Forscher entlocken Mikroben neuartiges Antibiotikum

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Mit einem Trick lässt sich aus dem Bakterium Clostridium cellulolyticum ein schlagkräftiges Antibiotikum hervorkitzeln. Quelle: Hans-Knöll-Institut Jena

16.04.2010  - 

Jenaer Forscher haben mit einer raffinierten Kulturtechnik ein Bodenbakterium dazu gebracht, ein neuartiges und schlagkräftiges Antibiotikum zu produzieren. Der neue Stoff habe im Laborexperiment auf Keime gewirkt, die gegen herkömmliche Antibiotika resistent seien, berichten die Mikrobiologen vom Hans-Knöll-Institut. Die Forscher haben ihre Ergebnisse im Fachblatt Angewandte Chemie (2010, Bd. 49, S. 2011) veröffentlicht. Nun soll getestet werden, ob sich der neue Stoff namens Closthioamid auch für den Einsatz als verträgliches Medikament eignet.

Zum ersten Mal ist es damit Wissenschaftlern gelungen, anaerobe Bakterien zur Bildung von Antibiotika zu bewegen. Solche Mikroorganismen, die nur in völliger Abwesenheit von Sauerstoff gedeihen können, waren bislang als Wirkstoff-Produzenten völlig unbekannt. Christian Hertweck und sein Team vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut - in Jena beschäftigen sich mit dem Bodenbakterium Clostridium cellulolyticum. Diese Mikrobe ist in der Natur im Kompost am Abbau von Cellulose unter völligem Luftabschluss beteiligt.

Indizien im Genom, Lieferschwierigkeiten im Labor

Auf die Spur des neuen Stoffes kamen die Forscher bei einer Genom-Analyse des Bodenbakteriums. In dessen komplett entschlüsseltem Erbgut fanden sich Gene für die Produktion bislang nicht bekannter Stoffe. Unter gängigen Laborbedingungen habe C. cellulolyticum sie aber nicht abgegeben, berichten die Forscher. Offenbar sind diese Gene unter den standardisierten Laborbedingungen stillgelegt. Die Wissenschaftler versuchten an mehreren Stellschrauben bei den Kulturbedingungen zu drehen,  um die Herstellung des Stoffes in Gang zu setzen. Doch weder die Zugabe verschiedener Nährstoffe und Stressfaktoren, noch die Änderung von Temperatur oder pH-Wert führten zum Erfolg.

Schließlich besann sich das Team um Hertweck auf die Herkunft des Bakteriums: Es wurde aus pflanzlichem Kompost isoliert und trägt zum Verrottungsprozess bei, indem es die Cellulose abgestorbener Pflanzen abbaut. Also schufen die Forscher ähnliche Bedingungen, wie sie die Bakterien im Kompost vorfinden: Sie kappten die Sauerstoffzufuhr und versetzen die Clostridien mit einem eigens gebrauten Extrakt aus einer Bodenprobe. Und tatsächlich: Unter diesen Bedingungen kurbelten die Bakterien die Produktion der antibiotischen Substanz an. Die Forscher rätseln noch, warum die Mikroben den Stoff überhaupt absondern. Möglicherweise schalten die Clostridien mit ihrem Antibiotikum Nahrungskonkurrenten in der Natur aus.

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Schwefelhaltiges Molekül mit Schlagkraft

Das gebildete Closthioamid ist eine schwefelhaltige Verbindung mit einer ungewöhnlichen, symmetrischen Molekülstruktur. Die inzwischen patentierte Substanz besitzt nach Angaben der Wissenschaftler keine Ähnlichkeiten zu anderen bekannten Stoffen. Deshalb lasse sich weder sagen, wie sie in einem Organismus reagiere, noch wozu die Bakterien sie herstellten. In Laborversuchen machte die Substanz aber sogar multiresistenten Erregern den Garaus. Damit könnten Clostridien einmal zu wertvollen Lieferanten für schlagkräftige Antibiotika sein. Da sich mulitresistente Keime, denen herkömmliche Antibiotika nichts mehr anhaben können, zunehmend ausbreiten, suchen Forscher weltweit nach neuen Möglichkeiten, um das Arsenal auszuweiten.  „Durch unsere Arbeit wird klar, dass das Potential einer riesigen Organismengruppe bislang völlig übersehen wurde. Offensichtlich muss man nur die richtigen Bedingungen finden, um den Mikroorganismen ihre Schätze zu entlocken“, sagt Hertweck.

Zunächst wird der neue Stoff nun auf seine Wirkung bei Mäusen getestet. Die Jenaer Forscher studieren desweiteren die Biosynthese der außergewöhnlichen Substanz. Mithilfe gentechnischer Eingriffe ins Bakterienerbgut, so hoffen sie , ließen sich die Eigenschaften des Antibiotikums mitunter noch verbessern.

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