Wochenrückblick KW 23

11.06.2012

Aigner verteidigt Nulltoleranz bei gv-Pflanzen

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CDU) wehrt sich Medienberichten zufolge gegen Pläne der EU, die Nulltoleranz bei nicht zugelassenen, gentechnisch veränderten Pflanzen aufzuheben.

Rapsfelder müssen umgepflügt werden, wenn das Saatgut versehentlich mit gentechnisch veränderten Pflanzen vermengt war.Lightbox-Link
Rapsfelder müssen umgepflügt werden, wenn das Saatgut versehentlich mit gentechnisch veränderten Pflanzen vermengt war.Quelle: Susanne Schmich/ pixelio.de
Wie die Süddeutsche Zeitung am 11. Juni berichtete, will die EU-Kommission die bisher geltende Nulltoleranz aufheben. In der Europäischen Union gilt für gentechnisch veränderte Organismen in Lebensmitteln bisher die Nulltoleranz: Was nicht zugelassen ist, darf nicht einmal in Spuren enthalten sein. An den Außengrenzen werden Lieferungen abgewiesen, in denen Spuren nicht zugelassener Lebensmittel gefunden werden. Die Nulltoleranz gilt nicht nur für den Import, sondern auch für die Produktion von Lebensmitteln innerhalb der EU. Bis 2011 galt sie auch für Futtermittel, wurde aber inzwischen gelockert. Futter-Soja darf inzwischen bis zu 0,1 Prozent an gv-Soja enthalten. Diese Mengen entstehen, wenn das Futter beim Transport in einem nicht ausreichend gereinigten Tank transportiert wird. EU-Verbraucherschutzkommissar John Dalli bezeichnete es deshalb als „logisch“, eine vergleichbare Toleranz auch bei Lebensmitteln einzuräumen. Aigner hat das Vorhaben der EU prüfen lassen und ist dabei zu der Erkenntnis gekommen, dass es auf unzulässige Weise die Transparenz und die Wahlfreiheit der Verbraucher einschränkt: "Wir haben von der EU immer eine Prozesskennzeichnung gefordert, dass alles, was irgendwann einmal mit Gentechnik in Berührung gekommen ist, gekennzeichnet wird - auch Futtermittel", sagte Aigner gegenüber der ARD. "Das will die EU-Kommission bisher nicht machen. Das steht auch im Koalitionsvertrag. Deshalb müssen wir da noch viel drüber reden."

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Kunden könnten nicht mehr eindeutig erkennen, ob sie wirklich ein gentechnikfreies Produkt kaufen. Damit stellt sich die CSU-Politikerin auch gegen den Koalitionspartner FDP. Der hatte, wie auch große Teile der Lebensmittelwirtschaft, zuletzt zustimmende Signale zum EU-Vorstoß gegeben. Aigner hatte auch 2009 den Anbau der gv-Maissorte MON810 der Firma Monsanto in Deutschland verboten (mehr...). Das Bundesverfassungsgericht stufte die Grüne Gentechnik 2010 als Hochrisikotechnologie ein. Die Nulltoleranz ist unter anderem für Imker und Mühlenbesitzer von Bedeutung, die für garantiert gv-freie Produkte besonderen Aufwand betreiben müssen.

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Bayer eröffnet Weizenzucht-Zentrum in Gatersleben

Im Biotech-Park Gatersleben eröffnet die Bayer-Agrar-Sparte CropScience ein neues Weizenzucht-Zentrum.

