Turbo für Wundheilung bei Zahnimplantat

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Nach einem Besuch beim Kieferchirurgen ist es mit dem Lächeln oft auf Wochen vorbei. Eine Proteinbeschichtung auf dem Implantat könnte die Wundheilung beschleunigen. Quelle: Thommy Weiss/pixelio.de

28.06.2011  - 

Zahnimplantate sind eine unangenehme Angelegenheit: Nach einer Operation dauert es Wochen, bis die Wunde verheilt ist, und Monate können ins Land gehen, bis man auf dem neuen Zahn normal kauen kann. Der Körper nimmt das Implantat nur sehr langsam an. Zunächst einmal entsteht eine Entzündung. Die bildet sich erst zurück, wenn sich der Knochen rund um das Transplantat regeneriert hat. Die Immundiagnostik AG in Bensheim hat eine Möglichkeit gefunden, diesen Prozess zu beschleunigen: Ein spezieller Belag sorgt dafür, dass knochenbildende Zellen sofort am Implantat andocken und dort wachsen. Das Projekt wird im Rahmen des Initiative „KMU innovativ“ vom Bundesforschungsministerium mit rund 155.000 Euro gefördert.

Die wichtigste Komponente der neuartigen Beschichtung ist ein ganz bestimmtes Molekül: das Bone Sialoprotein (BSP). Hierbei handelt es sich um ein Eiweiß, das normalerweise von den knochenbildenden Osteoblasten gebildet wird. Das zucker- und phosphorhaltige Molekül sorgt dafür, dass die Osteoblasten am Untergrund andocken können und beginnen, Kalzium zu bilden, den Grundstoff für neuen Knochen. „Reifung und Verbreitung der Blasten funktionieren nur gut, wenn diese Matrixproteine in ausreichender Form vorhanden sind“, erklärt Franz Paul Armbruster, der bei der Immundiagnostik AG für das Implantat-Projekt zuständig ist.

Die Osteoblasten fühlen sich gleich zuhause

Ausgangspunkt ist ein Problem, das Zahnärzte und vor allem leidgeprüften Patienten nicht unbekannt ist. „Wenn die Osteoblasten mit einer fremden Oberfläche in Berührung kommen, finden sie keine Stelle zum Anheften – und schwuppdiwupp zieht sich der Knochen zurück“, erklärt Armbruster. Oft dauert es deshalb Monate, bis die letzten Entzündungserscheinungen nach dem Einsetzen eines Implantats verschwunden sind. „Wenn man die Oberfläche des Implantats nun mit BSP versieht“, so Armbruster, „fühlen sich die Blasten gleich zuhause und können zwei bis drei Wochen eher mit dem Knochenaufbau beginnen.“ Gleichzeitig fällt die Entzündung milder aus.

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Die Herausforderung für die Wissenschaftler lag nun zunächst darin, das gewünschte Eiweiß BSP in ausreichender Form herzustellen. Das ist knifflig. Denn das Protein ist hoch glykosyliert, also „verzuckert“. An jedem Eiweißmolekül sind mehrere Zuckerketten angeflanscht. Das macht es zum einen schwer, die Menge des Proteins in einer Probe genau zu schätzen. Zum anderen besitzen die Zuckerteilchen eine variierende, stark oder schwach negative Ladung. Das macht die Aufreinigung schwierig, also die Trennung des BSP von den Resten der Produktionszellen. „Damit kann nicht jeder umgehen“, sagt Armbruster. Doch inzwischen haben die Wissenschaftler es geschafft, BSP in reiner Form mit einer menschlichen Nieren-Zelllinie herzustellen. Darüber hinaus konnten die Forscher ein  Messverfahren entwickeln, mit dem sich das bisher schwer nachweisbare BSP über besondere Färbemethoden identifizieren lässt. Derzeit arbeiten die Forscher am nächsten Schritt: Sie wollen ihre BSP-Beschichtung im Tiermodell testen. In sechs bis sieben  Jahren, so die Hoffnung, könnte dann eine markttaugliche Beschichtungslösung fertig sein.

Neue Art der beschleunigten Wundheilung

Bei dem Projekt kooperieren die Wissenschaftler der Immundiagnostik AG mit der Universität Mainz. Diese entwickelt Silikate – neben Kalzium und Phosphor eine der wichtigsten Komponenten für den Knochenbau. „Mit BSP und Silikaten in einer genau definierten Konzentration erreichen wir die optimale Einwachsdauer“, ist Armbruster überzeugt. Die bisherigen Ergebnisse seien „so gigantisch, gewaltig positiv“, dass der Projektleiter schon ein Folgeprojekt plant. Denn eine Beschichtung, die das Einwachsen von Implantaten im Kieferbereich beschleunigt, lässt sich nach Ansicht der Forscher auch auf Hüftimplantate übertragen. Darüber hinaus scheinen sie mit ihrem Ansatz auch auf eine neue Art einer beschleunigten Wundheilung gestoßen zu sein. „Wenn man bei den Implantaten den Stift setzt und die Wunde verschließt, kann man praktisch dabei zusehen“, so Armbruster. „Am nächsten Morgen ist die Oberfläche schon verheilt.“ Das könnte zu einer verminderten Infektionsrate bei Operationen führen. In den kommenden Jahren will Armbruster das gesamte Potenzial von BSP im medizinischen Bereich ausloten.

Autorin des Textes: Cornelia Kästner

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