Enno Klußmann: Starkes Konzept gegen schwache Herzen

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Enno Klußmann vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin will eine neue Generation von Medikamenten gegen Herz-Kreislauferkrankungen entwickeln. Quelle: U. Klose

27.03.2009  - 

Herz-Kreislauf Erkrankungen sind das Volksleiden Nummer 1 und auch mit die häufigste Todesursache in unseren Breiten. Medikamente gegen die Herzschwäche gibt es genug. Doch diese zeigen häufig unerwünschte Nebenwirkungen. Enno Klußmann vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin arbeitet an einem neuartigen und zielgerichteten Therapieansatz: Spezielle Moleküle sollen direkte Protein-Protein-Wechselwirkungen in der Zelle beeinflussen, um das kardiovaskuläre System zu manipulieren, ohne unerwünschte Effekte hervorzurufen. Neu gefundene Substanzen könnten schon nächstes Jahr die Grundlage seiner neuen Firma bilden.

„Wer viel Bier trinkt, muss häufiger das stille Örtchen aufsuchen,“ fasst der Wissenschaftler mit kurzen Worten sein Forschungsgebiet, die Niere, zusammen. Die soeben erläuterte Aufgabe der Harnbildung beinhaltet das Herausfiltern von Wasser aus dem Primärharn und die Abgabe ins Blut. Dieser Mechanismus der sogenannten Rückresorption des Wassers funktioniert bei Patienten, die an Herzschwäche (Herzinsuffizienz) leiden, zu gut.

Eine bestimmte Region ihres Gehirns, der Hypothalamus, schüttet große Mengen des Hormons Vasopressin aus. „Dadurch wird zu wenig Wasser über den Harn ausgeschieden,“ erklärt Klußmann. Die Folge ist verdünntes Blut, wodurch die Gefäße anschwellen können – ein möglicher Auslöser für Bluthochdruck, was wiederum ein Risikofaktor für Herzstillstand ist.

Klußmann arbeitet mit Nierenzellen von Ratten, um am Modell die Rückresorption von Wasser ohne (links) und mit (rechts) dem Hormon Vasopressin zu analyiseren.Lightbox-Link
Klußmann arbeitet mit Nierenzellen von Ratten, um am Modell die Rückresorption von Wasser ohne (links) und mit (rechts) dem Hormon Vasopressin zu analyiseren.Quelle: Klußmann

Verursacher von Bluthochdruck und Herzinsuffizienz zielgenau bekämpfen

Genau an diesem Punkt setzt Klußmanns neues Therapiekonzept an. Bisherige Medikamente wirken wie ein Schrotschuss auf die Zellen: Sie beeinflussen die Haupteingangspforten zum Zellinneren oder wirken auf enzymatische Prozesse ein – und interagieren somit auch mit Körperzellen, die an der eigentlichen Krankheit nicht beteiligt sind: Ein Hauptgrund für Nebenwirkungen von Medikamenten. Klußmann hingegen möchte gezielt räumlich und zeitlich innerhalb der Zelle die für die Krankheit verantwortliche Interaktion blockieren. „In Nieren- und Herzmuskelzellen haben wir einen neuen Vertreter der AKAP (A-Kinase-Ankerproteine) identifiziert,“ erläutert der 45jährige Wissenschaftler. Diese Moleküle sind spezielle Gerüstproteine, die sich in Zellen wie eine Art Ordnungshüter verhalten: Sie greifen sich Bestandteile zellulärer Signalketten und sorgen so dafür, dass ein Signal nur in bestimmten Teilbereichen der Zelle verarbeitet wird „AKAP 18d  spielt eine Rolle bei der Rückresorption des Wassers", erläutert Klußmann. Denn: Die Wasserrückresorption findet nur statt, wenn AKAP mit einem bestimmten zellinternen Enzym (Proteinkinase A) eine Verbindung eingeht. „Wir suchen nach Molekülen, die diese Interaktion beeinflussen.“ Dadurch, so glaubt der Forscher, könnte man den Teufelskreis bei Herzschwäche-Patienten durchbrechen und verhindern, dass das Hormon Vasopressin wirkt.

GO-Bio-Wettbewerb

Insgesamt 22 Forscherteams waren im Wettbewerb GO-Bio des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bislang erfolgreich.

Mehr über Klußmanns Projekt: hier klicken
Mehr Infos zu GO-Bio: www.go-bio.de

Klußmann bei GO-Bio erfolgreich 

Das neuartige Konzept getreu dem Motto „Weg von der klassischen Pharmakologie“ und hin zur zielgerichteten Protein-Protein Interaktion bescherte Enno Klußmann in der zweiten Runde des GO-Bio Wettbewerbs des BMBFs ein Platz auf dem Siegertreppchen (mehr...). Die ersten Früchte der Forschung hat das 22köpfige Team um Klußmann schon geerntet: Von 40.000 untersuchten Substanzen haben die Wissenschaftler drei Moleküle identifiziert, die nun verstärkt ins Visier genommen werden. Diese drei schwachen „Hits“, also leicht wirkenden Substanzen, werden momentan durch chemische Modifizierungen zu echten „Leads“ umgebaut, also zu Substanzen mit größerer Wirkungskraft.

„Wenn alles weiterhin gut läuft, plane ich nächstes Jahr die Gründung einer Firma,“ so der Leiter der Arbeitsgruppe Anchored Signalling. Bislang ist das Forscherglück auf seiner Seite. Eines der drei identifizierten Moleküle konnte am Mausmodell den gewünschten Effekt auslösen und zeigte keine erkennbaren toxischen Eigenschaften. „Ohne den GO-Bio Wettbewerb wäre diese Forschung nicht möglich gewesen. Mit dem Geld kann man schon richtig was auf die Beine stellen,“ freut sich Klußmann.

Hintergrund
Sie wollen mehr über Enno Klußmann erfahren? Dann schauen Sie auf der Webseite der Gruppe Anchored Signalling am FMP vorbei.

Zur FMP-Webseite: hier klicken

Gute und zufriedene Mitarbeiter: Das A und O

Aber auch Klußmann weiß: Ohne gute Mitarbeiter wäre jede Forschung mühsam. „Während meiner Promotion am Universitätsklinikum Benjamin Franklin an der FU-Berlin und am FMP habe ich nicht nur mein wissenschaftliches Handwerk erlernt, sondern auch Mitarbeiterführung.“ Wöchentliche Arbeitsbesprechungen sind aus seiner Sicht sehr wichtig. Als Betreuer sei man somit viel näher an den Themen und Problemen dran. „Trotz wissenschaftlichem Freiraum achte ich darauf, dass meine Doktoranden zielgerichtet innerhalb von drei bis dreieinhalb Jahren zur Promotion kommen,“ erklärt der gebürtige Diepholzer.

Autorin: Andrea van Bergen

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