Personalisierte Therapie gegen Darmkrebs im Visier
12.07.2013 -
Biomediziner von der Technischen Universität in München haben gemeinsam mit internationalen Kollegen bestimmte genetische Veränderungen aufgespürt, die der Entstehung von Darmkrebs zugrunde liegen. Dabei haben sie auch Krebsmedikamente identifiziert, die Prozesse bei der Tumorbildung spezifisch hemmen können. Damit haben die Mediziner Schritte hin zu einer personalisierten Darmkrebstherapie getan, die auf dem genetischen Profil der Tumoren individueller Personen basiert. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Cancer Cell (2013, Bd. 24, S.15) erschienen.
Jedes Jahr erkranken mehr als eine Million Menschen weltweit an Darmkrebs, der eine der häufigsten Todesursachen bei Krebspatienten ist. In Deutschland treten jährlich 73.000 Neuerkrankungen auf. Etwa 27.000 Menschen sterben hierzulande daran. Bei einem von zehn Darmtumoren liegt eine Mutation im sogenannten BRAF-Gen vor, das häufig auch beim Melanom (schwarzer Hautkrebs) mutiert ist. Während beim Melanom eine therapeutische Hemmung des mutierten Genvariante BRAF600E bereits erfolgreich eingesetzt wird, ist eine entsprechende Behandlung beim Darmkrebs bisher wirkungslos.
Mehr auf biotechnologie.de |
News: Darmkrebsvorsorge: Immun-Tests zuverlässiger News: Intelligenter Gencheck ermittelt Darmkrebs-Typ Förderung: BMBF stellt Aktionsplan zur Individualisierten Medizin vor |
Verändertes BRAF-Gen bei Mäusen untersucht
„Unser Ziel war es, zunächst molekulare Prozesse zu entdecken, die der Krebsentstehung zugrunde liegen und therapeutisch angegriffen werden können,“ sagt Roland Rad von der II. Medizinischen Klinik am Klinikum rechts der Isar und vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg. Das Team untersuchte die Entstehung von BRAF-assoziiertem Darmkrebs in Mäusen. Sie ersetzten dabei das BRAF-Gen in den Tieren mit einer mutierten Genversion, die bei menschlichen Tumoren vorkommt. Mäuse mit dem mutierten BRAF-Gen entwickelten zunächst hyperplastische Darmpolypen, die sich dann in bösartige Tumoren verwandelten. „Wir haben wichtige molekulare Akteure entdeckt, die Reihenfolge ihres Auftretens aufgezeigt und die molekularen Prozesse entschlüsselt, wie sie relativ gutartiges Zellwachstum in bösartigen Krebs verwandeln“, sagt Rad.
Durch Mutationen in bestimmten Genen kann die Bildung von Krebs ausgelöst werden. Solche Gene sind beispielsweise Onkogene oder Tumorsuppressor-Gene.Quelle: biotechnologie.tv
Abfolge von Mutationen treibt Darmkrebs an
In den Tieren mit Mutation entdeckten die Forscher eine Reihe von genetischen Veränderungen, die nach und nach aufgetreten waren und so die Entstehung von Darmkrebs in verschiedenen Entwicklungsstadien antrieben. Manche dieser Veränderungen aktivieren Gene wie BRAF, wodurch diese zu Krebsgenen werden. Andere Gene, die natürlicherweise die Krebsentstehung hemmen, werden hingegen inaktiviert.
Mausmodelle für Medikamententests
„Das Verständnis für die genetischen Veränderungen in verschiedenen Typen des Darmkrebses wird in Zukunft die therapeutische Entscheidungsfindung beeinflussen“, sagt Allan Bradley vom Wellcome Trust Sanger Institut in Cambridge. „Durch die Möglichkeit, ganz bestimmte Veränderungen in das Mausgenom einzubringen, können wir die Funktion von Krebsgenen untersuchen und Modellsysteme auf Organismus-Ebene für die unterschiedlichen Unterarten des Darmkrebses erschaffen. Solche Mausmodelle haben auch zunehmende Bedeutung bei der Testung von neuen Krebsmedikamenten, bevor man diese beim Menschen einsetzt.“ Wie sich zeigte, reagierten die Tumoren der Maus sehr ähnlich auf Medikamente wie die menschlichen BRAF-mutierten Tumoren.
Suche nach dem passenden Wirkstoff
Die Forscher untersuchten eine Vielzahl von Substanzen auf ihre Fähigkeit, das Wachstum von Tumoren der Maus und von menschlichen Darmkrebszellen zu hemmen. Sie fanden mehrere Medikamente, die allein oder in Kombination gute Wirkung zeigten. Dies ist ermutigend, denn es bedeutet, dass auch potenzielle Alternativ-Therapien zur Verfügung stehen, wenn sich Resistenzen gegenüber den zunächst eingesetzten Medikamenten entwickeln. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie man durch die Kombination von genetischer Information und der systematischen Suche nach Medikamenten neue zielgerichtete, personalisierte Behandlungsstrategien entwickeln kann,“ sagt der Münchner Mediziner Dieter Saur. „Unser Ziel ist es, die Krebstherapie in Zukunft bestmöglich auf die genetischen Veränderungen in den Tumoren des jeweiligen Patienten abzustimmen.“