Marcus Fändrich: Von Fibrillen und Prognosen

Marcus Fändrich hat einen strukturbiologischen Blick auf Eiweiße. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Marcus Fändrich hat einen strukturbiologischen Blick auf Eiweiße. Quelle: Fändrich

30.06.2008  - 

Von Prognosen lässt sich Marcus Fändrich wirklich nicht ins Bockshorn jagen. Allen Unkenrufen zum Trotz ist es seinem Team an der Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung in Halle zusammen mit amerikanischen Wissenschaftlern gelungen, die Struktur von faserartigen Eiweißablagerungen in bisher ungekannter Präzision aufzuklären. Solche Amyloidfibrillen treten unter anderem im Gehirn von Alzheimerkranken Menschen auf und bilden dort die gefürchtete Plaques. Überraschendes Ergebnis: Keines der bisher gängigen Modellvorstellungen hatte die Struktur korrekt vorausgesagt. Bereits 2003 gewann Fändrichs Projekt den hoch dotierten BioFuture-Förderpreis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) – zu Recht, wie die nun in der Fachzeitschrift PNAS publizierten Resultate belegen.

Bis heute ist unklar, warum das Eiweiß mit dem Namen Aß-Peptid überhaupt die Fibrillenstruktur annimmt, in der es sich dann im Gehirn ablagert. Die Wissenschaft geht aber davon aus, dass diese Ablagerungen für die Nervenschädigung verantwortlich sind, welche bei Alzheimer zu den typischen Krankheitssymptomen, wie z. B. Gedächtnisverlust, führt. Die genaue Struktur der Fibrille könnte über den Entstehungsprozess Aufschluss geben – eine wichtige Information auf dem Weg zu einer wirksamen Therapie.

Fändrich überrascht Wissenschaftswelt mit seinem Ergebnis

Mit der Publikation seiner Ergebnisse in der Fachzeitschrift PNAS (2008, Vol. 105, S. 7462-7466) ist die Forschung diesem Ziel einen entscheidenden Schritt näher gekommen. „Wir haben die höchste Auflösung einer vollständigen Aß-Amyloidfibrille überhaupt vorgelegt“ erzählt Marcus Fändrich stolz. Eine Auflösung von 8-9 Angström erreichten die Forscher – und überraschten damit die Wissenschaftswelt. „Es gab vorher viele Leute, die mir erklärt haben, es sei gar nicht möglich so weit zu kommen“ erinnert er sich. „Damit kann man jetzt eine ganze Reihe von Modellvorstellungen testen, die es bisher gab“ so Fändrich. Und genau da wird es richtig interessant. Denn keines der bisherigen Modelle hatte die Struktur richtig vorhergesagt. Überrascht ist Fändrich darüber allerdings nicht. „Es war schon klar, dass die bisherigen Modelle relativ spekulativ sind, einfach aufgrund der begrenzten Daten, mit denen sie erstellt wurden“ erklärt er. Und ganz ehrlich: „Wenn man uns damals gesagt hätte, so sieht die Fibrille aus, hätten wir das nicht unbedingt geglaubt“ sagt er lachend. Hinterher ist man eben immer klüger.

So sieht eine Alzheimer Amyloidfibrille (rot) im Querschnitt aus. Im Hintergrund: Amyloidablagerungen (braun) in Hirngewebe eines Alzheimerpatienten.Lightbox-Link
So sieht eine Alzheimer Amyloidfibrille (rot) im Querschnitt aus. Im Hintergrund: Amyloidablagerungen (braun) in Hirngewebe eines Alzheimerpatienten.Quelle: Sachse, Fändrich & Grigorieff

