Affenrevolte dank Gentherapie

Der gentherapeutische Wirkstoff ALZ-113 verleiht dem Schimpansen Caesar herausragende kognitive Fähigkeiten. Der Startschuss für eine Revolte der Affen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Der gentherapeutische Wirkstoff ALZ-112 verleiht dem Schimpansen Caesar herausragende kognitive Fähigkeiten. Das Mittel löst eine folgenreiche Revolte der Affen in San Francisco aus. Quelle: Twentieth Century Fox Film Corporation

12.08.2011  - 

Der römische Feldherr Cäsar war ein kluger Mann. Seine jüngste Reinkarnation ist ein Affe – und vielleicht noch klüger als das historische Original. Gerade ist „Planet der Affen- Prevolution“ in den deutschen Kinos angelaufen. Endlich ist geklärt, warum die Affen die Herrschaft übernehmen konnten. Ein kalifornisches Biotechnologie-Unternehmen namens Gen-Sys experimentiert mit einer Gentherapie, die Alzheimer heilen soll. Es wirkt, jedoch anders als gedacht. Die Versuchs-Affen werden von dem Biopharmazeutikum über Nacht verdammt intelligent – so sehr, dass sie den Aufstand wagen. biotechnologie.de überprüft den Film auf seinen Faktengehalt – von der Neurogenese über virale Vektoren bis hin zu realen Affenexperimenten in der Forschung.



Der junge Schimpanse Cäsar spielt gerne mit einem kleinen Modell der Freiheitsstatue – bald wird sie in Schutt und Asche liegen. „Prevolution“ erzählt die ersten Momente der Geschichte, wie die Affen die Welt übernahmen, und ist damit sozusagen das Vorwort zu den insgesamt sechs Filmen, die bisher bereits rund um den Planet der Affen gedreht wurden. In Rupert Wyatts aktueller Variante gehört die Geschichte allerdings zum ersten Mal den Affen selbst. Sie sind keine Menschenverschnitte mit ein paar Brusthaaren mehr als Charlton Heston. Die neuen Affen sind ganz Tiere und bleiben es selbst, als sie plötzlich unheimlich intelligent werden. Das geschieht durch ein Alzheimer-Medikament, das der Molekularbiologe Will (James Franco) entwickelt.

ALZ-112 lässt Nervenzellen wieder sprießen

Es ist eine Gentherapie, also eine Erbgut-Sequenz, die via Virusfähre in Zellen eingebaut wird. Im  Gehirn regt das Präparat ALZ-112 die Neubildung von Nervenzellen an, die Forscher sprechen von Neurogenese. Bei Alzheimerpatienten wie Wills Vater, an dem der ambitionierte Jungforscher sein Medikament illegalerweise ausprobiert, führt das zur Wiederherstellung verlorengegangener Fähigkeiten. Die Schimpansen wiederum, an denen Will herumexperimentiert, erlangen durch ALZ-112 eine höhere Bewusstseinsstufe. Cäsars Mutter war mit ihm schwanger, als sie ALZ-112 verabreicht bekam und hat es an ihn weitergegeben. Cäsar wächst als Ersatzkind von Will und seiner hübschen Primatenforscher-Partnerin Caroline (Freida Pinto) auf, weigert sich aber standhaft, ein Mensch zu werden. Deshalb kommt er in eine Art Affenverwahranstalt, in der die Affen inhuman behandelt werden. Der einzige Ausweg zu einem affenwürdigen Leben ist die Revolution, die Cäsar anzettelt.

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Mit Cäsar ist zum ersten Mal – Lassie hin, Free Willy her – ein Tier die alleinige Identifikationsfigur in einem Film. Die Menschen spielt Cäsar an die Wand. Das liegt zum einen an der weiter ausgereiften Motion Capture Technik, mit der auch feinste Gesichtsregungen der Affendarsteller erfasst werden, zum anderen an Andy Serkis, der schon als Gollum die interessanteste Figur in "Herr der Ringe" abgab. Jetzt lässt er den Werdegang von Cäsar vom vertrauensvollen feinpelzigen Baby zum verbitterten Affengeneral glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen. "Prevolution" hat jenseits der brüllenden und kanaldeckel-werfenden Affenmeute einen ganz ruhigen Kern: geht es um das Einzige, was Affen und Menschen trennt: der Grad der Intelligenz. Und das, was sie eint: das Recht auf Würde.

