Wochenrückblick KW 06

13.02.2012

Denisova-Mensch: Komplettes Genom im Internet

Das Genom des sogenannten Denisova-Menschen liegt jetzt vollständig vor.

Die südsibirische Denisova-Höhle gilt als Mekka für Anthropologen. Hier wurde das Knochenfragment gefunden, aus dem das Genom einer neuen Frühmenschenart sequenziert wurde.Lightbox-Link
Die südsibirische Denisova-Höhle gilt als Mekka für Anthropologen. Hier wurde das Knochenfragment gefunden, aus dem das Genom einer neuen Frühmenschenart sequenziert wurde.Quelle: MPI-EVA
Anthropologen um Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie haben die Erbinformation aus einem Knochen des in Sibirien entdeckten Frühmenschen entschlüsselt und am 8. Februar über das Internet zugänglich gemacht. Der fossile Fingerknochen war 2008 von russischen Wissenschaftlern in der Denisova-Höhle in Südsibirien entdeckt worden. Erste Analysen ergaben, dass er einer Frau gehörte, die zu einer vor rund 40.000 Jahren ausgestorbenen Menschenform gehört. Dieser „Denisova-Mensch“ ist wie der Neandertaler kein direkter Vorfahre des modernen Menschen, aber nach den in Südfrankreich entdeckten Frühmenschen der evolutionsbiologisch nächste Verwandte des modernen Menschen. Für die Analyse entwickelten die Leipziger Forscher ein neues Verfahren, das es ermöglicht, jede Base innerhalb des Genoms bis zu 30mal zu lesen. Die dafür benötigte DNA wurde aus weniger als zehn Milligramm des Fingerknochens gewonnen. Diese vollständige Version des Genoms ermöglicht es, selbst die mütterlich und väterlich vererbten Genkopien zu unterscheiden.

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Damit ist das Denisova-Genom die erste Erbinformation eines Frühmenschen, die in so hoher Qualität vorliegt. Bereits 2010 hatten Pääbo und sein Team eine erste Genanalyse der Denisova-Menschenfrau veröffentlicht (mehr...). Demnach gehörten die Knochen zu einer Frühmenschengattung, die vor 30.000 bis 50.000 Jahren parallel zu Neandertaler und modernen Menschen lebte. Die mit herkömmlichen Verfahren erstellte Analyse klärte die genetischen Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Denisova-Menschen, Neandertalern und Homo sapiens, konnte aber nicht die Evolution spezifischer Teile des Genoms auflösen. Anthropologe Pääbo geht davon aus, dass die jetzt entschlüsselte Erbinformation auch neue Aspekte in der Geschichte der Frühmenschen offenlegen wird. „Wir hoffen, dass Biologen dieses Genom nutzen werden, um genetische Veränderungen aufzuspüren, die für die Entwicklung moderner menschlicher Kultur und Technologie wichtig waren, und die es dem modernen Menschen ermöglichten, vor 100 000 Jahren in kurzer Zeit von Afrika ausgehend die ganze Welt zu besiedeln.“

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Linde AG sichert sich Biogas-Verfahren

Eine Tochter des Mischkonzerns Linde AG hat sich ein wichtiges Technologie-Portfolio zur Herstellung von Synthesegas gesichert. Wie das Unternehmen am 9. Februar bekannt gab, hat die Linde Engineering Dresden GmbH die sogenannte Carbo-V-Technologie von der insolventen Choren Industries GmbH im sächsischen Freiberg erworben. Das erzeugte Gas kann unter anderem für die Produktion von Biokraftstoffen der zweiten Generation genutzt werden. In einem mehrstufigen Verfahren wird Biomasse dabei zunächst zu Schwelgas und Biokoks umgesetzt, aus denen schließlich ein teerfreies Synthesegas entsteht. Dieses ließe sich dann beispielsweise zu Kraftstoffen weiterverarbeiten. Nach Einschätzung des Insolvenzverwalters Bruno Kübler ist die Linde AG der weltweit „ denkbar qualifizierteste Partner“für die Weiterentwicklung des Verfahrens: „Es besteht damit eine echte Chance, dass die von Choren entwickelte Carbo-V-Technologie Marktreife erlangt."

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Linde kündigte an, die Technik zunächst „auf dem Papier“ weiterentwickeln zu wollen. Das Unternehmen werde die Carbo-V-Technologie sowohl als Lizenzgeber als auch als Anlagenbauer für kommerzielle Projekte anbieten, sagte Jörg Linsenmaier, Geschäftsführer der Linde Engineering Dresden.  Die Choren Industries hatte Anfang Juli 2011 zusammen mit ihren zwei deutschen Tochtergesellschaften Insolvenz angemeldet, nach Informationen des Insolvenzverwalters wegen „Finanzierungsschwierigkeiten bei der Inbetriebnahme der Synthesegas-Demonstrationsanlage.“ Seit 1990 hatte Choren mindestens 30 Millionen Euro Fördermittel erhalten, allein 13 Millionen Euro aus dem europäischen Fonds für Regionalentwicklung. Nach Recherchen des MDR soll die Firma allerdings mit geschönten Zahlen eine wirtschaftliche Herstellung von Kraftstoffen aus Biomasse vorgetäuscht haben. Tatsächlich seien in der großtechnischen Versuchsanlage nur geringe Mengen Kraftstoff „für Marketingzwecke" erzeugt worden, heißt es. Von den ehemals 290 Choren-Mitarbeitern sollen vorerst 65 weiterbeschäftigt werden. 

