Lars Zender: Bietet Leberkrebs Paroli

Der Tübinger Krebsspezialist Lars Zender forscht nach wirksamen Mechanismen, die das Leben von  Tumorpatienten signifikant verlängern. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Der Tübinger Krebsspezialist Lars Zender forscht nach wirksamen Mechanismen, die das Leben von Tumorpatienten signifikant verlängern. Quelle: Prof. Dr. Lars Zender

07.01.2015  - 

Mit  39 Jahren gehört Lars Zender bereits zu den bedeutendsten Krebsspezialisten des Landes. Sein Interesse gilt der Leber. Seit Jahren forscht der promovierte Gastroenterologe an wirksamen Waffen, um Tumore im Stoffwechselorgan zu bekämpfen. Seit 2012 leitet er an der Universität Tübingen die Sektion für translationale gastrointestinale Onkologie. Gemeinsam mit seinem Team hat er eine Kombitherapie entwickelt, die das Wachstum von Lebertumoren signifikant verzögert und die Überlebenschancen von Patienten verlängert.  Diese Entdeckung wurde 2014 mit dem renommierten Leibniz-Preis geehrt - er ist damit der jüngste im Club der Ausgezeichneten.

Arzt werden und Menschen helfen war ein Wunsch, den Lars Zender schon mit acht Jahren verspürt hat. Woher dieses Interesse damals kam, kann der gebürtige Niedersachse heute nicht mehr sagen. Eine familiäre Vorprägung gab es nicht. Die Eltern arbeiteten im kaufmännischen Bereich, er wuchs in der Nähe von Hannover auf. Heute kann Zender auf eine steile Karriere zurückblicken: Mit gerade 39 Jahren scheint der Vater von drei Kindern alles erreicht zu haben, was ein forschender Mediziner erreichen kann. Alles begann mit einem Medizin-Studium an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Im Jahr 2002 machte er seinen Doktor mit „summa cum laude“ und war anschließend zwei Jahre wissenschaftlich und klinisch auf dem Gebiet der Inneren Medizin und Gastroenterologie und Hepatologie tätig. Dann ging es für vier Jahre in die USA, er habilitierte und kehrte 2008 nach Deutschland zurück. Nur ein Jahr später bekam er schließlich eine Professur für experimentelle gastrointestinale Onkologie an der MHH.

Leberkrebstherapien völlig unzureichend

Als junger Arzt in der gastrointestinalen Onkologie an der MHH musste Zender erfahren, wie die Krebsmedizin an seine Grenzen stößt. „Ich habe diese ganzen Schicksale und Verläufe gesehen und festgestellt, dass man als Arzt mit stumpfen Waffen dasteht. Und wenn man was bewegen will, kommt man schnell zu der Einsicht, dass man durch eine reine Routine-Patientenversorgung  nichts bewegen kann“, sagt Zender. Für den Mediziner waren somit schon früh die Weichen in Richtung Forschung gestellt. Und da bot die Gastroenterologie der MHH die besten Bedingungen. Die Behandlung von Krebspatienten ist hier noch immer eine große Herausforderung. „Wir sind bei der Behandlung solider Tumore wie Dickdarm- und Leberkrebs noch im Mittelalter“, betont der Krebsforscher. Er verweist auf die Überlebenschancen beim Dickdarmkrebs, die sich seit 1965 bis heute nur von sechs auf 24 bis 27 Monate erhöht haben - für die Wissenschaft vielleicht ein Erfolg.  Für den Patienten sei das allerdings „völlig unzureichend“, sagt Zender. „Die Ausrichtung der Forschung kann nicht optimal gewesen sein. Deshalb stetzen wir auch auf völlig neue innovative Konzepte, um Therapien zu entwickeln.“

Mehr auf biotechnologie.de

News: Kombitherapie bremst Lebertumorwachstum
News: Masernvirus jagt Tumorstammzellen
Förderbeispiel: Leberkarzinom: Stammzell-Doping für gesunde Zellen

Mit translationaler Medizin zum Therapieerfolg

Über die Jahre war er an zahlreichen Forschungsprojekten und Publikationen zum Thema Krebs beteiligt und wurde mehrfach dafür ausgezeichnet. Zum Beispiel mit dem Krebs-Preis im Jahr 2009 und dem Johann-Georg-Zimmermann-Forschungspreis im Jahr 2012.  Im Jahr 2012 wurde er an die Universität Tübingen rekrutiert, wo er seither die Sektion für translationale gastrointestinale Onkologie leitet.

Als forschender Mediziner hat sich der 39-Jährige daher zum Ziel gesetzt, Möglichkeiten zu finden, um Tumore des Magen-Darm-Traktes, vor allem Lebertumore frühzeitig zu bekämpfen und die Überlebenschancen der Patienten deutlich zu verbessern. Nach Zenders Überzeugung ist das nur mit translationaler Medizin zu schaffen. Der Blick dafür wurde während seiner Postdoc-Zeit von 2004 bis 2008 im renommierten Cold Spring Habor Laboratory auf Long Island, New York, geschärft. Sein dortiger Mentor, der Biologe Scott W. Lowe, vertrat die Haltung: „Das Wichtigste in der Krebsforschung ist, dass wir Modelle hervorbringen, die den menschlichen Tumor realistisch widerspiegeln“. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland setzte Zender seine Forschungsarbeit zum Leberkrebs als Nachwuchsgruppenleiter am MHH und am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig zielstrebig fort. Hier hat er auch das Projekt „Leberregeneration“ im REBIRTH Exzellenz-Cluster für Regenerative Medizin betreut, das vom Bundesforschungsministerium finanziert wurde.