Umgeben wird dieser Kern von einer dicken Schicht Wissenschaft, genauer gesagt der Biotechnologie. Diese Hülle hat erstaunlich wenige Löcher, die Macher vom „Planet der Affen“ haben offenbar gründlich recherchiert, vielleicht sogar auf biotechnologie.de. Über einiges, was im Film erwähnt wird, wurde an dieser Stelle schon berichtet. Andere Inhalte sind vielleicht heute noch nicht möglich, aber durchaus denkbar, wie biotechnologie.de auf Nachfrage von Gentherapeuten und Neurobiologen erfuhr.

Cäsar probt den Aufstand und protestiert gegen die unwürdige Behandlung durch die Menschen. In der EU sind Versuche an Menschenaffen verboten.Lightbox-Link
Cäsar probt den Aufstand und protestiert gegen die unwürdige Behandlung durch die Menschen. In der EU sind Versuche an Menschenaffen verboten.Quelle: Twentieth Century Fox

Gentaxis aus verkrüppelten Viren

Tatsächlich laufen bereits klinische Studien, bei denen eine Gentherapie an Demenz-Patienten erprobt wird, insbesondere in den USA, in Großbritannien und in Frankreich. Armin Blesch leitet die Sektion Neuroregeneration an der Klinik für Paraplegiologie an der Universität Heidelberg. Bis zu seinem Wechsel nach Heidelberg im vergangenen Jahr hat er im kalifornischen San Diego miterlebt, wie intensiv dort an molekularen Therapien für Parkinson und Alzheimer geforscht wird.  „Viele Studien sind sogar schon weit fortgeschritten und befinden sich in Phase II oder III“, sagt Blesch. Die Strategie der experimentellen Therapien ähnelt stark dem Vorgehen im Film. Sie basieren auf dem genetischen Informationsabschnitt für einen Wachstumsfaktor, der mit Hilfe eines viralen Gentaxis in das Erbgut von Nervenzellen eingeschleust wird.

Viren als Gen-Vehikel wird seit jeher viel Skepsis entgegengebracht. Auf der Leinwand erfüllen sich die düstersten Vorahnungen. Zum Ende deutet sich an, dass sich die virale Komponente im Präparat ALZ-113 verselbständigt. Sie löst eine für Menschen todbringende Pandemie aus, die Affen bleiben hingegen davon verschont. Leibniz-Preisträger und Gentherapie-Spezialist Christoph Klein von der Kinderklinik der LMU München (mehr...) kann zumindest in diesem Punkt beruhigen: „Wir verwenden in der Gentherapie ausschließlich verkrüppelte Viren als Gentaxis. Sie können bestimmte Zellen ansteuern, ihre Fracht abladen, sich aber nicht mehr vermehren“. Befürchtungen, dass Genfähren sich nach einer Freisetzung ungehindert vermehren, hätten sich nie bewahrheitet, betont Klein.

Eine Herausforderung der Biomediziner heutzutage ist allerdings, wie die gentechnische Medizin ins Gehirn gelangt. In den schon laufenden klinischen Studien werden die gentechnisch veränderten Zellen im Zuge eines chirurgischen Eingriffs in bestimmte Hirnareale gespritzt. Im Film wird die Genarznei entweder in die Blutbahn injiziert oder sie wird als eine Art Spray eingeatmet. Scheinbar spielend scheint das Mittel dabei eine natürliche Barriere, die Blut-Hirn-Schranke, zu überwinden. Das geht in Realität so einfach nicht. „Retroviren sind viel zu instabil und werden in Wirklichkeit direkt vom Immunsystem neutralisiert“, sagt der Heidelberger Forscher Blesch. Der Neurobiologe hält es jedoch für generell denkbar, dass man Gentaxis entwickeln könnte, die die Blut-Hirnschranke überwinden. Auch gebe es bei Nagetieren erste Hinweise darauf, dass sich Eiweißmoleküle direkt über die Nase hochziehen lassen und so ihren Weg ins Gehirn finden.

