Rolf Schmid: Der Erfindergeist und Technikfreak

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Prof. Dr. Rolf D. Schmid, Leiter des Instituts für Technische Biochemie der Universität Stuttgart Quelle: ITB

27.09.2006  - 

Rolf Schmid ist der erste Leiter des Instituts für Technische Biochemie (ITB) an der Universität Stuttgart, seit die Forschungseinrichtung vor 13 Jahren gegründet wurde. Der Professor für Biochemie hatte schon immer den Wunsch, dass seine Forschungsprojekte konkret technisch anwendbar sind. So arbeitet der Biologe heute unter anderem mit an der Frage, wie sich in Zeiten schwindender Erdölvorkommen aus nachwachsenden Rohstoffen Chemikalien erzeugen lassen.

Die Begeisterung für die Biochemie kam bei dem gebürtigen Salzburger während des Studiums der Chemie an der Universität München. Und so schloss sich für Schmid an seine Studentenzeit die Promotion auf dem Gebiet der Antibiotika-Synthese im Labor Prof. Hans Grisebachs an der Freiburger Universität an. Erklärtes Ziel des Biochemikers war es schon immer, seine Arbeit im Labor auch konkret anwenden zu können: „Dafür bin ich dann auch in die Industrie gegangen“, sagt der heutige Leiter des Stuttgarter Instituts für Technische Biochemie ITB. Auf die Postdoktorandenzeit in Frankreich und den USA folgte deshalb eine Anstellung bei der Henkel KGaA in Düsseldorf, wo er sich mit Industrieller Biotechnologie beschäftigte und Leiter der Abteilung Biotechnologie wurde. 1987 wechselte der Biochemiker zur Gesellschaft für Biotechnologische Forschung GBF in Braunschweig und leitete dort den Bereich Enzymtechnologie und Naturstoffforschung. 1993 folgte Schmid dann dem Ruf nach Stuttgart, wo er die Leitung des neu gegründeten ITB übernahm.

Entwicklung von Chemikalien und innovativen Prozessen mit Hilfe von Biokatalyse und Systemanalyse

Zu den Forschungsschwerpunkten des Instituts gehören heute vor allem das Protein Engineering für Biokatalysatoren und die Systembiologie. Hierfür arbeiten Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Schmid in fünf Kompetenzbereichen der Forschungseinrichtung: Bioinformatik, Molekulare Biotechnologie, Biokatalyse, Analytische Biotechnologie und Fermentation. Besondere Kernkompetenzen liegen bei der Enzymtechnologie und der Biosensorik.

„Auf dem Gebiet der Industriellen Enzymtechnologie arbeiten wir an einer großen Zahl von Fragestellungen – aktuell sind dies rund 20 Projekte, wovon 15 anwendungsbezogen sind und fünf der Grundlagenforschung in der Systembiologie dienen“, so Schmid. Und er fügt hinzu: „Es gibt kaum ein Projekt, das wir nicht in Kooperation mit einer Firma machen. Unser Ziel ist immer die praktische Anwendung. Nicht alles lässt sich dann auch realisieren, aber vieles.“ Die Nähe zur Praxis wird durch stolze zwei Patentanmeldungen pro Jahr dokumentiert, auf die das ITB durchschnittlich kommt. Allerdings werden Patente aus praktischen Gründen immer von den Industriepartnern gehalten.

Grundsätzlich handelt es sich bei diesen Partnerfirmen um große und mittelständische Unternehmen der Lebensmittel- und Chemischen Industrie sowie des Apparatebaus. Förderer des ITB sind weiterhin neben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das baden-württembergische Wissenschaftsministerium, die Bundesministerien für Wirtschaft und Arbeit sowie für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und außerdem die Deutsche Bundesstiftung Umwelt.

Alternative Rohstoffe - eines der innovativsten Gebiete der Chemie

Was die Erwartung an künftige Märkte für Chemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen angeht, so sind diese nach Ansicht Schmids sehr stark im Wachstum und werden sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren massiv entwickeln. Grund hierfür sind steigende Ölpreise sowie zunehmende Aktivitäten auf den Gebieten Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Und: Diese Technologien haben eine ganz enorme Innovationskraft. Nach Schmids Aussagen ist dies eines der innovativsten Gebiete der Chemie und hat zudem eine hohe Attraktivität für kreative Leute: „Hier brummt es“, bringt es der Professor auf den Punkt. Dabei sind technologische und ökologische Risiken verschwindend gering. Es sind eher ökonomische Risiken, denen man Beachtung schenken muss: „Es rechnet sich leider nicht immer, und man muss deshalb Kompromisse machen – den Königsweg finden“, so Schmid.

Das Institut für Technische Biochemie auf dem Universitätscampus in Stuttgart-VaihingenLightbox-Link
Das Institut für Technische Biochemie auf dem Universitätscampus in Stuttgart-VaihingenQuelle: ITB

Das Institut für Technische Biochemie auf dem Universitätscampus in Stuttgart-Vaihingen (Foto: ITB)

Mit den meisten Forschungsthemen des ITB beschäftigen sich weltweit auch andere Arbeitsgruppen. Aber laut Schmid handelt es sich dabei immer um freundschaftliche Konkurrenz, aus der sich auch oft schon Gemeinschaftsprojekte entwickelt haben. Partner sind deshalb unter anderem nicht nur deutsche Arbeitsgruppen an den Universitäten Stuttgart, München, Bochum, Köln und Tübingen, sondern auch Forschungseinrichtungen in Schweden, Spanien oder der Schweiz. Und vor allem auch in Japan.

Der Asienkenner berät Ministerien und Industrie in Biotech-Fragen

Es ist nämlich die Hochkultur Asiens, die es Schmid besonders angetan hat. „Mich fasziniert, dass die Menschen dort so vieles anders machen – mit viel Energie und hoher kultureller und fachlicher Kompetenz. Dort kann man aus einem anderen Blickwinkel ermessen, was alles in der menschlichen Leistungsfähigkeit steckt“, erklärt Schmid. Durch viele, vornehmlich fachliche Reisen konnte sich der Leiter des ITB mit den Jahren immer mehr zum Asienkenner entwickeln. So berät er heute sowohl BMBF und MWK als auch viele Firmen in Biotechnologiefragen, die Asien – hauptsächlich Japan und China – betreffen. Und hat auch bereits Bücher zum Thema geschrieben, zum Beispiel „Biotechnology in Japan“ und „Chinese Bio Today“.

Damit aber noch nicht genug der Praxis: Der Professor für Biochemie ist in seiner Freizeit Student für Internationales Marketing und steht kurz vor der Master-Prüfung. Sein Motto - der Bezug zur konkreten Anwendung - endet für Schmid eben nicht an der Labortür.

Erstveröffentlichung unter www.bio-pro.de

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