Im Biotech-Park Gatersleben eröffnet die Bayer-Sparte Cropscience ein neues Weizenzucht-Zentrum.Lightbox-Link
Im Biotech-Park Gatersleben eröffnet die Bayer-Sparte Cropscience ein neues Weizenzucht-Zentrum.Quelle: Bayer
Wie das Unternehmen am 7. Juni mitteilte, sollen in der neuen Niederlassung etwa 40 Mitarbeiter die gesamten Weizenzüchtungsaktivitäten des Konzerns in Europa koordinieren. „Die Eröffnung des Europäischen Weizenzuchtzentrums ist ein weiterer wichtiger Meilenstein für unsere Aktivitäten im Bereich Saatgut“, betonte Wolfgang Plischke, im Bayer-Vorstand verantwortlich für Innovation, Technologie und Nachhaltigkeit. Rund 1.400 Quadratmeter Labor- und Gewächshausflächen stehen zur Verfügung, um Weizensorten mit höherem Ertrag und verbesserten Eigenschaften für den mitteleuropäischen Markt zu entwickeln. Der Biotechnologiepark gehört zu den international bedeutendsten Forschungszentren für Kulturpflanzen und befindet sich auf einem gemeinsamen Campus mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung.

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Wochenrückblick: Gewalttätige Gentechnik-Gegner zerstören Versuchsfelder

Wochenrückblick: Grüne Gentechnik: Zwischen Einfuhrerlaubnis und Feldbesetzung

Noch ist der Biotechnologiepark auch ein Versuchsstandort für die Pflanzenforschung von BASF. Das Unternehmen hatte im Januar angekündigt, bis 2013 seine Pflanzenbiotechnologie-Sparte in Europa zu schließen, um sich auf die attraktiveren Märkte in Asien und Südamerika zu konzentrieren (mehr...). Dem Exodus, der auf die gentechnikfeindliche Stimmung in Europa zurückgeführt wurde, wird auch der BASF-Versuchsstandort in Gatersleben zum Opfer fallen. Bayer investiert weltweit rund 720 Millionen Euro jährlich in die Forschung und Entwicklung von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Es ist geplant, diese Summe bis 2015 auf rund 850 Millionen Euro zu erhöhen. Dann sollen auch die ersten neuen Weizensorten auf den Markt kommen.

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Max-Planck-Zentrum für Systembiologie in Dresden

Die Max-Planck-Gesellschaft gründet in Dresden ein Zentrum zur Erforschung von komplexen biologischen Systemen. Wie die Max-Planck-Gesellschaft am 4. Juni mitteilte, konnte als neuer Direktor mit dem US-Forscher Gene Myers ein Pionier der Bioinformatik gewonnen werden.

In der sächsischen Universitätsstadt gibt es bereits drei Institute der Max-Planck-Gesellschaft. Geleitet wird das „Zentrum zur Erforschung von komplexen biologischen Systemen“ von einem Star der Szene: Eugene W. Myers Jr. hat die junge Forschungsdisziplin Bioinformatik von Anfang an begleitet und auch selbst voran gebracht: So entwickelte er den BLAST-Algorithmus für den Abgleich von DNA-Sequenzen und später bei Craig Venters Celera Genomics auch den Algorithmus für das Zusammensetzen des menschlichen Genoms aus geschroteter DNA („shot gun sequencing“) mit.

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Der passenderweise einfach nur „Gene“ Myers Titulierte kommt vom Howard Hughes Medical Institut in Ashburn (USA). Der Sächsischen Zeitung verriet der 58-jährige, dass das neue, 24 Millionen Euro teure Institutsgebäude auf dem Gelände des Max-Planck-Instituts für Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) entstehen soll: „2015 werden dort dann 120 Spitzenforscher aus aller Welt arbeiten.“ Die MPG gründet das Zentrum mit Unterstützung der Klaus-Tschira-Stiftung. Neben dem Dresdner MPI-CBG ist auch die Technische Universität Dresden und die Landesregierung Sachsen daran beteiligt. Dreh- und Angelpunkt der Forschung werden diverse Mikroskopietechnologien bilden. Mit deren Hilfe möchte Myers die Konzentration und Lokalisation von Proteinen, Boten-RNAs und anderen Molekülen detailliert aufzeichnen. Wer kommuniziert in der Zelle mit wem? Und welche physikalischen Gesetzmäßigkeiten gelten dabei? Das sind die zentralen Fragen, denen Myers in Dresden auf den Grund gehen will.

