Molekulare Stellschrauben für längeres Leben

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Der Fadenwurm ist ein idealer Modellorganismus für Biologen: Seine Zellzahl und sein Lebenszyklus sind sehr überschaubar und die Forschungsergebnisse lassen sich zum Teil auf den Menschen übertragen. Quelle: Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns

08.08.2013  - 

Bei Würmern, Hefen, Fliegen oder Nagern verlängert sich die Lebensspanne, wenn in ihrer Nahrung weniger Kalorien zur Verfügung stehen. Beim Fadenwurm ist dafür der Hormon-Rezeptor NHR-62 verantwortlich, haben Kölner Max-Planck-Forscher herausgefunden. Wie sie im Fachmagazin PLoS Genetics (2013, Online-Veröffentlichung) berichten, verlängert sich die Lebenserwartung enorm, wenn der Rezeptor aktiv ist und sich die Würmer kalorienarm ernähren. In einer zweiten Untersuchung (Cell Metabolism: 2013, Online-Vorabveröffentlichung) haben die Wissenschaftler beobachtet, dass das Rezeptorprotein NHR-8 das maximale Lebensalter bestimmt. Beim Menschen funktioniert es ähnlich, so die Forscher.

Was haben wir Menschen mit dem knapp einen Millimeter langen Fadenwurm Caenorhabditis elegans gemeinsam, der nicht einmal 1000 Zellen hat und kaum 20 Tage alt wird? Es sind die Gene, die uns mit dieser und vielen anderen Arten völlig andersförmiger Gruppen verbinden. Einige dieser Gene und Genprodukte sind sich sehr ähnlich, andere identisch. Schon deshalb eignet sich der Winzling als Modellorganismus für die Entwicklungsbiologen. Aber auch die geringe Zellzahl und der überschaubare Lebenszyklus erlauben tiefe Einblicke in die biologischen Abläufe. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung lassen sich auf viele Wirbeltiere übertragen. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns in Köln haben nun beschrieben, wie kalorienarme Kost in Zusammenhang mit Hormon-Rezeptoren das Leben der winzigen Bodenbewohner verlängert – und vielleicht auch unseres.

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Stoffwechsel-Rezeptoren unter Verdacht

Schon 1977 fanden US-Forscher heraus, dass die Lebenserwartung von C. elegans durch bestimmte Diäten von 20 bis zu 100 Prozent verlängert werden kann. Um herauszufinden, wieso das so ist, konzentrierten sich die Max-Planck-Forscher nun auf die sogenannten nuclear hormone receptors (NHRs). Diese Genschalter steuern die körperliche Entwicklung und den Stoffwechsel und regulieren damit verbundene Gen-Ausprägungen. Die Biologen vermuteten deshalb, dass die NHRs in Verbindung mit der Kaloriendiät metabolische Veränderungen hervorrufen, die die Lebenserwartung steigern. Die Vermutung liegt nahe: Eine Kaloriendiät senkt das Gesamtkörperfett und den Insulinspiegel und verbessert die Cholesterinwerte – beim Menschen und bei Nagern. Umgekehrt lässt sich feststellen, dass eine Überversorgung der entsprechenden Kalorien das Risiko erhöht, an Diabetes, Herzleiden, neurodegenerativen Leiden oder Krebs zu erkranken. Wohl gemerkt handelt es sich bei den betreffenden Diäten nicht um eine Mangelernährung sondern lediglich um eine konsequente Kalorienreduktion.

98. Folge von biotechnologie.tv: AltersforschungQuelle: biotechnologie.tvHormonrezeptor steuert den Einfluss der Ernährung

Beim Durchforsten des NHR-Sets der Fadenwürmer stießen die Entwicklungsgenetiker auf NHR-62. Der Fund: C. elegans lebt um bis zu 25 Prozent länger, wenn NHR-62 aktiv ist und gleichzeitig eine Kaloriendiät erfolgt. „Offenbar gibt es ein unbekanntes Hormon, das die Lebensspanne über NHR-62 kontrolliert. Wenn wir dieses Hormon finden und dem Wurm verabreichen, könnten wir möglicherweise seine Lebenszeit auch ohne den Umweg über die Kalorienzufuhr verlängern“, erklärt Adam Antebi vom Kölner Institut. Die Gegenprobe machten die Biologen indem sie NHR-62 ausschalteten oder manipulierten, woraufhin der lebensverlängernde Effekt ausblieb. Darüber hinaus fanden die Forscher heraus, dass NHR-62 die Aktivität von zahlreichen Genen beeinflusst. C. elegans verfügt in seinem Erbgut über etwa 23.000 Gene. Bei einer Diät konnten die Biologen bei 3.000 dieser Gene eine Aktivitätsänderung feststellen. Offenbar werden 600 davon direkt von NHR-62 gesteuert. Die Forscher schlossen aus ihren Ergebnissen auf das Vorhandensein vieler weiterer Kandidaten-Gene, die Einfluss auf die Lebenserwartung nehmen. Der Mensch besitzt sogenannte HNF-4 alpha Rezeptoren, die NHR-62 sehr ähnlich sind. Deshalb gehen die Wissenschaftler davon aus, dass HNF-4 alpha mitunter auch das maximale Lebensalter des Menschen kontrollieren könnte.

Weitere Rezeptoren steuern Reife

In einer weiteren Studie deckten die Forscher die Rolle eines weiteren NHR-Moleküls in Verbindung mit dem Einfluss der Ernährung auf. Schaltet man den Hormon-Rezeptor ab, verbleiben die Würmer länger als gewöhnlich in einem Jugendstadium, sterben dann aber früher. NHR-8 ist zuständig für den Cholesterol-Haushalt im Organismus. Einen ähnlichen Rezeptor gibt es auch bei Menschen. „Ohne ihn kann der Wurm aus dem Cholesterol nicht genügend Steroid-Hormone bilden und wird dadurch später geschlechtsreif. Außerdem verändert sich sein Fettstoffwechsel und seine Lebenserwartung sinkt“, sagt Antebi. Die körperliche Entwicklung könnte also auch beim Menschen vom Cholesterin-Abbau beeinflusst werden, vermuten die Alternsforscher.

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