Expertenprognose für das Jahr 2030: Gute Aussichten für Biotechnologie

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Künftig werden in industriellen Produktionsverfahren immer mehr Mikroorganismen oder aus ihnen gewonnene Enzyme zum Einsatz kommen, so die Prognose von Experten im Cologne Paper. Quelle: BRAIN AG

30.05.2007  - 

Welchen Einfluss hat die Biotechnologie auf die heutige Gesellschaft und welche Stellung wird sie in den kommenden zwanzig Jahren erreicht haben? Dieser Frage haben sich Anfang des Jahres insgesamt 51 Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft gestellt. Ihre Ergebnisse haben sie im sogenannten "Cologne Paper" zusammengefasst, das nun zur Konferenz „En Route to the Knowledge-Based Bio-Economy“ verabschiedet werden soll, die anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 30. Mai in Köln stattfindet. Das Fazit der Experten ist optimistisch: Bis zum Jahr 2030 wird allein der industriellen Biotechnologie ein weltweites Umsatzvolumen von etwa 300 Milliarden Euro prognostiziert. Gleichzeitig werden künftig indiviudalisierte Lebensmittel und personalisierte Therapien zum Alltag gehören, so die Annahme der Experten. Kurzum: Die Biotechnologie wird in den kommenden zwanzig Jahren zu einer wichtigen Säule der europäischen Wirtschaft geworden sein.

Das Cologne Paper ist auf der Basis von sechs Workshops entstanden, die zwischen Januar und März 2007 zu den Themen 1) gesetzliche Rahmenbedinungen 2) Ernährung 3) Biomaterialien und Bioverfahren 4) Bio-Energie 5) Biomedizin sowie 6) Neue Technologien stattgefunden haben. Insgesamt 51 Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft haben dabei Vorhersagen und Empfehlungen erarbeitet, die der Politik bei der Gestaltung künftiger Aktivitäten unterstützen sollen. Die Ergebnisse werden nun auf der europäischen Biotechnologie-Konferenz „En Route to the Knowledge-Based Bio-Economy“ öffentlich präsentiert und verabschiedet, die am 30. Mai anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in Köln mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik stattfindet. Die Veranstaltung bildet damit den Auftakt zur Messe "Bioperspectives", die vom 31. Mai bis zum 1. Juni ihre Tore auf dem Kölner Messegelände öffnet.

Das Fazit der Experten im Cologne Paper ist zunächst positiv: Aus ihrer Sicht wird der Einfluss der Biotechnologie in den kommenden Jahren stetig wachsen – nicht nur in der Biomedizin und der Pflanzenforschung, sondern gerade auch im industriellen Sektor. Hier wird in der Biotechnologie ein Schlüssel dafür gesehen, Probleme wie schwindene Rohstoffressourcen und Energieknappheit anzugehen. Hochentwickelte Bioprozesstechniken können dabei umweltschonendere und effizientere Verfahren in den unterschiedlichsten industriellen Produktionsbereichen von Chemie, Pharma und Landwirtschaft ermöglichen, so die Hoffnung, und damit einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Wirtschaft leisten. Auf der anderen Seite glauben die Experten, dass auch eine ganze Reihe von neuen Produkten erst durch den Einsatz biotechnologischer Methoden – etwa durch gezielt entwickelte, gentechnisch veränderte Mikroorganismen – möglich sein werden. Auf der Basis heutiger Zahlen prognostizieren die Experten deshalb, dass das weltweite Umsatzvolumen der industriellen Biotechnologie im Jahr 2030 bei etwa 300 Milliarden Euro liegen wird, was einem Drittel der gesammten industriellen Produktion entspricht.

Experten zeigen auch Hürden auf

Im Cologne Paper werden allerdings nicht nur Prognosen für die Zukunft angegeben, sondern auch Hürden aufgezeigt, die der tatsächlichen Realisierung der optimistischen Aussichten im Weg stehen könnten: So wird angemahnt, dass absehbar nicht genügend qualifizierte Wissenschaftler zur Verfügung stehen werden und es deshalb besonderer Anstrengungen bedarf, Jugendliche für Forschung und Wissenschaft zu begeistern. Darüber hinaus befürchten die Experten, dass europäische Forschungsinstitutionen finanziell nicht so gut ausgestattet sein könnten, um attraktive Positionen für exzellente Wissenschaftler anzubieten.