Leibniz-Preis für Kombitherapie

Dabei konzentriert er sich auf die Frage, welche Rolle die Seneszenz, eine Stressantwort der Zelle, welche die Zelle in einen Winterschlaf versetzen kann, bei der Entstehung von Krebs spielt. Mit Hilfe onkologischer Screens gelang es ihm, neue Gene zu entdecken, die die Tumorentwicklung in der Leber blockieren. Er setzte damit auf die schon im Jahr 2006 mit dem Nobelpreis geehrte Methode der RNA-Interferenz, mit der sich gezielt einzelne Gene aus- und anschalten lassen. 2011 konnte er mit Hilfe dieser Technik nachweisen, dass das Anschalten der Seneszenz die Tumorentstehung aus prämalignen - also nicht bösartigen - Leberzellen verhindert, indem die Krebsvorstufen vom Immunsystem abgeräumt werden und somit einen wichtigen Schutzmechanismus darstellt. Mit Hilfe von RNA Interferenz Screens arbeitet Zender ausserdem daran, neue Gene zu entdecken, die als therapeutische Zielstrukturen zur Behandlung des Leberzellkarzinoms genutzt werden können. Mit einer Kombinationstherapie, die das Tumorwachstum verzögert (mehr...), überraschte Zender im vergangenen Jahr die Fachwelt: Gemeinsam mit seinem Tübinger Team konnte er nachweisen, dass die Wirkung des Leberkrebsmedikaments Sorafinib durch die Blockade eines von ihnen entschlüsselten Gens deutlich verlängert werden kann. Die Forschungsarbeit wurde 2014 im Fachjournal Nature Medicine publiziert und brachte dem 39-Jährigen schließlich den hochdotierten Leibniz-Preis ein, der vielen als der deutsche Nobelpreis gilt. Es ist die Krönung seiner bisherigen wissenschaftlichen Laufbahn.

Leberkrebs zur chronischen Erkrankung machen

Trotz seiner jetzt schon beeindruckenden Biographie sieht sich Zender noch längst nicht am Ziel. „Als Krebsforscher muss man sich daran messen lassen, ob man mit den Therapien, die man entwickelt hat, das Leben der Patienten mit Tumorerkrankungen signifikant verlängern kann und das bei guter Lebensqualität“, so Zender.  Die Kombitherapie soll nun schnellstmöglich in einer klinischen Studie an Patienten in Tübingen getestet werden. Aber Zender ist auch Realist.  Tumore an Leber oder Dickdarm wie eine Blindarmentzündung zu heilen, werde nicht so schnell gelingen. „Ein Etappenziel wäre schon,  diese Erkrankungen wie HIV zu einer chronischen Erkrankung zu machen, in dem wir Konzepte haben, die Tumore langfristig kontrollieren, bei tolerablen Nebenwirkungen und guter Lebensqualität für den Patienten.“

Für ein Forscherleben auf der Überholspur habe der Mediziner Familie und Hobbys zurückstellen müssen, gesteht der Vater von drei fünf- bis elfjährigen Töchtern. Zum Sporttauchen oder Tennisspielen bleibt Zender zwar weiterhin nicht die Zeit. Dafür geht er ein- bis zweimal die Woche laufen. Aber nicht nur beim Joggen tankt Zender auf.  „Da kann ich noch so gestresst sein: Wenn ich nach Hause komme und die Kinder ihre Sichtweise auf die Welt vermitteln, ist man ganz schnell wieder geerdet.“

Autorin: Beatrix Boldt

Menschen

Forscherprofile

Sie möchten noch mehr Persönlichkeiten aus der biotechnologischen Forschung in Deutschland kennenlernen? In der Rubrik Menschen haben wir bereits eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Unternehmern porträtiert.


Zur Rubrik Menschen

Förderbeispiele

glowing cells in a test tube

Sie möchten erfahren, in welche Forschungsprojekte öffentliche Gelder fließen? Unter der Rubrik Förderbeispiele stellen wir regelmäßig öffentlich geförderte Forschungsvorhaben inhaltlich vor.


Zur Rubrik Erfindergeist

Nachwuchsförderung

Collage aus Broschüren-Deckblatt

Wege in die Biotechnologie: In den vergangenen 25 Jahren hat das BMBF mehr als 200 junge Wissenschaftler darin unterstützt, in die Biotechnologie zu gehen. Eine neue Broschüre verschafft nun Einblicke in den Verlauf dieser Karrieren: Was ist aus den einstigen Nachwuchsforschern geworden? Wie sind sie beruflich vorangekommen? Woran arbeiten sie heute? Die Broschüre kann kostenlos im Bestellservice geordert oder als PDF heruntergeladen werden.


Zur Rubrik Publikationen