Zuckerforscher auf dem Weg zum Impfstoff gegen Malaria

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Mit diesem Glykochip hat Seeberger das Blut von Erwachsenen nach Antikörpern gegen den Malaria-Erreger untersucht. Quelle: Seeberger/ ETH

09.04.2008  - 

Schon seit Jahren versucht der deutsche Glykobiologe Peter Seeberger einen Impfstoff gegen den Malariaerreger Plasmodium falciparum zu entwickeln, dem jedes Jahr vor allem Millionen von Kindern zum Opfer fallen. Nun ist der Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich wieder ein gutes Stück vorangekommen. Er hat einen neuen Test entwickelt, mit dem sich zeigen lässt, ob eine Person gegen toxische Zuckermoleküle (GPI) des Malariaerregers Antikörper gebildet hat oder nicht. Wie die Forscher im Fachmagazin Nature Chemical Biology (2008, Vol. 4, S. 238-240) berichten, konnten sie damit im Blut von Erwachsenen aus Malariagebieten Afrikas nachweisen, dass diese tatsächlich spezifische Antikörper gegen einzelne GPI produziert hatten. Dies wiederum ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung eines Impfstoffes.

Der Malariaerreger Plasmodium falciparum trägt auf seiner Oberfläche verschiedene giftige Zuckermoleküle - kurz GPI genannt - die sich einzeln identifizieren lassen. Diese GPI sind für den tödlichen Verlauf der Krankheit maßgeblich mitverantwortlich. Im Jahr 2002 hatte Seeberger diese GPI zusammen mit dem australischen Forscher Louis Schofield entschlüsselt. Gleichzeitig fiel dem Team auf, dass vor allem Kinder unter zwei Jahren an Malaria sterben. „In diesem Alter können die Kinder zwar eine Immunantwort gegen Eiweiße erzeugen, aber nicht gegen Zucker“, erklärt der Wissenschaftler. So gerieten die Zuckermoleküle auch als Impfstoff ins Visier der Forscher.

Dieser kurze Film auf dem Videoportal Youtube vermittelt einen Einblick, wie der Malaria-Erreger Blutzellen befällt (in Englisch). Quelle: Youtube/ Ian Crandall (Laboratory for Collaborative Diagnostics, Kanada)

Auf dem Weg dahin mussten jedoch erst viele Hürden genommen werden, beispielsweise Zuckermoleküle schnell und in ausreichenden Mengen künstlich herzustellen. Dank Seeberger ist das ist inzwischen kein Problem mehr. Mit seinem Zucker-Syntheseroboter dauert dieser Prozess nicht mehr Monate, sondern nur noch einen Tag. Für einen Impstoff müssen die GPI in einem weiteren Schritt mit einem Eiweiß verbunden werden. „Bis der Körper einen einzelnen Zucker als fremd erkennt und schützende Antikörper entwickelt, muss dieser oft Monate oder Jahre im Blut zirkulieren. Ist er mit einem Eiweiß verbunden, produziert der Organismus hingegen innerhalb weniger Tage Antikörper und ist für den Fall der Fälle gewappnet", erläutert Seeberger.

Mit Zuckerchip Antikörper im Blut aufspüren

Für seine neueste Arbeit hatte Seeberger nun einen Chip entwickelt, mit dem sich relativ kostengünstig und mit kleinsten Mengen von Blutserum und Zuckermolekülen feststellen lässt, ob eine Person spezifische Antikörper gegen verschiedene GPI gebildet hat oder nicht. Dies dient den Forschern als Zeichen dafür, ob das Immunsystem den Krankheitserreger erkannt hat oder nicht. Auch hierfür ist Seebergers Roboter dringend notwendig: Für den Chip brauchen die Forscher möglichst reines GPI in großen Mengen.

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Bei der neuen Methode werden auf einen Glasobjektträger über 60 Felder aus gut stecknadelkopfgrossen Punkten aufgedruckt. Jedes Feldchen besteht aus mehreren "Häufchen" von unterschiedlichen GPI, die überdies in verschiedenen Konzentrationen vorliegen. Gibt man nun Blutserum auf ein solches Feld, binden die Antikörper spezifisch an die Zuckermoleküle. Anfärbungsmethoden machen sichtbar, an welchen GPI die Antikörper andocken.

Glykan-Forum

Unter dem Dach der Glykostrukturfabrik hat sich in Berlin inzwischen das jährliche Glykan-Forum als Treffpunkt und Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zum Thema Glyko-biotechnologie entwickelt. Die nächste Veranstaltung findet vom 23.-24. Mai 2008 statt.

www.glykostrukturfabrik.de

Wie die Forscher im Fachmagazin Nature Chemical Biology (2008, Vol. 4, S. 238-240) berichten, konnten sie mithilfe des Chips im Blut von Erwachsenen aus Malariagebieten Afrikas spezifische Antikörper gegen einzelne GPI nachweisen. Eine Erkrankung ist zwar trotz der Antikörper möglich, aber die Konsequenzen sind weniger schwerwiegend. Das Immunsystem erkennt die giftigen Zuckermoleküle als Fremdkörper und blockt deren toxische Wirkung. Der Test zeigte auch: Bei Europäern, die nicht in Risikogebieten leben, fehlen die entsprechenden Antikörper.

Erste klinische Tests für Impfstoff im Jahr 2009

Gleichzeitig ist es den Forschern auf diese Weise gelungen, diejenigen Zuckermoleküle von Plasmodium zu identifizieren, die das Immunsystem zur Antikörperreaktion anregen und daher für die Entwicklung eines Impstoffes am Vielversprechendsten erscheinen. „Wir nutzen diese Zucker bereits als Antigene, um einen Impfstoff zu entwickeln“, erläuterte Seeberger gegenüber dem Biotechnologie-Nachrichtenmagazin transkript. Ende 2009 sollen demnach erste Kandidaten in die klinische Prüfung gehen.

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Ein gutes Dutzend deutscher Biotech-Unternehmen hat sich der Zuckerforschung verschrieben und setzt darauf, dass sich glykobiologische Ansätze langfristig auch wirtschaftlich auszahlen. Lange Zeit war es ruhig bestellt um die Szene, doch inzwischen ist wieder Schwung hineingekommen.

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