Frauke Zipp: Mit neuen Strategien die MS aufhalten

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Frauke Zipp ist Professorin für Neurologie und Direktorin der Universitätsklinik für Neurologie in Mainz. Quelle: Universität Mainz

14.06.2010  - 

Klinik und Forschung gehören für Frauke Zipp untrennbar zusammen. „Die Fragen kommen immer aus der Klinik“, sagt die 47-jährige Professorin für Neurologie und Direktorin der Uniklinik für Neurologie in Mainz, „im Labor bearbeiten wir sie. Danach ist es unsere Aufgabe, die Forschungsergebnisse wieder in die Klinik zu bringen.“  Für Frauke Zipp bedeutet das, neue Behandlungsmöglichkeiten und neue Marker für entzündliche neurologische Erkrankungen wie die Multiple Sklerose (MS) zu finden. Außerdem möchte sie entzündliche Prozesse bei anderen Erkrankungen, wie z.B. dem Schlaganfall und der Parkinson-Krankheit verstehen.



 

Nach dem Studium in Frankfurt/Main arbeitete sie zunächst an der Neurologie der dortigen Uniklinik, später am Max-Planck-Institut Martinsried und der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, bevor sie als Visiting Scientist am National Institute of Health in den USA forschte. Die akademische Umgebung in der US-amerikanischen Medizinforschung imponiert ihr heute noch. „Dort sind die Hierarchien flacher, und es gibt eine zugewandtere Atmosphäre in Bezug auf Qualität und Leistung“, erzählt sie. „In Deutschland sind die Strukturen oft noch eingefahrener und fester.“ Was auch bedeutet, dass man in Deutschland als Frau besonders gute Qualifikationen und viel Ehrgeiz braucht, um dort anzukommen, wo Frauke Zipp heute ist.

Auf ihrer Position etwas Besonderes

Mit nur 38 Jahren wurde Frauke Zipp 2006 zur Professorin für Molekulare Neurologie an der Cecile-Vogt-Klinik in Berlin-Buch berufen, ist sie seit Dezember 2009 Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Uniklinik Mainz, außerdem Mitglied im Kompetenznetzwerk MS des BMBF und aktiv in europäischen sowie nationalen Verbünden. Als Direktorin einer neurologischen Klinik ist Frauke Zipp ist in der deutschen Medizin etwas Besonderes. Es gibt nur noch eine weitere Frau mit dem gleichen Posten, Marianne Dieterich von der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, ansonsten ist die Führungsebene von Männern dominiert.

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Frauke Zipps Motivation, sich mit den entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems, zu beschäftigen, sind die jungen Patientinnen und Patienten. „Die Krankheit trifft vor allem junge Menschen, und unter ihnen doppelt so viele Frauen wie Männer“, beschreibt Zipp. „MS bricht in einer besonders kritischen Phase ihres Lebens aus, wenn sie ins Berufsleben einsteigen und Familien gründen. Ich habe das Gefühl, dass ich hier als Ärztin wirklich helfen kann.“ Zudem ist die Krankheit wissenschaftlich eine Herausforderung für mehrere Fachgebiete. MS entsteht, wenn fehlgeleitete Immunzellen die Umhüllung der Nervenzellen, die so genannten Myelinscheiden, und auch die Nervenzellen selbst angreifen und zerstören, sie verläuft in Schüben und verursacht Schmerzen und oft dauerhafte Lähmungen. „Wir müssen verstehen, wie das Immunsystem und das Nervensystem interagieren, das ist hochspannend“, sagt Zipp.

Kombination aus Entzündungshemmern und Zellerneuerern

Sie selbst verfolgt gleich mehrere Ansätze: Zum einen sucht sie nach Möglichkeiten, die Entzündung im Nervensystem zu verhindern oder einzudämmen. Ihr Team entdeckte, dass Statine, die eigentlich bei Herzleiden als Cholesterinsenker eingesetzt werden, entzündungshemmend wirken können. „Damit kann man auch den Verlauf der MS-Schübe abmildern“, erklärt Zipp. „Der Wirkmechanismus ist sehr aufschlussreich für neue Therapiewege.“

Klinik für Neurologie Mainz

Ein Profil von Frauke Zipp findet sich auf der Website des Universitätsklinikums Mainz:

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Ein zweiter Ansatz geht jedoch über die Dämpfung der Entzündungsantwort hinaus. „Erst in den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass bei MS nicht nur die Nervenfortsätze, sondern auch die Nervenzellen selbst betroffen sind.“, erklärt die Professorin. Die dauerhafte Schädigung der Nervenzellen bis hin zum Zelltod biete eine lang gesuchte Erklärung für die irreversiblen Lähmungen. „Daher wäre eine Kombination aus entzündungshemmenden und neuroprotektiven oder neuroregenerativen Wirkstoffen optimal.“

So befindet sich gerade ein Polyphenol in einer klinischen Testphase. Der Wirkstoff Epigallocatechingallat oder kurz EGCG kommt in natürlichem grünen Tee vor und hat zahlreiche positive Wirkungen. Zipp und ihr Team haben nachgewiesen, dass EGCG sowohl ein fehlgeleitetes Immunsystem drosseln als auch die Nervenzellen vor schädlichen Einflüssen des Immunsystems schützen kann. Damit wird es in Kürze Medikamente für die Therapie der Multiplen Sklerose in Tablettenform geben, bisher mussten alle MS-Medikamente gespritzt werden.

Noch einen Schritt weiter geht ein Projekt, in dem sich Zipps Team mit den neuronalen Vorläuferzellen befasst. „Wir versuchen, sie so zu modifizieren, dass sie neue Neuronen bilden“, erklärt die Wissenschaftlerin. Diese sollen dann die durch MS geschädigten Nervenzellen ersetzen.“ Bis aus dieser Forschung eine Therapie entsteht, sei es jedoch noch ein weiter Weg. „In den nächsten Jahren werden wir davon noch kein Medikament in der Klinik haben.“ Dennoch stünden gerade jetzt viele neuartige Präparate gegen MS kurz vor der Zulassung. „Es ist sehr schön zu sehen, wie die Forschung etwas bewirkt“, freut sich Zipp. „Als ich mit dem Studium begonnen habe, hat man Multiple Sklerose lediglich mit Cortison behandelt.“


 

Autorin des Textes: Cornelia Kästner

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