Wochenrückblick KW 06

10.02.2009

Biogasanlage kommt mit Reststoffen aus

Dresdner Wissenschaftler haben eine Pilotanlage vorgestellt, mit der sich Biogas erstmals ausschließlich aus Pflanzenreststoffen wie Maisstroh gewinnen lässt.Lightbox-Link
Dresdner Wissenschaftler haben eine Pilotanlage vorgestellt, mit der sich Biogas erstmals ausschließlich aus Pflanzenreststoffen wie Maisstroh gewinnen lässt.Quelle: Fraunhofer IKTS
Die Verwendung von Pflanzen zur Energiegewinnung ist prinzipielle eine gute Idee, ist aber in den vergangenen Jahren in die Kritik geraten. Die lukrativen Energiepflanzen, so die Befürchtungen, könnten die Nahrungsmittel von den Äckern verdrängen und damit die Lebensmittelpreise nach oben treiben. Darunter würden besonders die Ärmsten leiden. Dies liegt vor allem daran, dass es technologisch bislang noch nicht gelungen ist, Anlagen ausschließlich mit Pflanzenresten wie Stroh zu betreiben. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden haben nun eine Biogasanlage entwickelt, die sich mit dem Abfall aus der Nahrungsmittelproduktion begnügt. "In unserer Pilotanlage verwenden wir ausschließlich Reststoffe aus der Landwirtschaft wie Maisstroh, also die Maispflanze ohne Kolben", sagt der IKTS-Forscher Michael Stelter. Zudem würde die neue Konstruktion 30 Prozent mehr Biogas als in herkömmlichen Anlagen produzieren. Ein weiterer Vorteil: Mithilfe von Enzymen konnte die Verweilzeit der sauer eingelagerten Reststoffe (Silage) deutlich verringert werden. Üblicherweise gärt die Biomasse 80 Tage im Fermenter, wobei Biogas entsteht.

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Dossier: Neue Technologien zur Energiegewinnung

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Den Dresdner Forschern ist es gelungen, diesen Zeitraum auf 30 Tage zu reduzieren. "Maisstroh enthält Zellulose, die nicht direkt vergoren werden kann. In unserer Anlage spalten Enzyme die Zellulose auf, bevor die Silage gärt", erklärt Stelter. Auch die Verstromung des Biogases haben die Forscher optimiert. Sie lenken das Gas in eine Hochtemperaturbrennstoffzelle, die einen ungewöhnlich hohen elektrischen Wirkungsgrad von 40 bis 55 Prozent hat. Im nächsten Schritt wollen die Forscher ihre Pilotanlage, die mit 1,5 Kilowatt elektrischer Leistung ein Einfamilienhaus versorgen könnte, auf zwei Megawatt vergrößern.

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Bakterium nach Kiel benannt

So sieht das neu entdeckte und nach Kiel benannte Bakteriumunter dem Mikroskop aus.Lightbox-Link
So sieht das neu entdeckte und nach Kiel benannte Bakterium unter dem Mikroskop aus.Quelle: Rolf Schmaljohann/KIWIZ

Eine Stadt hat ihr Bakterium. Wissenschaftler vom Kieler Wirkstoffzentrum (KiWiZ), eine Ausgründung des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), haben in der Kieler Bucht einen bisher unbekannten Einzeller entdeckt und ihn Kiloniella laminariae getauft. Der zweite Namensbestandteil leitet sich von der Meeresalge Laminaria saccharina (Zuckertang) ab, auf der die Bakterien gefunden wurden. Der Fund wurde jetzt in der Fachzeitschrift International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology (Vol. 59, 2009, S. 350-356) beschrieben. Kiloniella laminariae ist dabei ein besonderes Kaliber: Es beschreibe zugleich eine neue Gattung, sei erster Vertreter einer neuen Familie und sogar einer ganz neuen Bakterienordnung, heißt es in einer Pressemitteilung des Wirkstoffzentrums. Dies sei selten und damit eine kleine Sensation. "Soweit uns bekannt, wurden neue Bakterienordnungen aus der Ostsee bisher nicht beschrieben", sagt Johannes Imhoff, Leiter der Forschergruppe am 2005 gegründeten Wirkstoffzentrum, die Kiloniella laminariae aus der Kieler Bucht gefischt hat.  In den Meeren dieser Welt wurden bisher 80 bis hundert Bakterien-Ordnungen gefunden. Mit der Namenspatenschaft habe Kiel einen festen Platz in der Geschichte der Mikrobiologie, auf den sogar Weltstädte wie Moskau, Paris oder New York bis jetzt vergeblich warten, so die Kieler Forscher. Das Bakterium, so hoffen sie, könnte künftig für Mediziner interessant sein. Den Wissenschaftler ist es wegen seiner antibiotischen Aktivität aufgefallen. Derzeit läuft die chemische Analyse seiner Stoffwechselprodukte auf Hochtouren.

