Wie sich Pflanzen gegen den Klimawandel rüsten

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Über winzige Poren in ihren Blättern können Pflanzen Kohlendioxid aufnehmen und Wasserdampf abgeben. Die Poren bestehen aus zwei Schließzellen: Wenn diese sich ausdehnen, öffnet sich die Pore (kleines Bild). Quelle: Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik, Universität Würzburg

08.12.2009  - 

Wie stark der Klimawandel tatsächlich ausfallen wird, ist noch unklar. Die meisten Wissenschaftler sind sich jedoch darin einig, dass Nutzpflanzen in Zukunft längere Trockenperioden überstehen müssen. Wie Pflanzen Wasser sparen, hat der Biologe Rainer Hedrich an der Universität Würzburg jetzt im Detail erforscht. Demnach ist eine fein abgestimmte Kontrolle der Schließzellen an der Blattunterseite entscheidend. Die Erkenntnisse könnten dazu dienen, Kulturpflanzen sparsamer werden zu lassen, schreibt Hedrich im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences (Online-Vorabveröffentlichung, 2. Dezember 2009).



In der vierten Auflage ihres  Weltklimaberichts lassen die Mitglieder des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) keinen Zweifel daran: Die Welt wird sich erwärmen. In dem 2007 veröffentlichten Report präsentieren die Wissenschaftler sechs Szenarien. Im besten Fall sei bis 2100 mit einer Erwärmung von 1,1 Grad Celsius zu rechnen, im schlimmsten Fall bis 6,4 Grad. Im November 2009 wiesen einige Forscher um das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung darauf hin, dass die Erwärmung vielleicht noch drastischer ausfallen könnte. Bis zum Jahr 2100 könnte demnach der Meeresspiegel um bis zu zwei Meter und die weltweite Durchschnittstemperatur um bis zu sieben Grad steigen, heißt es in der „Kopenhagen-Diagnose“, die im Vorfeld des Klimagipfels im Dezember 2009 in der dänischen Hauptstadt veröffentlicht wurde.

Die Unechte Rose von Jericho "Selaginella lepidophylla" kann in eingerolltem Zustand mehrere Monate ohne Wasser auskommen.Lightbox-Link
Die Unechte Rose von Jericho "Selaginella lepidophylla" kann in eingerolltem Zustand mehrere Monate ohne Wasser auskommen.Quelle: Kristian Peters

Pflanzen verlieren Wasserdampf an die Umwelt

Auch wenn der Menschheit derart extreme Schwankungen erspart bleiben, sind sich die Experten einig: In vielen Gebieten der Erde werden Niederschläge nicht mehr so regelmäßig wie bisher fallen, während die Durchschnittstemperaturen ansteigen. Auch Rainer Hedrich, Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik an der Universität Würzburg, interessiert sich für die Herausforderungen, die auf Landwirte zukommen. Als Pflanzenforscher weiß er: Aus eigener Kraft werden die Nutzpflanzen mit den neuen Bedingungen wohl nicht zurechtkommen. "Durch die Jahrhunderte lange Züchtung unserer heutigen Kulturpflanzen haben diese an Vitalität eingebüßt. Unsere Ackerpflanzen haben, überspitzt formuliert, das optimale Wassersparen verlernt", sagt Hedrich. Einem globalen Klimawandel mit ausgedehnten, heißen Trockenperioden hätten sie deshalb nichts entgegen zu setzen.

Seit langem untersucht Hedrich den Wasserhaushalt von Pflanzen. Über die Wurzeln entnehmen die Pflanzen dem Boden Feuchtigkeit. Diese benötigen sie, um das Kohlendioxid aus der Luft mit Hilfe der Photosysnthese in Kohlenhydrate und Sauerstoff umzuwandeln. Ein Großteil des Wassers wird dabei in Form von Wasserdampf über die Blätter wieder abgegeben. "Die Wasserdampfabgabe als unvermeidbare Konsequenz der Photosynthese stellt für die Pflanze kein Problem dar, solange sie genügend Wasser zur Verfügung hat", sagt Hedrich. Bleibt der Regen jedoch aus, könne die Pflanze kein Wasser mehr über ihre Wurzeln aufnehmen und verlieren gleichzeitig vermehrt Wasser an die immer trockener werdende Atmosphäre. Schon seit längerem versuchen Wissenschaftler Kulturpflanzen gegen den Wasserverlust zu wappnen. Erst vor kurzem fanden Forscher des US-amerikanischen Aggrarkonzerns Monsanto Eiweiße, die aus Bakterien stammen, im Mais aber eine erhöhte Trockentoleranz bewirken (mehr...).

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Sinneszellen registrieren den Wassergehalt der Pflanze

Pflanzen haben sich im Laufe der Evolution aber einiges einfallen lassen, um diesem Problem zu begegnen. "Ihre Außenhaut, die sogenannte Epidermis, ist mit einer für Wasser und Kohlendioxid undurchlässigen Wachsschicht überzogen", sagt Hedrich. Allein über mikroskopisch kleine, regulierbare Poren kann die Pflanze Kohlendioxid aufnehmen und Wasserdampf abgeben.

Diesen Mechanismus hat Hedrich nun genauer erforscht. "Die Poren bestehen aus zwei Schließzellen. Wenn sich diese ausdehnen, öffnet sich die Pore; schrumpfen sie, schließt sich die Pore wieder", erklärt der Biologe. Gesteuert wird dieser Prozess, indem die Pflanze bestimmte Salze - das positiv geladene Kalium- und das negativ geladene Chlorid-Ion - durch besondere Kanäle in die Schließzelle hinein und wieder heraus schleust. "Beim Wassersparen kommt den Anionenkanälen der Schließzellen eine entscheidende Rolle zu", so Hedrich. Die Pflanze nimmt die Austrocknung des Bodens wahr und sendet ein Hormon an die Schließzellen - das ABA-Hormon. Wie das Stresssignal in den Zellen ankommt, haben Münchener Forscher vor kurzem entdeckt (mehr...). In der Zelle aktiviert dieses Hormon eine Signalkette, in deren Folge sich die Anionenkanäle öffnen und einen Prozess in Gang setzen, an dessen Ende sich die die Poren schließen. Hedrich und seine Kollegen haben einen neu identifizierten Anionenkanal nun genauer untersucht.

Die Zellen, die in der Lage sind, Wasserstress zu erkennen, verfügen demnach auch über die Fähigkeit, die Kohlendioxid-Konzentration im Blatt sowie die Intensität und Zusammensetzung des Sonnenlichts zu messen. "Damit ist die Pflanze in der Lage, die Poren geschlossen zu halten und nur dann für die Aufnahme von Kohlendioxid zu öffnen, wenn ausreichend Wasser und Licht für die Kohlenhydratproduktion zur Verfügung steht", sagt Hedrich. Mit dem exakten Wissen um derartige Stoffwechselvorgänge in Pflanzen hofft Hedrich, moderne Kulturpflanzen für die Anforderungen des Klimawandels fit machen zu können. Dabei gilt sein Interesse auch Pflanzen, die - wie die berühmte "Rose von Jericho" - unter Wassermangel Überlebenskünstler sind. "Diese Extremophilen können sogar vollständiges Austrocknen überstehen", sagt er. Das genaue Verständnis dieser Fähigkeit könnte dazu beitragen, Nutzpflanzen mit Mitteln der Biotechnologie gezielt im Hinblick auf die Erderwärmung zu stärken.

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