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Spur der Pilze

Ein neuer Biochip ermöglicht es, die Pilzarten und ihre Funktion in einem Ökosystem zu analysieren.

Sporen des Penicillinpilzes. Von den vermutlich 1,5 Millionen existierenden Arten sind nur 46 000 erforscht.Lightbox-Link
Sporen des Penicillinpilzes. Von den vermutlich 1,5 Millionen existierenden Arten sind nur 46 000 erforscht.

Forscher der Universität Bayreuth beschreiben in der Fachzeitschrift Microarrays (2012, Bd. 1, Seiten 25-41) den von dem Mykologen Gerhard Rambold und seiner Arbeitsgruppe entwickelten EcoChip, dessen Prototyp am 10. Februar in Bayreuth vorgestellt wurde. Der Biochip macht es möglich, Boden- und Pflanzenproben mit einer bisher unerreichten Genauigkeit auf die darin vorkommenden Pilzarten zu untersuchen.

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Allein dies bewerten die Forscher als großen Fortschritt – weltweit gibt es schätzungsweise 1,5 Millionen verschiedene Pilzarten, von denen bisher aber erst 46.000 bekannt sind. Entscheidend ist, dass der Biochip Nukleinsäureproben analysiert. Diese werden mit Farbstoffen markiert und mit der Oberfläche des EcoChips in Kontakt gebracht. Aufgrund der so entstehenden Signale lassen sich die Pilzarten analysieren, und Einblicke in ihre Funktion innerhalb des Biosystems ermitteln. Die aus der Genanalyse bekannte Chip-Technologie wurde damit auf die Ökosystemforschung erweitert. Im Unterschied zur Genanalyse analysiert EcoChip nicht die DNA, sondern unterstützt die Entschlüsselung des Transkriptoms der durch Abschriften der DNA entstehenden RNA. Diese steuert die Bereitstellung von Proteinen, mit denen die Pilze ihre Funktion im Ökosystem wahrnehmen, eine RNA-Analyse erklärt also auch, wie die Organismen mit ihrer Umwelt interagieren. Nach der Gendiagnostik hat sich die Chiptechnologie damit auch für die Ökosystemforschung bewährt.


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27 Millionen Euro für deutsch-französische Forschung

Für deutsch-französische Forschungsvorhaben unter anderem im Bereich der Biotechnologie stellen die beiden Länder 2012 einen eigenen Fonds bereit.

Wie das Bundesforschungsministerium (BMBF) am 7. Februar bekannt gab, unterzeichnete Bundesforschungsministerin Annette Schavan auf dem deutsch-französischen Ministerrat in Paris ein entsprechendes Abkommen. Es geht darum, die Akteure in den Forschungslandschaften von Deutschland und Frankreich weiter zu vernetzen. Frankreich ist unter den europäischen Ländern der wichtigste Partner Deutschlands. Der Fonds ist vor allem für Kooperationen in der Gesundheit, der Biotechnologie, der Umweltforschung, in den Sozialwissenschaften sowie bei den Projekten mit wichtigen nichtenergetischen Rohstoffen und Höchstleistungsrechnern gedacht.

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 In der Biotechnologie konzentriert sich die Förderung auf die Bioindustrie und die Pflanzenbiotechnologie. Das BMBF will hier auf mehreren bereits bestehenden deutsch- französischen Initiativen, wie der europäischen Phänotypisierungsplattform für Nutzpflanzen, aufbauen. „Forschung, Technologie und Innovation sind zentrale Wachstumsfaktoren für eine Volkswirtschaft. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise sind Deutschland und Frankreich entschlossen, ihre Zusammenarbeit in diesen Bereichen signifikant auszubauen“, sagten Schavan und ihr französischer Amtskollege Lauren Wauquiez anlässlich der Unterzeichnung. „Mit den getroffenen Vereinbarungen erhält die deutsch-französische Forschungskooperation eine neue Qualität.“

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Alzheimer: Früherkennung durch neuen Test

Ein neuer Test ermöglicht es, die Alzheimer-Demenz bereits in einem sehr frühen Stadium zweifelsfrei zu diagnostizieren.

Wie ein internationales Forscherteam um Harald Hampel von der Frankfurter Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik im Journal of Alzheimer´s Disease (2012, Online-Vorabpublikation) beschreibt, basiert dieser Test auf dem Nachweis krankheitstypischer Proteine im Nervenwasser.