Für Zündstoff könnte auch folgende Aussage der Experten sorgen: Aus ihrer Sicht wird man um einen verstärkten Einsatz von Gentechnik und biotechnologischen Verfahren in der Landwirtschaft langfristig nicht herumkommen. "Zukünftigen Konflikten um das landwirtschaftlich nutzbare Land (Nahrungsmittelpflanzen versus Industriepflanzen) muss durch Innovationen begegnet werden", heißt es. Die Züchtung von gentechnisch veränderten Pflanzen könne hierbei einen Beitrag zur  Konfliktentschärfung leisten, so die Hoffnung der Experten. Gleichzeitig sei die moderne Pflanzenforschung auch für die Industrie vonnöten: Konventionelle Methoden könnten in der Züchtung nicht den künftig erforderlichen Zuwachs an Biomasse - etwa für die Biokraftstoffherstellung - oder die von der Industrie geforderten Inhalttstoffe liefern.  "Man wird auf grüne Biotechnologie nicht verzichten können", schreiben die Experten im Cologne Paper.  

BMBF nimmt industrielle Biotechnologie mit Clusterwettbewerb ins Visier

Die industrielle Biotechnologie steht auch im Mittelpunkt eines aktuellen Förderprogrammes vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Im Herbst vergangenen Jahres wurde der Wettbewerb „BioIndustrie 2021“ ins Leben gerufen. Damit sollen strategische Partnerschaften zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gezielt unterstützt werden, um Cluster der industriellen Biotechnologie in Deutschland zu etablieren. Für die kommenden fünf Jahre sind dafür bis zu 60 Millionen Euro Fördermittel vorgesehen. Mit zusätzlichem Engagement aus der Wirtschaft sollen Forschungs- und Entwicklungsprojekte in einem Gesamtvolumen von über 150 Millionen  finanziert werden.
Maßgebliches Ziel des Wettbewerbs "BioIndustrie 2021" ist es, die notwendigen Institutionen und Disziplinen, wie z. B. Biowissenschaften, Chemie, Physik, Informatik sowie die Ingenieurwissenschaften (z. B. Verfahrenstechnik, Maschinen- und Anlagenbau, Prozess- und Regelungstechnik, Analytik), frühzeitig und effizient in interdisziplinären Projektteams zusammenzuführen. Im Rahmen des Wettbewerbs sollen deshalb strategische Cluster entstehen, die alle Beteiligten in Netzwerkstrukturen einbinden. Dazu gehören sowohl Forschungseinrichtungen als auch Unternehmen, Wagniskapitalgeber und Banken, die gemeinsam ihre Kernkompetenzen definieren, Finanzierungsformen und Strategien für zukünftige Märkte entwickeln und dazu passende Projekte im gemeinsamen Interesse umsetzen. Im Rahmen der Förderinitiative sollen diese sich selbst organisierenden Cluster untereinander in einen Wettbewerb treten, um den Standort Deutschland in der industriellen Biotechnologie zu stärken.

GenoMikPlus

BMBF-Förderprogramm GenoMik-Plus: Tricks der Mikroorganismen nutzen

In drei Kompetenzzentren in Göttingen, Bielefeld und Würzburg haben sich im Rahmen des Förderprogramms "GenoMik" Forscher in Deutschland auf mikrobielle Genomforschung spezialisiert. Diese Projekte werden nun als "GenoMikPlus"-Programm fortgeführt und mit 21 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt.

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Weiterführende Informationen
Downloads

"Die Perspektiven der wissensbasierten Bio-Ökonomie innerhalb der nächsten 20 Jahre" (Kurzfassung)

Cologne Paper, Mai 2007 Download PDF (119,8 KB)

"En Route to the Knowledgebased Bio-Economy" (englisch)

Cologne Paper, Mai 2007; Langfassung Download PDF (255,3 KB)