Molekulare Scheren vertreiben HIV aus dem Blut

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HI-Viren auf dem Weg zu ihren Zielzellen im Körper, den T-Lymphozyten. Eine neue Gentherapie versucht, die Viren aus dem Erbgut der Immunzellen zu verbannen. Dabei kommen hochpräzise molekulare Scheren zum Einsatz. Bei Mäusen funktioniert die Therapie bereits. Quelle: HPI/Hamburg

01.10.2013  - 

Eine HIV-Infektion zu heilen – das ist das große Ziel, dem Forscher derzeit auf verschiedenen Wegen näher kommen. Medikamente bremsen zwar die Vermehrung des AIDS-Erregers, können die Krankheit aber bestenfalls in Schach halten. Denn das Virenerbgut baut sich stabil in die DNA von Wirtszellen ein. Diese genetischen Überbleibsel restlos loszuwerden ist der Ansatz, den Hamburger und Dresdner Molekularmediziner verfolgen. Sie haben molekulare Scheren entwickelt, mit denen sich die Viren aus dem Erbgut ausschneiden lassen. Die Forscher haben nun erstmals bei HIV-infizierten Mäusen nachgewiesen, dass ihre Gentherapie tatsächlich wirkt. Die Forscher berichten im Fachjournal PLoS Pathogens (2013, Online-Veröffentlichung) über die ersten Heilungserfolge. Das BMBF hat die Studien im Rahmen der Fördermaßnahme GO-Bio unterstützt.

Bereits seit 25 Jahren erforscht Joachim Hauber vom Hamburger Heinrich-Pette-Institut (HPI) für Experimentelle Virologie das HI-Virus und neue Therapieformen zur Behandlung des AIDS-Erregers. Bei der HIV-Behandlung hat es in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gegeben. Sie haben der einst rasch tödlichen Immunschwäche heute mehr den Charakter einer chronischen Erkrankung gegeben. Die derzeit angewandte Kombinationstherapie zielt jedoch insbesondere darauf ab, mit einem Wirkstoff-Mix die Vermehrung des Virus einzudämmen. Komplett los wird man den Erreger so allerdings nicht. Denn Virusreste „nisten“ sich im Erbgut bestimmter Wirtszellen dauerhaft ein. Insbesondere sind das CD4+-Gedächtnis-T-Zellen des Immunsystems.  „Die Virusgene aus dem Erbgut der Immunzellen loszuwerden, ist der Heilige Gral der HIV-Heilungsforschung“, sagt Hauber im Gespräch mit biotechnologie.de.In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie man mit einer Gentherapie Krankheiten behandeln könnte.Quelle: biotechnologie.tv

Molekulare HIV-Scheren eingeschleust

Genau diesen auch als „sterilisierende Heilung“ genannten Ansatz verfolgt der HIV-Forscher gemeinsam mit Kollegen um Frank Buchholz von der TU Dresden seit vielen Jahren. Die beiden Teams haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich das Erbgut von HI-Viren in den infizierten Zellen komplett entfernen lässt. Dabei benutzen sie das Enzym Tre-Rekombinase als molekulare Schere. Das Molekül wurde gentechnisch so optimiert, dass es das Viren-Erbgut zielgenau erkennt und präzise aus dem Genom betroffener Zellen herausschneidet. „Unsere Tre-Rekombinase ist nur in infizierten Gedächtnis-T-Zellen aktiv, schneidet und schaltet sich nach dem Eingriff wieder ab“, erläutert Hauber. Kompliziert sei es allerdings, das molekulare Skalpell auch tatsächlich in die HIV-infizierten Zellen zu schleusen. „Dazu ist eine Gentherapie nötig“, sagt Hauber. „ Wir entnehmen blutbildende Stammzellen und schleusen das Enzym mit Genfähren ein“. Zurück in den Patienten transplantiert, hätten die „geheilten“ Immunzellen einen Entwicklungsvorteil gegenüber den infizierten Zellen. Das wieder erstarkte Immunsystem, so die Hoffnung der Forscher, erledigt den Rest und treibt in der Folge die restliche Viren aus dem Körper.

Einer Illusion dürfe man sich auch bei einer solchen Gentherapie nicht hingeben. „Man trifft hierbei niemals alle HIV-befallenen Zellen im Körper“, schränkt Hauber ein.

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Humanisierte Mäuse als Modell

Trotzdem gelten die in PLoS Pathogens veröffentlichten Ergebnisse als ein großer Schritt: Frühere Experimente zeigten bereits, dass das Tre-Rekombinase-Enzym das HIV-Erbgut effektiv aus infizierten Wirtszellen wieder entfernen kann. Nun hat das Team erstmals die antivirale Wirkung der Tre-Rekombinase in humanisierten Mausmodellen nachgewiesen. Es handelt sich hierbei um Mäuse, denen menschliche Immunzellen implantiert wurden. Deshalb können sich die Tiere auch mit HIV infizieren. Das Ergebnis: „Wir haben hochsignifikant antivirale Effekte der Gentherapie nachgewiesen, ohne dass Nebenwirkungen auftraten“, sagt Hauber. „Bei einzelnen Tieren war sogar kein Virus mehr in der Blutbahn nachweisbar.“ Die aktuelle Studie demonstriere, dass Tre-Rekombinase HI-Viren auch aus einem infizierten lebenden Organismus wieder entfernen könne. Die Befunde seien eine wichtige Voraussetzung für zukünftige klinische Studien, die eine Heilung von HIV-Infizierten zum Ziel hätten. „Unsere Ergebnisse lassen hoffen, dass Tre-Rekombinase in absehbarer Zukunft Bestandteil einer Therapie zur Heilung von Infektionen mit dem AIDS-Virus HIV sein kann“, so Hauber.

© biotechnologie.de/pg

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