehr Informationen zur Zulassung der Impfstoffe gibt es bei den Zulassungsbehörden in den USA und Europa.

FDA (USA): Gardasil

EMEA (EU): Gardasil Cervarix

Unterschiedliche Bewertung von Daten zur Wirksamkeit 

Die Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass die Datenlage zur Wirksamkeit deutlich unsicherer sei, wenn  die Ergebnisse aller Frauen sowie Krebsvorstufen von allen HPV-Typen berücksichtigt werden. So konnte der Impfstoff hier die Krebsvorstufen lediglich um 17% verringern. In dieser Studiengruppe wird aber zum Beispiel nicht mehr unterschieden, ob zuvor schon Infektionen vorlagen oder ob wirklich alle drei Wirkstoffdosen gespritzt wurden, wie es das Impfprotokoll erfordert. Die europäische Zulassungsbehörde EMEA rechnet mit einer 'Gesamtverringerung' von 46,1 Prozent. „Dieser Punkt wurde bisher in der Diskussion vernachlässigt, und wir wollten nicht, dass das untergeht“, erklärt Ansgar Gerhardus von der Universität Bielefeld, einer der Unterzeichner, die Beweggründe dafür, mit einem Manifest an die Öffentlichkeit zu gehen. Seit Juni stimme man sich gemeinsam ab, der Zeitpunkt habe nichts mit dem Nobelpreis-Festakt von zur Hausen in Stockholm zu tun. 

Die Frage, die nun im Raum steht: Hätte die STIKO mit ihrer Impfempfehlung noch warten sollen, bis sich sich abschätzen lässt, welchen Effekt die Impfung auf die Ausbildung des Krebses hat? Die Verschiebung einer Präventionsmöglichkeit auf spätere Geburtsjahrgänge sei kaum vertretbar, erklärt dazu die STIKO und sieht jetzt keinen Handlungsbedarf, die einmal ausgesprochene Empfehlung zurückzunehmen oder zu verändern. Aber die Experten betonen ausdrücklich: „Insgesamt führen die Studienerkenntnisse zur Einschätzung, dass die Impfung die größtmögliche Wirksamkeit erzielt, wenn noch keine Infektion mit den Viren vorliegt.“ Damit begründet die STIKO auch, dass bereits 12jährige Mädchen miteinbezogen werden, obwohl der Impfstoff in den großen klinischen Studien lediglich an 15jährigen getestet wurde. Die Fachverbände befürworten dieses Vorgehen. In einer gemeinsamen Stellungnahme des Bundesverbandes der Frauenärzte (BVF), der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), der Gesellschaft für Virologie (GfV) und der Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung von Viruserkrankungen (DVV) stehen die Mediziner und Wissenschaftler hinter der STIKO.

Harald zur Hausen hat am 10. Dezember 2008 den Medizinnobelpreis erhalten.Lightbox-Link
Harald zur Hausen hat am 10. Dezember 2008 den Medizinnobelpreis erhalten.Quelle: Nobel Web AB/Hans Mehlin

Harald zur Hausen: "Manifest ist ein Ärgernis" 

Aus Sicht von Nobelpreisträger Harald zur Hausen ist das Manifest der Kritiker ein „Ärgernis“. Seine eigene Enkelin sei inzwischen geimpft, erzählt er. Der Forscher ist überzeugt, dass „es wichtig ist, die Impfung durchzuführen und zu empfehlen“. Dass sich Frauen jetzt vom negativen Ton aktueller Berichte davon abhalten lassen könnten und später gar an Krebs erkranken, ist für ihn ein „unerträglicher Gedanke“. Er selbst bestätigt zwar, dass die Daten noch nichts über eine tatsächliche Verhinderung von Krebs aussagen, aber für ihn ist auch eine Verhinderung der Krebsvorstufen ein deutlicher Gewinn – insbesondere angesichts der Nebenwirkungen von operablen Eingriffen, bei denen Verklebungen und spätere Fehlgeburten auftreten können. Wegen Krebsvorstufen müssen in Deutschland etwa 140.000 Frauen jährlich Gewebestücke entnommen werden, etwa 2500 Frauen werden deswegen an der Gebärmutter operiert. Zur Hausen glaubt, dass sich mit der Impfung die Zahl der chirurgischen Eingriffe senken lässt.

Im Netz gefunden

Einen guten Überblick zur Diskussion um den Impfstoff gibt es hier:

H.Blog: hier klicken

Arzneimitteltelegramm: hier klicken

Gute Pillen, Schlechte Pillen: hier klicken

Die Kritiker wenden ein, dass es noch andere krebsauslösende Viren gibt und bislang unklar ist, ob diese durch die Impfung nicht gar gefährlicher als bisher werden könnten.  „Ein Replacement ist theroretisch möglich, unsere langjährigen Erfahrungen mit HPV lassen aber nicht darauf schließen“, erklärt Thomas Iftner von der Universität Tübingen. So sei etwa HPV 16 in allen seinen krankheitsauslösenden Fähigkeiten den anderen Papillomaviren überlegen: wenn es darum geht, das Immunsystem auszutricksen und auf Dauer im Gewebe auszuharren.

Allgemein anerkannt ist hingegen der Hinweis der Kritiker, dass bislang unklar ist, wie lange der Impfschutz anhält. Derzeit wird von mindestens fünf Jahren ausgegangen. Vermutlich ist eine Auffrischungsimpfung nötig. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt sind zudem weiter erforderlich. Die STIKO hält dennoch an ihrer Impfempfehlung fest: "Auch wenn derzeit nicht sicher beurteilt werden kann, wie ausgeprägt die Effekte auf die Rate von Gebärmutterhalskrebs ist und ob bzw. wie häufig hierfür nachgeimpft werden muss, ist der Verzicht oder die Verschiebung kaum vertretbar."

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