Neue Technik für Fibrillen entwickelt

Proteinstrukturaufklärung - also die Analyse des dreidimensionalen Aufbaus von Eiweißmolekülen - ist ohnehin eine Kunst für sich, aber die Amyloidfibrille zählt zu den besonders kniffligen Fällen. Warum das so ist? „Es gibt zwei Methoden, mit denen man normalerweise bei Proteinen die Struktur aufklärt. Das sind die Röntgenkristallografie und die Flüssigphasen-Kernspinresonanzspektroskopie. Das Problem ist: Beide Methoden funktionieren bei ausgewachsenen Amyloidfibrillen nicht“, erklärt Fändrich. Denn für ersteres Verfahren müsse man die Probe kristallisieren, und das ginge bei einigen Substanzen einfach nicht – darunter auch Amyloidfibrillen. Für das andere Verfahren wiederum sind die Partikel zu groß, so Fändrich: „Wir mussten sozusagen erstmal eine neue Technik erfinden.“ Schließlich sind die Forscher den Fibrillen mittels Kryo-Elektronenmikroskopie auf den Leib gerückt. Hier wird die Probe für die Analyse nicht auf eine Oberfläche aufgetrocknet, wie bei der gewöhnlichen Elektronenmikroskopie, sondern in einen Eisfilm eingefroren. Das verhindert, dass sich die Proteine während der Prozedur verformen.

Vorliebe für Fibrillen auf der Insel entdeckt

Warum Proteine so aussehen wie sie aussehen, das hat Marcus Fändrich schon während des Biologiestudiums in Heidelberg interessiert. Zum Promovieren zieht es ihn auf die Insel – an die Universität Oxford, UK. Dort arbeitet er erstmals an der Struktur von Amyloidfibrillen – ein Thema, dem er bis heute treu geblieben ist. Anders als der UniversitätOxford, an die er mit gemischten Gefühlen zurückdenkt: „Eine meiner Erfahrungen ist, dass man sich von großen Namen nicht unbedingt beeindrucken lassen muss“ erzählt er. Die traditionsgeschwängerte Atmosphäre in Oxford findet er zum Teil „verknöchert und aufgesetzt“.

Mehr zum Thema auf biotechnologie.de

Forscherprofil: Tobias Hartmann: Alzheimer aufhalten

Forscherprofil: Marina Rodnina: Blick auf die Entstehung molekularer Arbeitstiere

News: Schnittmuster von molekularen Scheren gezielt beeinflussen

Daher fällt ihm der Abschied nicht schwer, als er nach drei Jahren nach Deutschland zurückkehrt. Zuerst forscht er am Leibniz-Institut für Altersforschung - FLI Jena, nach sechs Jahren geht es weiter nach Halle. „Dort ist ein sehr starker Schwerpunkt auf Proteinforschung und Proteinfaltung – mit einer der stärksten Standorte in ganz Deutschland“ schwärmt der Forscher. „Das war einfach ein attraktives Umfeld“ erklärt Fändrich seinen Wechsel.

Zu tun gibt es für den Strukturbiologen noch genug. „Um konkrete Aussagen über den Bildungsprozess der Fibrille zu machen, brauchen wir die atomare Struktur“ skizziert er den weiteren Weg. „Das Ziel ist es, eine Auflösung von 3-4 Angström zu bekommen“ so Fändrich und weiter: „Theoretisch ist das mit der Elektronenmikroskopie machbar“. Nur in der Praxis klappt es noch nicht so recht – aber da ist Fändrich optimistisch. „Wir spekulieren auch auf technische Verbesserungen bei den Mikroskopen und der Datenprozessierung in den nächsten Jahren“. In fünf bis zehn Jahren, so glaubt er, sollte die Technik seine Wünsche erfüllen können.


Autorin des Textes: Miriam Ruhenstroth

Menschen

Forscherprofile

Sie möchten noch mehr Persönlichkeiten aus der biotechnologischen Forschung in Deutschland kennenlernen? In der Rubrik Menschen haben wir bereits eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Unternehmern porträtiert.


Zur Rubrik Menschen

Förderbeispiele

glowing cells in a test tube

Sie möchten erfahren, in welche Forschungsprojekte öffentliche Gelder fließen? Unter der Rubrik Förderbeispiele stellen wir regelmäßig öffentlich geförderte Forschungsvorhaben inhaltlich vor.


Zur Rubrik Erfindergeist

Nachwuchsförderung

Collage aus Broschüren-Deckblatt

Wege in die Biotechnologie: In den vergangenen 25 Jahren hat das BMBF mehr als 200 junge Wissenschaftler darin unterstützt, in die Biotechnologie zu gehen. Eine neue Broschüre verschafft nun Einblicke in den Verlauf dieser Karrieren: Was ist aus den einstigen Nachwuchsforschern geworden? Wie sind sie beruflich vorangekommen? Woran arbeiten sie heute? Die Broschüre kann kostenlos im Bestellservice geordert oder als PDF heruntergeladen werden.


Zur Rubrik Publikationen