Über Nacht wirkt die Gentherapie nicht

Auch die Bekämpfung von Alzheimer durch die Vergrößerung der Gehirnkapazität ist exotisch, aber nicht undenkbar. „Alle bisher getesteten Therapien haben vor allem zum Ziel, das Absterben von Nervenzellen im Gehirn zu stoppen und die noch existierenden Zellen zu schützen“, sagt Norbert Weidner (zu seinem Profil...), Direktor der Heidelberger Klinik, an der auch Armin Blesch arbeitet. Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer würden dadurch höchstens in ihrem Verlauf abgemildert, so Weidner, eine Steigerung der kognitiven Fähigkeiten sei hier nicht zu erwarten. Doch ganz abwegig ist die Leistungssteigerung, die im Film sowohl den Alzheimer-dementen Vater wie auch den Schimpansen zu geistigen Höhenflügen verhilft, nicht. „Neue Nervenzellen werden im Gehirn an zwei Orten, der Subventrikularzone und dem Hippocampus gebildet“, sagt Weidner. Gerade im Hippocampus seien wichtige kognitive Funktionen verankert. „Es gibt zwar Hinweise darauf, dass eine gesteigerte Neurogenese mit erhöhten kognitiven Fähigkeiten einhergeht“, sagt Weidner, „praktisch umsetzbar ist das aber noch nicht.“

Klar ist jedoch: über Nacht wirkt eine Gentherapie nicht – hier haben die Drehbuchautoren kräftig übertrieben. „Neurogenese passiert sicher nicht von heute auf morgen. Das ist ein Prozess von Monaten und Jahren“, sagt Friedemann Paul, Neuroimmunologe an der Berliner Charité. Nervenzellen müssten sich nicht nur vermehren, sondern auch in das neuronale Netzwerk integrieren. Hier gebe es noch reichlich Forschungsbedarf. Dass man mittels einer Gentherapie die kognitiven Funktionen steigern kann, hält der Berliner Forscher zudem für zu weit hergeholt. „Spannend und durchaus denkbar" findet der Berliner Forscher allerdings, dass der Körper des vermeintlich geheilten Vaters im Film plötzlich Antikörper gegen Präparat ALZ-112 entwickelt, die seine Wirkung zunichte machen. Dass ein Medikament Gegenreaktionen im Körper auslöst, sei eine durchaus plausible Komplikation.

Gentherapie bei Alzheimer
Die kalifornische Firma Ceregene in San Diego entwickelt eine Gentherapie zur Behandlung von Alzheimer-Patienten. Dabei wird mittels Adenoviren ein Wachstumsfaktor in Nervenzellen eingeschleust, diese müssen dann noch im Zuge eines chirurgischen Eingriffs ins Gehirn implantiert werden. Klinische Studien der Phase II laufen.

Zur Website von Ceregene: hier klicken

In der EU sind Versuche mit Menschenaffen verboten

Die Revolution der Affen wird hoffentlich nie Wirklichkeit werden, eine Therapie für Alzheimer, die so ähnlich wie jene im Film funktioniert, könnte es durchaus einmal geben. An Affen wird sie wohl nicht ausprobiert werden. In der EU sind Versuche mit Menschenaffen seit September 2010 verboten. Die Realität war der Politik in diesem Punkt allerdings voraus. „Seit geraumer Zeit, wenn ich richtig informiert bin seit 2003, werden in Europa keine Tierversuche mehr an Menschenaffen durchgeführt“, sagte Franz-Josef Kaup, der Tierschutzbeauftragte am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen, als die EU-Richtlinie damals verabschiedet wurde.

In Deutschland sei es schon seit einem viel längeren Zeitraum üblich, dass keine Menschenaffen mehr benutzt würden, so Kaup gegenüber dem Deutschlandfunk. Der Neurobiologe Andreas Kreiter studiert an der Universität Bremen die kognitiven Fähigkeiten von Makaken. Die Versuche wurden in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert (mehr...). Vor kurzem hat Kreiter einen Antrag auf Verlängerung seiner Ende November auslaufenden Versuchsgenehmigung gestellt. 

Für die Forschung sind Menschenaffen trotzdem von Interesse. Das Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie beobachtet die Tiere in Zusammenarbeit mit dem dortigen Zoo. „Tierversuche werden bei uns nicht durchgeführt“, betont Zookoordinator Johannes Grossmann. Für das MPI seien daher vor allem die strengen Vorschriften zur Zootierhaltung wichtig. Verbände wie die European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) geben detaillierte Richtlinien heraus, wie Tiere unterzubringen und zu versorgen sind. Zustände wie in der Affenverwahranstalt, in der Cäsar untergebracht ist, sind für Experten in Europa kaum vorstellbar.

Autoren: Christoph Mayerl, Philipp Graf, Bernd Kaltwaßer 

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