Altersblindheit mit molekularen Sonden erkennen
14.09.2010 -
Die Makuladegeneration schreitet häufig nur langsam und schleichend voran. Betroffene verlieren unter anderem die Fähigkeit scharf zu sehen. Jemand, der an dieser Krankheit leidet, kann einen Gesprächspartner sehen, nicht jedoch seine Gesichtszüge erkennen. Forscher aus Berlin, Bonn und Jena wollen nun das Los der Patienten verbessern. In dem Verbund aus Wissenschaft und Wirtschaft werden neue Geräte zur Frühdiagnose der Erkrankung entwickelt. Unter anderem sollen molekulare Sonden den Stand der Erkrankung genauer als bisher angeben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das auf drei Jahre angelegte Projekt im Rahmen des Förder-Schwerpunkts Biophotonik mit 3,1 Millionen Euro.
Schon heute leiden etwa 4,5 Millionen Menschen in Deutschland an der Altersabhängigen Makuladegeneration (AMD), der in Industrieländern am häufigsten auftretenden Form von Altersblindheit. Aufgrund der demografischen Entwicklung erwarten Experten bis zum Jahr 2020 einen Anstieg auf über 6 Millionen AMD-Patienten hierzulande.
Als Makuladegeneration werden Erkrankungen des Auges bezeichnet, welche die Makula lutea, den Punkt des schärfsten Sehens, der Netzhaut (Retina) betreffen. Erkrankte klagen neben einem Verlust der Sehschärfe über eine verminderte Kontrast- und Farbwahrnehmung und eine erhöhte Blendungsempfindlichkeit. In schweren Fällen kommt es zu einem Sehfeldverlust, also zur teilweisen oder vollständigen Erblindung. Ausgangspunkt der Krankheit ist dabei nicht etwa das eigentliche Nervengewebe, sondern die Schädigung und das Absterben von Unterstützungsstrukturen in einem bestimmten Bereich der Netzhaut, dem so genannten Pigmentepithel.
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Behandlungsmöglichkeiten der trockenen AMD unzureichend
Die frühe, auch als trockene Form bezeichnete Variante der MD beginnt damit, dass sich Stoffwechselendprodukte in das retinale Pigmentepithel einlagern. Dort gehören sie eigentlich nicht hin. Deshalb sterben die Zellen des Auges ab. Eine effektive Behandlung der trockenen AMD gibt es bislang nicht. Nur ganz bestimmte Arten der AMD können derzeit durch die gezielte Gabe von hochdosierten Vitaminen und Spurenelementen verlangsamt werden.
Die trockene kann schließlich in die feuchte Makuladegeneration übergehen. Hier bilden sich unter der Netzhaut neue Äderchen, die zu Blutungen neigen. Bei der Behandlung von hieran erkrankten Patienten wird versucht, diese Gefäße zu veröden. Dazu wird zum Beispiel ein lichtempfindlicher Stoff in die Armvene gespritzt. Mit dem Blut gelangt dieser Stoff in die neu gebildeten Gefäße im Auge und kann dort mit Laserlicht angeregt werden. Häufig verschließen sic dadurch die Gefäße. Besonders erfolgreich, aber auch sehr kostenintensiv ist die Behandlung mit Medikamenten, die ein bestimmtes Wachstumshormon hemmen. Dieses Hormon (vascular endothelial growth factor – VEGF) kann mit Antikörpern gezielt blockiert werden, so dass die Gefäßneubildung unterdrückt wird. Für Patienten in schweren Spätstadien der AMD kommen nur rehabilitative Maßnahmen, wie zum Beispiel vergrößernde Sehhilfen zur Anwendung.
Molekularbiologische Ansätze ermöglichen frühe Diagnose
Im vom BMBF geförderten Verbundprojekt „MODIAMD“ sollen bessere Handlungsmöglichkeiten gegen AMD erforscht werden. Zu diesem Zweck haben sich Wissenschaftler der Freien Universität Berlin mit Medizinern der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Augenklinik Bonn zusammen getan. Gemeinsam mit den Industriepartnern, der mivenion GmbH in Berlin und Carl Zeiss Meditec AG aus Jena werden neue Diagnoseansätze entwickelt. Einige dieser Partner arbeiten bereits seit Jahren im Verein medways e.V. zusammen, um neue Verfahren in der Augenheilkunde zu etablieren. „Wir wollen die Makuladegeneration in einem möglichst frühen Stadium diagnostizieren können. Dafür entwickeln wir neue molekularbiologische Ansätze“, erklärt hierzu Volker Wiechmann, Sprecher von medways e.V.
Förderschwerpunkt Biophotonik |
Seit dem Jahr 2002 fördert das BMBF Verbundprojekte, in denen Wissenschaft und Industrie optische Lösungen für biologische und medizinische Probleme erarbeiten. MODIAMD ist eines von vielen bisher unterstützten Projekten. Mehr Informationen zur Förderinitiative Biophotonik: hier klicken |
Die Ärzte, Naturwissenschaftler und Technologen erforschen in den kommenden drei Jahren Diagnoseverfahren, um die molekularen Veränderungen der Netzhaut, welche mit der AMD einhergehen, künftig zuverlässig zu erkennen. Auf diese Weise soll die Frühdiagnostik für den Übergang der trockenen zur feuchten AMD weiterentwickelt werden. Dies wiederum könnte die Grundlagen für eine patientenspezifische Therapie schaffen. Im Rahmen der Förderinitiative Biophotonik stellt das BMBF bis 2013 rund drei Millionen Euro zur Verfügung, die Verbundpartner wollen weitere 2,1 Millionen Euro investieren.
Die Forscher Jena, Bonn und Berlin nutzen dabei zwei unterschiedliche Herangehensweisen: Zum einen entwickeln sie Systeme für eine funktionelle Bildgebung, die weitaus leistungsfähiger sind als der heutzutage praktizierte Netzhaut-Scan. Zum anderen wollen sie neue molekulare Sonden erforschen, die eine bildgebende Diagnostik des Übergangs von der trockenen zur feuchten AMD ermöglichen sollen. Die Projektpartner hoffen, dass ein frühzeitiges therapeutisches Eingreifen ermöglicht wird, um so irreversible Schäden zu verhindern.
Erprobung der Geräte noch in der Projektphase
„Molekulare Sonden dienen als Biomarker und binden nur an erkranktes Gewebe. Durch die Anregung mit einem Laser können wir so Veränderungen in der Netzhaut erkennen, bevor es durch die Erkrankung zu irreversiblen Veränderungen in der Netzhautstruktur kommt“, erläutert Wiechmann. Die Forscher hoffen, dass eine derartig frühzeitige Diagnose einen raschen Therapiebeginn ermöglicht: Durch eine vitaminreiche Diät könnte ein Fortschreiten der Krankheit verlangsamt werden. Außerdem könnte die Entwicklung patientenspezifischer Medikamente möglich werden.
Noch während der Laufzeit des Projekts bis 2013 sollen erste Geräte in der Klinik erprobt werden. Ist diese Erprobung erfolgreich, wäre der Weg frei für eine spätere Markteinführung des Geräts, hoffen die Forscher.
Autor: Bernd Kaltwaßer