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Der Kokain-Synthese auf der Spur

Forscher aus Jena haben eine der Schlüsselreaktionen bei der natürlichen Bildung von Kokain aufgeklärt.

Das Enzym MecgoR spielt eine Schlüsselrolle bei der Biosynthese von Kokain.Lightbox-Link
Das Enzym MecgoR spielt eine Schlüsselrolle bei der Biosynthese von Kokain.Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie/ D’Auria, Jirschitzka
Wie das Team des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie  in der Fachzeitschrift PNAS (2012, Online-Vorabpublikation) berichtet, haben die Wissenschaftler erstmals das Schlüssel-Enzym der Biosynthese von Kokain aufgespürt und konnten es mit molekularbiologischen Methoden in der Koka-Pflanze sichtbar machen. Das Kauen von Blättern des Koka-Strauches ist in Südamerika bereits seit Jahrhunderten weit verbreitet. Denn durch den Verzehr von Kokablättern lassen sich Müdigkeit, Hunger und Kälte verdrängen. Trocknet man die jungen Blätter, können sie bis zu 10 Prozent des Alkaloids Kokain enthalten. Ganz im Gegensatz zum Kokain in weißer Pulverform hat das Kauen der Kokablätter aber nur ein sehr geringes Suchtpotenzial. Die Wissenschaftler um Jan Jirschitzka und John D’Auria am Jenaer MPI ermittelten mit molekularbiologischen Methoden ein für die Kokain-Bildung essenzielles Enzym. Die Forscher vermuteten zunächst, dass dieses Enzym das gleiche wie das bereits bekannte SDR-Enzym (Short-chain Dehydrogenase/Reductase-Enzym) der Atropin-Synthese ist. Atropin zählt – wie auch sein Verwandter Kokain – zu den Alkaloiden und wird natürlicherweise in Nachtschattengewächsen wie der Tollkirsche gebildet. Die MPI-Wissenschaftler suchten deshalb nach SDR-Sequenzen im Genom der Kokapflanze.

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Zudem reicherten sie aus Extrakten von Kokablättern das entsprechende Protein an, reinigten es und isolierten nach Teilsequenzierungen des Polypeptids das dazugehörige Gen. Die Wissenschaftler erlebten aber eine Überraschung: „Die zur Atropin-Synthese analoge chemische Reaktion − die Umwandlung einer Ketogruppe zu einem Alkoholrest − erfolgt in Kokapflanzen durch ein ganz anderes Enzym als im Nachtschattengewächs, nämlich durch eine Aldo-Keto-Reduktase, die wir Methylecgonon-Reduktase (MecgoR) genannt haben“, so Jonathan Gershenzon, Direktor des MPI Jena. Während Atropin in den Wurzeln der Tollkirsche gebildet und dann in die grünen Pflanzenteile transportiert wird, ist das MecgoR-Enzym außerdem vor allem in besonders jungen Pflanzenteilen aktiv. Aus ihren Ergebnissen schließen die Forscher, dass die Biosynthesewege von Atropin und Kokain trotz der ähnlichen chemischen Umsetzung völlig unabhängig voneinander entstanden sind. Alkaloide werden im Pflanzenreich vor allem zur Abwehr von Fraßfeinden und anderen Schädlingen produziert. Sie kommen in sieben Pflanzenfamilien vor, darunter Kreuzblütler, Nachtschatten- und Wolfsmilchgewächse.

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Roche und Savira arbeiten gemeinsam an Grippe-Arznei

Das österreichische Unternehmen Savira Pharmaceuticals hat ein Kollaborations und Lizenzabkommen mit Roche unterzeichnet. Für bis zu 240 Millionen Euro sichert sich Roche damit die Rechte an einem präklinischen Influenza-Polymerase-Inhibitor.

