Zusammenspiel der Hormone im Pflanzenspross aufgeklärt

Dieser optische Querschnitt durch die Wachstumszone im Spross der Ackerschmalwand zeigt die Verteilung eines wichtigen Wachstumsregulators. Schematisch sind die Moleküle der Wachstumshormone Cytokinin (grün) und Auxin (rot) dargestellt. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Dieser optische Querschnitt durch die Wachstumszone im Spross der Ackerschmalwand zeigt die Verteilung eines wichtigen Wachstumsregulators. Schematisch sind die Moleküle der Wachstumshormone Cytokinin (grün) und Auxin (rot) dargestellt. Quelle: Jan Lohmann, Universität Heidelberg

29.06.2010  - 

Alle oberirdischen Teile einer Pflanze – Blätter, Blüten, Stängel  – entspringen einem winzigen Gewebebereich an der Spitze des Sprosses. An dieser Stelle, dem Meristem, sitzt eine kleine Gruppe von Stammzellen. Sie produziert entweder neue Stammzellen, oder aber die Tochterzellen spezialisieren sich und dienen als Bausteine für neue Organe. Um ein kontinuierliches Wachstum zu gewährleisten, ist im Meristem eine fein abgestimmte Balance nötig. In Pflanzen regelt dies ein Netzwerk aus Steuerungsgenen und Pflanzenhormonen. Stammzellforscher aus Heidelberg haben nun entdeckt, wie die beiden Pflanzenwuchsstoffe Auxin und Cytokinin im Sprossmeristem zusammenwirken. Wie sie im Fachjournal Nature (24. Juni 2010, Bd. 465, S. 1089) berichten, sind die eigentlich als Gegenspieler bekannten Wachstumshormone kooperativer als angenommen.

Die in der Wachstumszone (Meristem) in der Sprossspitze sitzenden Stammzellen bleiben während der gesamten Lebenszeit einer Pflanze aktiv. Im Gegensatz zu Tieren können Pflanzen daher über viele Jahre hinweg weiter wachsen und zugleich neue Organe ausbilden. Zahlreiche molekulare Akteure- also Gene, Proteine oder organische Moleküle- sorgen im Pflanzenmeristem dafür, dass die Balance zwischen Stammzellerhaltung und Organogenese aufrechterhalten wird.

Gegenspieler: Die Hormone Auxin und Cytokinin

Zwei sogenannte Wachstumshormone spielen dabei eine Schlüsselrolle: Das Phytohormon Auxin wirkt am Rand der Wachstumszone darauf hin, dass Zellen die Stammzell-Gruppe verlassen, sich differenzieren und zum Beispiel Blätter und Blüten bilden. Cytokinin dagegen regt die Stammzellen zu selbsterneuernden Teilungen an; seine Aufgabe ist es, die Zahl der Zellen und somit das Wachstumspotential der Pflanze aufrechtzuerhalten.
Über welche genetischen Faktoren das Cytokinin beim Wachstum der Pflanze seine Wirkung entfaltet, war zum Teil bereits bekannt. Mithilfe von Experimenten an der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, einem beliebten pflanzlichen Modellorganismus, haben Entwicklungsbiologen um Jan Lohmann vom Institut für Zoologie der Universität Heidelberg zusammen mit Kollegen aus Tübingen und dem schwedischen Umea nun die Funktion des Auxins in diesem Wirkungsgeflecht der Hormone untersucht.

Mehr zum Thema auf biotechnologie.de

Wochenrückblick: Wie der Embryo Wurzeln schlägt

Förderbeispiel: Prächtige Klone aus dem Orchideen-Labor

News: Ein dichteres Wurzelnetz gegen Trockenheit

Dabei hat sich gezeigt, dass sich Auxin direkt in eine molekulare „Rückkopplungsschleife“ einschaltet: Zwei von dem Hormon Cytokinin aktivierte Gene namens ARR7 und ARR15 begrenzen die Cytokinin-Wirkung. Auxin hingegen hemmt diese beiden Gene. Die Effekte von Cytokinin werden somit verstärkt.
Positive Rückmeldung an die Stammzellen
„Man kann die Rolle des Auxin als positiven Rückmelder an den Stammzellpool betrachten“, erläutert Jan Lohmann. „Wenn es die Zellen am Rande der Wachstumszone zur Ausbildung von Organen anregt, muss es gleichzeitig dafür sorgen, dass genügend Stammzellen nachgeliefert werden.“ So wird verhindert, dass die Stammzellzahl unter eine kritische Grenze absinkt, was für Wachstum und Überleben der Pflanze von zentraler Bedeutung ist.  „Wir beginnen allmählich zu verstehen, wie das Regelwerk von Hormonen und Genen ineinander greift, um die Aktivität der Wachstumszone aufrechtzuerhalten. Bereits jetzt ist klar, dass hormonelle und genetische Faktoren vielfach miteinander verschaltet sind und sich gegenseitig beeinflussen. Es gibt keine Solisten“, so Lohmann. Ein Ziel von Pflanzenforschern ist es, das bessere Verständnis der regulatorischen Netzwerke im Sprossmeristem von Pflanzen auch biotechnologisch zu nutzen, etwa für die Vermehrung von Gewächsen oder etwa für die Züchtung robusterer und ertragreicherer Nutzpflanzen.

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit