Kaltes Wasser, weiße Wäsche
16.01.2009 -
Hitze, Chemie und viel Körperkraft, das war lange Zeit das Rezept, um Wäsche wieder sauber zu bekommen. Die Waschmaschinen sorgen dafür, dass niemand mehr schwitzen muss beim Wäschewaschen, die meisten der oft aggressiven Substanzen sind heutzutage durch mildere Tenside oder Enzyme ersetzt. Kochen muss das Wasser schon lange nicht mehr, und seit neuestem muss das Badewasser auch nicht mehr wärmer als die Ostsee in der Hochsaison werden. In dem BMBF-Forschungsprojekt „Neue effiziente Waschprozesse bei tiefen Temperaturen“ brachten die Wissenschaftler der Unternehmen BRAIN und Henkel die biotechnologischen Helfer dazu, auch in kühler Umgebung ihre Arbeit zu verrichten. So wird Wäsche nun auch bei 20 Grad sauber.
In der langen Geschichte des Wäschewaschens gebührte dem Jahr 1907 ein besonderer Platz: Das erste selbsttätige Waschmittel kam auf den Markt. Durch die neuartige Kombination von Natriumsilikat mit Natriumperborat wurde beim Kochen der Wäsche jetzt Sauerstoff freisetzt. Der bleichte schonender und vor allem geruchsärmer als das bisher eingesetzte Chlor. Außerdem entfiel nun auch ein Großteil des anstrengenden und zeitraubenden Reibens, Schwenkens und Walkens der Wäsche. Zu den modernen Waschmitteln war es allerdings noch ein langer Weg. Heute kommt es neben der Waschwirkung auch auf Umweltverträglichkeit und die Energiebilanz an. Deshalb vertrauen die Hersteller immer mehr auf biologische Helfer.
Alles muss sauber werden |
Die Deutschen sind nicht gerade sparsam, wenn es um das Reinigen von Textilien geht. Insgesamt 637.000 Tonnen Waschmittel verbrauchen alle Haushalte im Durchschnitt pro Jahr. Das macht knapp acht Kilogramm pro Kopf. |
Das ist nichts Neues für die Hersteller. Schon seit dem frühen 20. Jahrhundert greifen sie in die biologische Trickkiste. Schließlich sind Essenreste nichts anderes als Stärke-, Fett- oder Eiweißansammlungen. Für den Abbau dieser Substanzen hält die Natur bestimmte Eiweißmoleküle, die Enzyme, parat, die diese Arbeit sehr effizient und effektiv übernehmen. Enzyme sind Biokatalysatoren, die biochemische Reaktionen beschleunigen können und bereits in kleinsten Mengen hoch wirksam sind. Außerdem sind Enzyme biologisch vollständig abbaubar und ungiftig.
Enzyme vom Schlachthof
Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Bauchspeicheldrüsen von jungen Schlachttieren die am einfachsten zugängliche Quelle für biologisch aktive Moleküle wie Enzyme. Nicht von ungefähr ist beispielsweise in der Einleitung des Firmenberichts des einstigen Unternehmens Röhm&Haas aus dem Jahr 1925 folgender Satz zu lesen: „Ein Bericht über unsere Erzeugnisse ist in erster Linie geradezu eine Geschichte der technischen Verwertung der Bauchspeicheldrüse von Schlachttieren.“ Bis Anfang der 30er Jahre verwertete das Unternehmen ausschließlich tierische Enzyme. Die Auswahl war hier jedoch beschränkt, es ließen sich insgesamt nur drei Sorten an Enzymen gewinnen: Die Bauchspeicheldrüsen von Rindern lieferten die eiweißspaltenden Enzyme Trypsin und Chymotrypsin, während sich bei Schweinen zusätzlich das Stärke abbauende Enzym Diastase isolieren ließ.
Bereits in den 30er Jahren setzte die Suche nach alternativen Verfahren ein, nicht zuletzt auch, um sich aus der Abhängigkeit vom Handel mit Schlachttieren zu befreien. Gerade im Laufe der zwei Weltkriege kam es in Europa häufiger zu Engpässen, was die Enzymhersteller umgehen wollten. Zunächst wurden Verfahren entwickelt, Enzyme aus Schimmelpilzen zu gewinnen. Diese wurden schließlich durch andere lebende Mikroorganismen wie Bakterien ersetzt. Seit den 60er Jahren haben sich solche mikrobiellen Herstellungsverfahren von Enzymen als Standard durchgesetzt.
