Bioraffinerie in Leuna: Startschuss für Pilotphase

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Leuna ist ein Chemiestandort mit Tradition. Die rund hundert Unternehmen vor Ort werden eng mit der geplanten Modell-Bioraffinierie zusammenarbeiten. Quelle: InfraLeuna GmbH

17.06.2010  - 

Mit einer Pilotanlage, in der Industrieunternehmen den bevorstehenden Wandel von Erdöl zum nachwachsenden Rohstoff Holz erproben können, will sich  Deutschland an die Spitze in der Bioraffinerie-Forschung setzen. Am 17. Juni überreichte Bundeslandwirtschaftsministerin den Förderbescheid ihres Ministeriums über knapp 8,5 Millionen Euro an einen Forschungsverbund aus 20 Partnern, der bis Ende 2011 eine Testanlage im 100 Tonnen-Maßstab am Chemiestandort Leuna in Betrieb nehmen will. Das Projekt ist Teil des Chemisch-biotechnologischen Prozesszentrums (CBP), das im April 2009 als Gemeinschaftsprojekt von Bund, Wissenschaft und dem Land Sachsen-Anhalt gestartet wurde und ein Budget von ingesamt 50 Millionen Euro aufweist.

„Bislang gab es keine Bioraffinerie, mit der sämtliche Hauptkomponenten von Holz chemisch verwertet werden konnten. Eine solche Anlage ist ein enormer Fortschritt bei der effizienten Nutzung nachwachsender Rohstoffe“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner am 17. Juni in Berlin. Mit dem Bau des Chemisch-biotechnologischen Prozesszentrums (CBP) am traditionellen Chemie-Standort Leuna, das im April 2009 als Gemeinschaftsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) sowie der Fraunhofer-Gesellschaft und dem Land Sachsen-Anhalt offiziell vorgestellt wurde (mehr...), soll ein Rohstoffwandel einsetzen, weg vom Erdöl hin zur Nutzung von Biomasse. Denn der Bedarf an biobasierten Kunststoffen ist groß, wie erst jünst auf einer Tagung von Biokunststoffexperten deutlich wurde (mehr...). Doch noch fehlt es an ausreichenden Produktionskapazitäten.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (links) überreicht den Förderbescheid ihres Hauses an Prof. Buller, Fraunhofer-Gesellschaft; Herr Schweppe, Fraunhofer-Institut für chemische Technologie; Prof. Hirth, Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik.Lightbox-Link
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (links) überreicht den Förderbescheid ihres Hauses an Prof. Buller, Fraunhofer-Gesellschaft; Herr Schweppe, Fraunhofer-Institut für chemische Technologie; Prof. Hirth, Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik.Quelle: BMELV

Das CBP ist nun ein großer Schritt, neue Verfahren auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen industrietauglich zu entwickeln. Das BMBF beteiligt sich mit zehn Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket sowie weiteren zwei Millionen, mit denen direkt Projekte gefördert werden. Größter Geldgeber ist das Land Sachsen-Anhalt, das insgesamt 20,1 Mio. Euro sowie die Anschubfinanzierung der Projektgruppe beitragen will. Auch diese Mittel stammen zu einem großen Teil aus dem Topf des Konjunkturpakets. Die federführende Fraunhofer-Gesellschaft steuert 9,6 Millionen Euro bei. Das BMELV wiederum beteiligt sich mit 8,5 Millionen Euro, um eine Testanlage für eine Holz-Bioraffinerie zu ermöglichen. Der Förderbescheid wurde von Ministerin Aigner persönlich am 17. Juni in Berlin überreicht. 

In der dreijährigen Pilotphase der Lignocellulose-Bioraffinerie soll die vollständige Verwertung von Holz in Chemieprodukte erstmals getestet werden. Sie ist damit eine von sieben Pilottestanlagen des CBP. Die unabhängig und individuell zu betreibenden Prozesseinheiten, die vom Anlagenbauer Linde-KCA stammen (mehr...),  werden dabei Reaktorvolumen in unterschiedlichen Größenordnungen von mehreren hundert bis 10.000 Litern aufweisen. Beim Holz-Projekt, das im Förderprogramm "Nachwachsende Rohstoffstoffe" des BMELV gefördert und von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) koordiniert wird (mehr Infos beim BMELV: hier klicken), gilt es zunächst, Holzabfälle wirtschaftlich in Zucker und Phenole zu spalten. Anschließend sollen Bakterien die Zucker zu Basischemikalien umsetzen, die sich zum Beispiel für die Produktion von Kunststoffen wie Polyethylen einsetzen lassen. Die Phenole aus dem Holzbaustein Lignin könnten wiederum, so die Planung, zur Produktion von Klebstoffen oder für chemische Synthesen genutzt werden. Anfallende Reststoffe sollen zur Energieerzeugung und Biogasgewinnung genutzt werden.

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Von Anfang an Industrieunternehmen beteiligt

„Das Besondere am CBP ist, dass sich von Anfang an Industrieunternehmen beteiligen, die die gewonnenen Produkte weiterverarbeiten“, erläutert Thomas Hirth, Leiter des federführenden Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik.  Bereits in der Pilotphase wollen Chemiekonzerne wie Bayer Technologies, Wacker Chemie oder  Evonik die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der biotechnologischen Prozesse in den sieben zur Verfügung stehenden Pilotanlagen des CBP prüfen. „Für jedes der Projekte der über 20 Industriepartner wird eine ökonomische und ökologische Nachhaltigkeitsanalyse durchgeführt“, so Hirth.

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Die beteiligten Ministerien und Partner teilen sich dabei die Finanzierung der verschiedenen Projekte. Neben der integrierten Nutzung von Lignocellulosen, geht es um nachhaltige Produkte aus pflanzlichen Ölen, biobasierte Olefine und verwandte Produkte, um die Entwicklung neuartiger technischer Enzyme, um Mikroalgen als Ressource für Biomasse und Hochwertprodukte sowie die Verwertung von Restbiomasse durch Biogas und Hydrothermal-Vergasung. 

Die Errichtung dieser europaweit einzigartigen Anlage  erfüllt eine langjährige Forderung von Wissenschaftlern und Unternehmen. Bislang ließen sich nämlich neue, im Labor entwickelte biotechnologische Verfahren nicht ohne große Investitionen im vorindustriellen Maßstab prüfen, was den Technologietransfer erheblich erschwert. Die Testanalage ermöglicht nun eine umfassende Effizienzanalyse, die sich auf großtechnische Produktionsverhältnisse übertragen lässt.

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