Zellwände als Zuckerquelle für Biosprit
20.04.2010 -
Bioethanol der ersten Generation wird aus Maiskörnern, Zuckerrohr und Zuckerrüben hergestellt. Das Problem: Die Biospritherstellung konkurriert hier mit Lebensmitteln um die Rohstoffe. Pflanzenforscher wollen deshalb neue Quellen für Bioenergie erschließen, etwa Pflanzenteile, die als Abfall in der Futtermittelindustrie anfallen. Das internationale Verbundprojekt GABI-CELLWALL erschließt dazu das Potenzial, das in pflanzlichen Zellwänden steckt. Ziel der Forscher aus Deutschland, Frankreich und Spanien: Den Zellwandaufbau in Pflanzen so zu verändern, dass sie sich leichter für die Herstellung von Treibstoff verwenden lassen.
Während Bioethanol der ersten Generation aus Stärke entsteht, besteht die pflanzliche Zellwand vor allem aus Zellulose. Die besteht zwar ebenso wie Stärke aus Glukosebausteinen, doch sind diese in der Zellwand einer einzigen Zelle auf mehr als 50 verschiedene Weisen miteinander verknüpft. Dort endet die Komplexität aber noch nicht: Unterschiedliche Gewebe und Organe haben spezialisierte Zellwände, die anders aufgebaut sind. Will man die Zellulose der Zellwände nutzen, um Ethanol zu erzeugen, muss man diese komplexen Strukturen verstehen.
GABI-CELLWALL |
In dem internationalen Verbundprojekt erforschen Pflanzenwissenschaftler die Synthese pflanzlicher Zellwände. Mit dem Wissen sollen Pflanzen entstehen, aus denen sich einfacher Biosprit gewinnen lässt. Mehr Infos erfahren Sie auf pflanzenforschung.de: Hintergrundinformationen zum Projekt: hier klicken Interview mit Projektleiter Staffan Persson: hier klicken |
„Unser Hauptziel ist es, die Effizienz zu erhöhen, mit der die zuckerhaltigen Polymere aus dem Rest der Zellwand extrahiert werden“, sagt Projektleiter Staffan Persson vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm. Sein Projekt innerhalb von GABI-CELLWALL wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die GABI-Forscher wollen die wichtigen regulatorischen Netzwerke aufdecken, die den Stoffwechsel der pflanzlichen Zellwand steuern. Im Visier haben sie sogenannte Transkriptionsfaktoren und Rezeptorkinase-Enzyme, die in der Pflanzenzelle dafür sorgen, dass die Zellwände auf- und umgebaut werden.
Zellwände verändern, ohne sie zu zerstören
Langfristig haben sich die Forscher das Ziel gesteckt, die Ethanolgewinnung aus Zellwänden auch rentabel zu machen. Dazu wollen die Pflanzenexperten die Zellwände so verändern, dass sie leicht verwertbare Zuckerbausteine in möglichst großer Menge beinhalten – ohne wichtige Eigenschaften und die Architektur der Pflanze dadurch zu beeinträchtigen. Hier sei Vorsicht geboten, sagt Persson: „Eine Pflanze mit zu vielen Veränderungen an ihrer Zellwand wird höchstwahrscheinlich nicht in der Lage sein, mit ihrer Umwelt klarzukommen, und wird deshalb nicht lebensfähig sein.“
Auch der Stofftransport in die Zelle hinein und hinaus sowie die Erkennung von Stoffen an der Zelloberfläche dürfen nicht gestört werden. Letzteres ist beispielsweise wichtig, um das pflanzliche Immunsystem zu aktivieren, wenn Pathogene eingedrungen sind. Da sich die Forscher auf die sogenannte innere Zellwand konzentrieren, schätzen sie das Risiko jedoch gering ein, dass die veränderten Pflanzen auf diese Weise Schädlingsresistenzen verlieren.
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Deshalb schalten die Forscher der Reihe nach die an der Zellwandbildung beteiligte Gene im Erbgut verschiedener Pflanzenarten aus. Danach prüfen sie, wie sich die sekundäre Zellwand in den Gewächsen dadurch verändert. „Wir beabsichtigen ebenfalls, in der Genwirkung verstärkte Pflanzen zu erzeugen, deren Phänotyp einen Funktionsgewinn haben könnte, wodurch wir vielleicht die verringerte Lebensfähigkeit umgehen können“, so Persson.
Zwei Modellpflanzen im Visier
Bei ihren Studien greifen die Forscher nicht nur auf die Modellpflanze Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana zurück, sondern auch auf das Süßgras Zwenke Brachypodium distachyon, dessen Genom unlängst ebenfalls entschlüsselt worden ist (mehr...). „Die Zwenke haben wir gewählt, weil sie als aufkommende Modellart für schnell wachsende Gräser betrachtet wird“, so Persson, „Gräser wie Rutenhirse und Miscanthus, werden höchstwahrscheinlich die nächsten Pflanzengenerationen für Biokraftstoffe bilden.“
GABI |
Dieses Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Dach der Initiative Genomforschung im biologischen System Pflanze (GABI) gefördert. Mehr über GABI erfahren Sie hier auf der Webseite der Initiative. |
Am Ende soll die Gesamtheit aller Zellwand-Proteine von Ackerschmalwand und Zwenke analysiert sein. Der französische Projektpartner um Elisabeth Jamet vom CNRS in Toulouse entwickelt für Arabdopsis und die Zwenke eine Proteindatenbank, die mit einer Genaktivitätsdatenbank am Max-Planck-Institut in Golm verknüpft ist. Die Partner um Herman Höfte am INRA in Versailles und um Ignacio Zarra an der spanischen Universität in Santiago de Compostela sind an der genetischen und biochemischen Analyse beider Modellpflanzen beteiligt.
Einige Schritte auf dem Weg zu ihren hoch gesteckten Zielen haben die Projektpartner bereits zurückgelegt: Die auch für die Bioinformatik in diesem Projekt zuständige Arbeitsgruppe um Staffan Persson vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam hat rund 80 Mutationslinien isoliert, von denen etwa 20 vielversprechende Kandidaten für die weitere Forschung sind. Die spanische Firma Synergia Bionostra um Hugo Alonso schließlich prüft, wie viel Zucker sich aus der Biomasse der entwickelten Linien gewinnen lässt.
Dieser Text ist in Kooperation mit der Redaktion pflanzenforschung.de entstanden. Den kompletten Beitrag können Sie dort nachlesen.