Neben den üblichen Meilenstein- und Umsatzanteilen, die bei Entwicklungserfolgen ausbezahlt werden könnten, erhält Savira eine Vorabzahlung in nicht genannter Höhe sowie eine „operative Unterstützung“, wie Savira Pharmaceuticals am 4. Juni bekannt gab. Saviras Geschäftsführer, Oliver Szolar sagte: „Es ist schön zu sehen, dass sich die bereits existierende, erfolgreiche Forschungskollaboration mit der Virology Discovery Group von Roche in Nutley, New Jersey, damit deutlich ausgedehnt und mit substantiellen Ressourcen ausgestattet wird.“ Von Seiten Roches äußerte sich Vizepräsident Klaus Klumpp zufrieden: „Die Influenza-Polymerase ist ein vielversprechendes Target zur Bekämpfung der Grippe.“

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Weiter führte er aus, dass vor allem die Entwicklung von Resistenzen gegen die derzeit am Markt befindlichen Medikamente zu einem dringenden medizinischen Bedarf an Therapeutika mit neuen Wirkmechanismen führe. „Wir sind überzeugt, dass unsere gemeinsamen Bemühungen zu einem erfolgreichen, neuartigen Medikament zur Behandlung von Influenza führen werden“, gibt sich der Roche-Man optimistisch. Savira wurde 2009 in Wien als Spezialist für rationales Strukturdesign gegründet und auch von der Technologieagentur ZIT gefördert. Zu den Gründern gehört Stephen Cusack, der Leiter der EMBL-Außenstelle in Grenoble. Seinem Team gelang es vor einiger Zeit, wichtige Aktivitätszentren des Enzyms Influenza-Polymerase strukturell aufzuklären. Savira will nun Inhibitoren gegen diese Zielstrukturen entwickeln und damit sowohl die saisonale als auch pandemische Grippe bekämpfen.

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Wie Zellen ihre Mitte finden

Ein Forscherteam der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) hat einen wichtigen Mechanismus bei der Zellteilung entdeckt.

Wie sie im Fachjournal Cell (2012, Online-Vorabpublikation) beschreiben, verhindern bestimmte Proteine, dass sich die Zelle an der falschen Stelle teilt. Bei der Zellteilung verdoppelt die Zelle zunächst ihre Bestandteile und schnürt sich dann in der Mitte ein. Das LMU-Team erklärt in einem neuen Modell, wie Bakterien mit Hilfe selbst organisierender Proteine ihre eigene Form "spüren" und damit ihre eigene Mitte finden.

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News: Wo die Chromosomen-Anker festmachen

Wochenrückblick: Lebenden Zellen vollautomatisch auf der Spur

Bestimmte Eiweiße in Bakterien, sogenannte Min-Proteine, verhindern die Zusammenschnürung der Zellwand. Sie pendeln in der Zelle hin und her und verteilen sich so, dass nur in der Zellmitte eine Teilung möglich ist. "Die Geometrie der Zelle bestimmt dabei die Muster der bevorzugten Aufenthaltsorte der Proteine", sagt der LMU-Physiker Erwin Frey. "In stabförmigen Zellen bilden sich Streifenmuster, in runden Zellen dagegen im Kreis laufende Wellen." Die abwechselnde Bindung an die und Ablösung von der Zellmembran lässt die Proteine pendeln. Das neue Modell reproduziert die experimentell beobachteten Muster auch für verschiedene Bedingungen, beispielsweise unterschiedliche Umgebungstemperaturen. Es zeigt, dass alleine die Zellgeometrie – und nicht etwa der Konzentrationsunterschied oder die Stärke der Membranbindung – bestimmt, welche Art von Muster sich bildet. Die Wissenschaftler sprechen von einem kanalisierten Teilchentransfer. Die Arbeit wurde im Rahmen des Exzellenzclusters „Nanosystems Initiative Munich“ gefördert.

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