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Wochenrückblick: Alzheimer: Verräterische Eiweiße in der Nase

Die übermäßige Ablagerung des Eiweißstoffs beta-Amyloid im Gehirn gehört zu den Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit. Die Eiweißablagerungen, auch als „Alzheimer-Plaques“ bezeichnet, stören die Funktion der Nervenzellen im Gehirn und führen zu irreparablen Schäden. Hampel und seine Kollegen aus Schweden, Deutschland und den USA konnten nachweisen, dass die Konzentration dieser schädlichen Eiweiße im Nervenwasser von Alzheimer-Patienten bereits stark erhöht ist, bevor erste Symptome auftreten.  Mit zunehmenden Krankheitssymptomen – Gedächtnisstörungen und andere kognitive Defizite – nimmt sie sogar weiter zu. „Dies ist ein bahnbrechender Befund, da die meisten anderen bisher verfügbaren Nachweismethoden, sogenannte Biomarker, für Alzheimer deutlich weniger sicher den Schwund der geistigen Fähigkeiten anzeigen können“, erklärt Hampel. Um die Ergebnisse dieser Studie zu bestätigen und den Test bei Patienten einsetzen zu können, seien jedoch weitere Studien nötig. Bei Erfolg könnte der Test in Zukunft auch dazu eingesetzt werden, um Medikamente zu testen, die die Bildung von Alzheimer-Plaques verhindern oder stoppen beziehungsweise bereits bestehende Eiweißablagerungen auflösen sollen. Deutschlandweit leiden etwa 700.000 Menschen an der Alzheimer-Demenz, es wird erwartet, dass die Zahl der Patienten weiter steigt. Bisher gibt es kein Heilmittel für die Krankheit, die therapeutische Hoffnung liegt in einer frühen Diagnose, verschiedene Medikamente können bisher das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen. Darmstädter Wissenschaftler haben vor einigen Monaten herausgefunden, dass sich das Alzheimer-Protein Tau schon frühzeitig in der Nasenschleimhaut nachweisen lässt (mehr...). Zumeist wird Alzheimer jedoch erst diagnostiziert, wenn die Symptome bereits fortgeschritten sind und diese Medikamente kaum noch helfen.

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Eine statt drei: Chilenische Landschildkröte hat nur eine Art

Die chilenische Landschildkröte zeigt in Südamerika einen weniger großen Artenreichtum als ursprünglich angenommen.

Argentinische Landschildkröte. Äußerlich verschiedene Arten haben dennoch die gleichen Gene.Lightbox-Link
Argentinische Landschildkröte. Äußerlich verschiedene Arten haben dennoch die gleichen Gene.Quelle: Peter Praschag

Wie eine Arbeitsgruppe um den Leiter der Dresdner Naturhistorischen Sammlungen, Uwe Fritz, in der Fachzeitschrift Zoologica Scripta (2012, Online-Vorabpublikation) beschreibt, sind die drei Arten der Landschildkröte Chelonoidis donosobarrosi, Chelonoidis chilensis und Chelonoidis petersi zwar äußerlich sehr verschieden, genetisch aber fast identisch. „Wir haben das Erbgut dieser Tiere untersucht und nur vernachlässigbar geringe Unterschiede feststellen können“, sagt Fritz. „Daher gehen wir davon aus, dass es sich nur um eine einzige Art handelt.“ Die Argentinische Landschildkröte ist verwandt mit der berühmten Galapagos-Schildkröte. Das unterschiedliche Erscheinungsbild der Tiere führen die Dresdner Forscher zurück auf die Bergmannsche Regel, der zufolge die Körpergröße vieler Tiere zum Süden hin zunimmt und im Norden abnimmt. So variiert auch die Panzerlänge von Chelonoidis chilensis zwischen 27 und 43 cm, weswegen man Tiere aus dem Norden und Süden des Kontinents wohl bisher verschiedenen Arten zugeordnet hat. Umgekehrt verhält es sich mit den Genen: Im Süden Südamerikas ist die genetische Vielfalt der Schildkröten weniger ausgeprägt als bisher angenommen.

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Die Dresdner Entdeckung zur genetischen Einheit der drei Schildkrötentypen bestätigt damit auch eine Beobachtung, die bereits auf der Nordhalbkugel gemacht wurde: Die genetische Vielfalt der Tiere nimmt mit zunehmendem geografischen Breitengrad ab. Der Äquator bildet eine Art Spiegel, auf der Südhalbkugel müsste demnach die genetische Vielfalt der Schildkröten im Norden größer sein als im Süden. Erklärt wird dies mit den Eiszeiten: Die Tiere in Äquatornähe hatten bessere Überlebenschancen, die im Norden starben aus oder wanderten Richtung Äquator. Nach Ende der Eiszeit wurde von hier der Norden wieder besiedelt. „Auf beiden Hemisphären nimmt die genetische Diversität in höheren Breitengraden mit zunehmender Entfernung vom Glazialrefugium ab“, erklärt Fritz. „Erstaunlich fanden wir aber, dass die Schildkröten in relativ kurzer Zeit den südlichen, vormals lebensfeindlichen Raum zurückerobert haben.“ Seine Theorie: Die langsamen Landtiere wurden durch Hochwasser und auf Treibgut flussabwärts getragen, und besiedelten so binnen 10.000 Jahren wieder den gesamten Kontinent.

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