Elite-Spermien durch egoistisches Gen
09.12.2009 -
Spermien sind die Fähren, mit denen das Erbgut zur Eizelle gebracht wird. Während ihre genetische Fracht sich jeweils ein bisschen voneinander unterscheidet, sorgt die Natur aber dafür, dass die Spermien an sich möglichst gleich sind, damit alle Erbgut-Varianten in etwa die gleichen Chancen haben. Bei Mäusen gibt es jedoch ein Gen, dass einige Spermien schneller und damit erfolgreicher macht. Wie es den Nivellierungsmechanismen der Natur entkommt, haben jetzt Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in Berlin entdeckt. Sie berichten im Fachblatt Genes and Development (2009, Bd. 23, S. 2705-2710) über ihre Erkenntnisse.
Höhere Tiere und Menschen, deren Erbgut einen doppelten Chromosomensatz aufweist, verteilen ihre Merkmale meist gleichmäßig auf ihre Nachkommen. Das heißt, jede männliche Keimzelle hat in etwa die gleiche Chance, die Eizelle zu erreichen. Jedoch existieren in der Natur einige Ausnahmen dieses Vererbungsmusters: Im Laufe der Evolution entwickelte sich etwa eine "egoistische" Version von Chromosom 17, der t-Haplotyp, der in vielen wild lebenden Mauspopulationen vorkommt. Spermazellen von Maus-Männchen mit der "egoistischen" Form des Chromosoms 17 haben einen unschätzbaren Vorteil: Sie sind schneller als jene mit dem "normalen" Chromosom. Daher setzt es sich bei bis zu 99 Prozent aller Nachkommen durch. Dies wird durch eine Variante (Tcr) des sogenannten Smok1-Gens ermöglicht, das die Beweglichkeit der Spermien reguliert. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in Berlin haben nun herausgefunden, wie es geschehen kann, dass TCR tatsächlich nur in einigen Spermazellen aktiviert wird, in anderen aber nicht.
Keimzellen sorgen durch Austausch für gleiche Chancen
Männliche Keimzellen entwickeln sich nicht alleine, sondern in einem Zellverband, in dem sie unter anderem Eiweiße und Boten-RNA untereinander austauschen. Dadurch gleichen sie Unterschiede in ihren zellulären Eigenschaften aus, die sich nach der Meiose ergeben würden. Die Meiose sorgt im Gegensatz zur regulären Zellteilung, der Mitose, dafür, dass die Keimzellen nur noch über den halben Chromosomensatz verfügen.
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Wie sich trotz dieses Ausgleichs von Eigenschaften unterschiedlich schnelle Spermien bei Mäusen bilden können, war bislang unklar. Die Arbeitsgruppe um Bernhard Herrmann am MPI für molekulare Genetik haben nun gezeigt, dass der Austausch verhindert werden kann, indem die spezielle Genvariante Tcr erst nach der Meiose abgelesen, die dabei entstandene Boten-RNA in der Ursprungszelle festgehalten und dann erst mit einer zeitlichen Verzögerung in das entsprechende Eiweiß übersetzt wird. Durch dieses exklusive Verhalten entstehen zwei verschiedene Spermienpopulationen: Zellen, die die Tcr-Genvartiante besitzen, haben einen Schnelligkeits-Vorteil im Wettlauf um die Befruchtung der Eizelle. Diejenigen, die das Gen nicht besitzen, sind deutlich langsamer und deshalb im Nachteil. "Unsere Versuche haben erstmalig gezeigt, wie durch den Einfluss eines einzelnen Gens zwei Spermienpopulationen mit unterschiedlichen physiologischen Eigenschaften entstehen und wie solche Gene ihre eigene Vererbungsrate beeinflussen können", sagt Herrmann.
Auch andere Gene können womöglich ihre Vererbungschancen beeinflussen
Die Forscher hatten das Tcr-Gen um eine kurze Sequenz verlängert und dadurch markiert. So konnten sie sowohl die abgelesene Boten-RNA als auch das Protein sichtbar machen und ihr Verhalten beobachten. Auffällig war, dass die RNA über lange Zeit innerhalb oder nahe des Zellkerns bleibt und daher nicht zu den benachbarten Zellen transportiert werden kann. Erst sehr spät im Entwicklungsprozess, nach der Isolierung individueller Spermien aus dem Zellverband, zeigt sich dann das entsprechende Eiweiß. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das "normale" Gen (Smok1) die gleichen Eigenschaften aufweist wie die "egoistische" Variante des Gens (Tcr). Daher vermuten sie, dass auch andere Gene ihre eigene Vererbungsrate beeinflussen können. Wie diese Prozesse kontrolliert werden, ist bislang jedoch noch nicht vollständig verstanden und wird weiter untersucht.