FRISYS: Pflanzen zeigen Nerven

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Der Klimawandel bringt mancherorts längere Trockenperioden oder versalzte Böden mit sich, auf die sich vor allem Nutzpflanzen einstellen müssen. Quelle: Stefan Kühn

16.12.2008  - 

Pflanzen können erstaunlich schnell reagieren, wenn die Bedingungen ihrer Umwelt sich verschlechtern. Wird etwa der Boden zu salzig, müssen die Zellen sich umgehend darauf einstellen, um Schäden zu vermeiden. Biologen der "Freiburger Initiative für Systembiologie" (FRISYS) entschlüsseln das innere Signalsystem der Pflanzen. Die Erkenntnisse nutzen sie dazu, um hochertragreichen aber empfindlichen Nutzpflanzen wieder beizubringen, wie sie auf schwankende Umwelteinflüsse reagieren können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt dieses Vorhaben mit insgesamt 12,5 Millionen Euro.





 

Der globale Klimawandel bringt Wetterextreme wie Stürmen, Überflutungen, Hitze und Trockenheit mit sich. Gleichzeitig führt die intensive Landwirtschaft zu einer Versalzung der Ackerböden. Im Gegensatz zu Tieren können Pflanzen vor ungünstigen Bedingungen jedoch nicht davonlaufen. Im Laufe der Evolution haben sie deshalb Mechanismen entwickelt, um sich vor solchen Stressbedingungen zu schützen. Viele Nutzpflanzen haben diese Fähigkeiten nach Jahrtausende langer Züchtung aber verloren. Anhand von Modellorganismen versuchen die Forscher der "Freiburger Initiative für Systembiologie" die Überlebenstricks der robusteren Pflanzen  zu entschlüsseln, um sie in einem zweiten Schritt dann den domestizierten und verweichlichten Verwandten zur Verfügung zu stellen.

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Das Kleine Blasenmützenmoos Physcomitrella patens ist ein beliebter Modellorganismus. Seit kurzem ist das Genom komplett entschlüsselt.Quelle: Bernd Reiss, MPI für Züchtungsforschung Köln

Das Kleine Blasenmützenmoos muss schnell reagieren

Das Kleine Blasenmützenmoos Physcomitrella patens ist ein solcher Modellorganismus, mit dem deutsche Forscher auch die Arzneimittelproduktion vereinfachen wollen und das den Vorteil hat, dass sein komplettes Genom seit einiger Zeit bekannt ist (mehr...). Aber auch für die Nutzpflanzenentwicklung ist das Moos interessant. Denn Moose markieren einen essentiellen Schritt in der Evolutionsgeschichte: Sie gelten als Stellvertreter der ersten Pflanzen, die vor 450 Millionen Jahren den Übergang vom Wasser zum Land vollzogen haben. Um zu überleben, mussten sie sich an extreme Temperaturschwankungen, Trockenheit, hohe UV-Strahlung anpassen und mit erhöhten Salzkonzentrationen im Boden fertig werden. Entscheidend ist dabei, schnell auf Veränderungen der Umwelt reagieren zu können, bevor Zellen irreparabel beschädigt werden. Dazu ist eine schnelle Signalleitung in der Pflanze notwendig.

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass bei vielen Reizleitungen sowohl im Pflanzen- als auch im Tierreich Kalzium-Ionen eine wichtige Funktion erfüllen. Dabei kommt es innerhalb der Zellen zu sehr schnellen Veränderungen der Konzentration dieser Kalzium-Ionen. Diese rhythmischen Veränderungen bilden bestimmte Muster aus, die entsprechende Informationen kodieren.

FRISYS
Die Freiburger Initiative für Systembiologie untersucht die Signalwege von Pflanzen. Dazu hat das BMBF von 2007 bis 2011 mit 12,5 Millionen Euro gefördert.
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Kalzium-Ionen wandern in Vorratsbehälter

Biologen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg um Privatdozent Wolfgang Frank und Ralf Reski haben nun im Kleinen Blasenmützenmoos ein Eiweiß entdeckkt, das an der schnellen Weiterleitung der Informationen an den Zellkern beteiligt ist. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift PNAS (2008, Vol. 105, Nr. 49, Seiten 19555-19560) berichten, funktioniert der Prozess wie folgt: Empfängt die Pflanze einen Reiz, pumpt das Eiweiß 'Ca2+-ATPase' die Kalzium-Ionen aus dem Zytoplasma in die als "Vorratsbehälter" in den Mooszellen fungierenden kleinen Vakuolen. Damit reguliert Ca2+-ATPase offenbar den Kalziumspiegel in der Zelle und stellt sie auf die veränderte Salzkonzentration ein. Moose, in denen die Freiburger Biologen das Eiweiß Ca2+-ATPase gezielt ausgeschaltet hatten, konnten jedenfalls auf versalzten Böden nicht überleben.

Signalsysteme von Pflanzen verstehen

Die Forscher der Universität Freiburg hoffen nun, dass sich das neue Wissen auf Nutzpflanzen übertragen lässt, um sie so widerstandsfähiger zu machen. Versalzte Böden sind besonders in Entwicklungsländern ein großes Problem. In der "Freiburger Initiative für Systembiologie" (FRISYS) geht es allerdings nicht nur um Moose. Ganz grundsätzlich wollen die Forscher mit einem systembiologischen Ansatz die Signalwege und Signalsysteme in Pflanzen verstehen. Ziel ist es, ein tragfähiges Modell der Signalübertragung zu erstellen, das dann genutzt werden kann, um Nutzpflanzen beizubringen, wie sie auf die Herausforderungen einer sich verändernden Umwelt reagieren können.

FRISYS ist eine von insgesamt vier systembiologischen Forschungsgruppen, die vom BMBF im Rahmen der Initiative "Forschungseinheiten der Systembiologie" FORSYS unterstützt werden (mehr...). Dafür erhalten die Freiburger Forscher, die unter dem Dach des universitätseigenen Zentrums für Biosystemanalyse arbeiten, von 2007 bis 2011 insgesamt 12,5 Millionen Euro.

Trinationaler Studiengang der Systembiologie 

Die Modellorganismen, an denen im Rahmen von FRISYS geforscht wird, umfassen sowohl pro -als auch eukaryotische Organismen an phylogenetischen Schlüsselpositionen des Pflanzen- und Tierreiches: Cyanobakterien, das Blasenmützenmoos, die Ackerschmalwand, den Fadenwurm C. elegans, den Zebrafisch Danio rerio sowie Säugerzellkulturen. Diese Modellorganismen dienen zur Erforschung von Netzwerken in der Signaltransduktion während des Wachstums und der Differenzierung von Zellen.

Die Ziele der FRISYS-Wissenschaftler sind ehrgeizig. Ihnen geht es nicht nur darum, grundlegende Steuermechanismen in Modellorganismen aufzuklären, mathematische Modelle zu verbessern und die Anwendung systembiologischer Ergebnisse auf biomedizinische und biotechnologische Felder voranzutreiben, sondern sie wollen zusammen mit Partneruniversitäten im französischen Straßburg und dem schweizerischen Basel einen internationalen Studiengang der Systembiologie etablieren.

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