Die Waschtemperatur sinkt stetig
Durch die Verwendung von Enzymen lässt sich aber nicht nur das Waschergebnis verbessern, sondern auch Kosten und Energieverbrauch senken. Weil Enzyme im Gegensatz zu manchen Chemikalien ihre beste Wirkung nicht in kochendem, sondern nur noch warmem Wasser erzielen, ließ sich in den vergangenen Jahren die Waschtemperatur, aber auch der Waschmittel- und Wasserverbrauch beim Waschen beständig senken. So geht aus dem Nachhaltigkeitsbericht des Industrieverbandes Körperpflege und Waschmittel e.V. hervor, dass der Anteil der Wäsche, die bei einem 90 °C-Programm gewaschen wurde, von 42 % im Jahr 1972 auf nur noch 8 % im Jahr 2006 gesunken ist. Nach Angaben des Verbandes der Chemischen Industrie hat sich zudem die Waschmittelmenge in den vergangenen 25 Jahren deutlich reduziert. Für eine Wäsche von 5 Kilogramm werden heute nur noch 75 Gramm Waschpulver benötigt, früher waren es noch 220 Gramm.
Dieser Film erläutert, wie die BRAIN AG Mikroorganismen für die Nutzung in der Industrie erforscht.
Auch wenn das Wasser nicht mehr kochend heiß sein muss: Alle Enzyme haben ein sogenanntes Temperaturoptimum, egal ob sie Eiweiße (Proteasen), Stärke (Amylasen) oder Fette (Lipasen) abbauen. Das bedeutet, dass sie grundsätzlich nur in einem begrenzten Temperaturbereich wirksam sind, der meist zwischen 20 °C und 65 °C liegt. Eine Protease beispielsweise, deren Wirkungsoptimum bei etwa 60 °C liegt, hat bei 30 °C nur noch 5 bis 10 % ihrer optimalen Wirkung. Da Waschprozesse aber bei unterschiedlichen Temperaturen ablaufen, müssen Enzyme auch temperaturabhängig verwendet werden. Ein Waschgang bei 20 °C statt bei 40 °C spart nämlich über die Hälfte der Energie und des ausgestoßenen Kohlenstoffdioxids.
Enzyme zu finden, die sich auch in kaltem Wasser wohlfühlen, schloß sich der Chemiekonzern Henkel mit dem Zwingenberger Biotechnologie-Unternehmen BRAIN zusammen und startete ein gemeinsames Forschungsprojekt. Die Suche nach „Neuen effizienten Waschprozessen bei tiefen Temperaturen“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Das Projekt war im Schwerpunkt Nachhaltige BioProduktion angesiedelt und lief von 2004 bis 2008.
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Die Wissenschaftler machen sich dabei zunutze, dass neue Enzyme buchstäblich in der Erde begraben liegen. Darin nämlich leben Mikroorganismen, die unter anderem Enzyme produzieren. Das Problem ist nur: Nicht alle gefundenden Mikroorganismen lassen sich einfach im Labor züchten. Die Forscher wenden deshalb einen Trick an: Sie isolieren die Gene für die gesuchten Enzyme direkt aus einer Bodenprobe, vervielfältigen sie im Labor und bauen sie in leicht kultivierbare Mikroorganismen ein. Diese stellen dann die gewünschten Enzyme her. Aus der Gesamtheit des genetischen Materials all dieser Organismen – dem so genannten Metagenom – können so auch Enzyme erfasst werden, die durch klassische Untersuchungsmethoden nicht zugänglich sind.
Um
Schokoladenflecke schon bei 20 Grad ohne Chance
Für eine solche Suche gingen die Forscher in Fledermaushöhlen und zu Pinguinen in den Zoo. Ihr Ziel: Bakterien zu isolieren, die in kalten Lebensräumen leben und von Natur aus Enzyme produzieren, die bei Temperaturen von Leitungswasser aktiv sind. Mit dem Projektpartner BRAIN wurden außerdem Gene aus nicht-kultivierbaren Bakterien gesucht. Im Laufe des Forschungsprojekts kamen Enzyme aus mehr als 10.000 Bakterien zusammen, die im Labor auf ihre tatsächliche Waschleistung getestet wurden. Schließlich konnte das Team eine Protease aufspüren, die besonders hartnäckige Schokoladen- und Grasflecken entfernt und selbst bei 20 °C sehr aktiv ist.
In den vergangenen hundert Jahren war das Wäschewaschen immer auch ein Versuchsfeld für die neusten Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Es hat sich so viel verändert, dass das Motto von Persil, dem Waschmittel-Flaggschiff von Henkel, fast schon irreführend wirkt: „Da weiß man, was man hat.“