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Eiweiß schützt vor Schlaganfall

Die roten Flächen mit gesundem Gehirngewebe zeigen es: Genetisch veränderte Mäuse ohne von Willebrand Faktor (vWF) entwickeln kleinere Schlaganfälle (Mitte) als normale Mäuse (links). Das Balkendiagramm unten zeigt die statistische Auswertung der Schwere der Anfälle.Lightbox-Link
Die roten Flächen mit gesundem Gehirngewebe zeigen es: Genetisch veränderte Mäuse ohne von Willebrand Faktor (vWF) entwickeln kleinere Schlaganfälle (Mitte) als normale Mäuse (links). Das Balkendiagramm unten zeigt die statistische Auswertung der Schwere der Anfälle.Quelle: Kleinschnitz
Mäuse bekommen weniger Schlaganfälle, wenn bei ihnen ein bestimmtes Eiweiß im Blut genetisch ausgeschaltet wird. Das berichten Wissenschaftler aus Würzburg und dem belgischen Leuven im Fachjournal Blood (Online-Veröffentlichung, 30. Januar 2009). Die Arbeitsgruppe um Guido Stoll und Christoph Kleinschnitz von der Neurologische Universitätsklinik Würzburg konnten zusammen mit Bernhard Nieswandt vom Rudolf-Virchow Zentrum nachweisen, dass Mäuse mit einem genetischen Defekt eines bestimmten Blut-Eiweißes, dem sogenannten von Willebrand Faktor, zum einen kleinere Schlaganfälle erleiden. Zum anderen entwickeln sie weniger neurologische Ausfallerscheinungen wie zum Beispiel Lähmungen, wenn sich ihre Gehirnarterien verschließen.

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Der von Willebrand Faktor wird unter anderem von Blutgefäßen gebildet, zirkuliert in der Blutbahn und bildet bei Verletzungen eine Art Netz zwischen den Blutplättchen und der Gefäßwand. Dadurch trägt er ganz wesentlich zur Blutstillung bei. Im Rahmen von Schlaganfällen führt er jedoch offensichtlich zu einer überschießenden und ungewünschten Bildung von Blutpfropfen, die die Gefäße verschließen. Bereits 2007 konnten die Forscher zeigen, dass die Blockade des Eiweißes GPIb, welches auf Blutplättchen vorkommt, Mäuse vor Schlaganfällen schützt (Circulation, 2007, Vol. 115, S. 2323-2330). Der von Willebrand Faktor ist der wichtigste Bindungspartner von GPIb. Jetzt wollen die Wissenschaftler weiter prüfen, ob sich die in mit den Versuchstieren gewonnenen Befunde langfristig auch auf den Menschen übertragen lassen.

Roche Diagnostics kooperiert mit der Fachhochschule Weihenstephan

Die in Penzberg ansässige Roche Diagnostics GmbH arbeitet zum Sommersemester 2009 mit der Fachhochschule Weihenstephan zusammen, um ausgewählten Studenten der Bioprozessinformatik (Studienrichtung 'Verfahren und Automation') während der Ausbildung einen Einblick in die industrielle Praxis zu geben. Das teilte das Unternehmen am 3. Februar mit. Bereits seit dem Wintersemester 2008/2009 bietet die Fachhochschule den neuen Bachelor-Studiengang Bioprozessinformatik an, der den Einsatz von Informatik bei der Erforschung und technischen Nutzung von biologischen Systemen vermittelt. Im Rahmen der nun geschlossenen Kooperation können ausgewählte Studenten einen Studienvertrag mit Roche Diagnostics abschließen, die eine Laufzeit von sechs Semestern besitzen. Damit sichern sich die Studenten ihre Praxiseinsätze einschließlich der praktischen Studiensemester bei Roche in Penzberg. Da sie gleich bei verschiedenen Projekten mitarbeiten, können sie diese Erfahrungen schon während des Studiums umsetzen. Auch die Durchführung der Abschlussarbeit ist dann bei Roche vorgesehen. Die Studierenden erhalten für die Dauer des Vertrages eine monatliche Bezahlung entsprechend der Auszubildendenvergütung. Zudem übernimmt ds Unternehmen die Studienbeiträge. Die Auswahl der Studenten erfolgt in einem firmeninternen Bewerbungsverfahren. Im Rahmen der Studienkooperation stellt Roche aber auch für Studierende der Bioprozessinformatik, die keinen Studienvertrag abgeschlossen haben, Plätze für Praktika, Praxissemester oder Bachelorarbeiten zur Verfügung. Beginnend mit dem Sommersemester 2010 werden Experten von Roche auch die Lehre im Studiengang "Bioprozessinformatik" unterstützen, indem sie Lehrveranstaltungen anbieten und damit den Bezug der Lehrinhalte zur industriellen Praxis aufzeigen.

Mehr zum Studiengang Bioprozessinformatik der FH Weihenstephan: hier klicken

Arteriosklerose als Fehlfunktion des eigenen Immunsystems

ATLO in der Abdominalaorta einer ca. 20 Monate alten an Arteriosklerose erkrankten Maus. Die Lymphozyten in der Gefäßaussenwand wurden mit Hämatoxylin blau angefärbt. Lipidablagerungen sind in rot dargestellt.Lightbox-Link
ATLO in der Abdominalaorta einer ca. 20 Monate alten an Arteriosklerose erkrankten Maus. Die Lymphozyten in der Gefäßaussenwand wurden mit Hämatoxylin blau angefärbt. Lipidablagerungen sind in rot dargestellt.Quelle: IVM/FLI Jena
Als Hauptursache für Herzkreislaufkrankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall ist die Arterioskleorse derzeit für die meisten Todesfälle in den westlichen Industriestaaten verantwortlich. Im Jahr 2020 wird die Arteriosklerose auch weltweit Todesursache Nr. 1 sein, prognostizieren Mediziner. Nun haben Jenaer Forscher nachgewiesen, dass das eigene Immunsystem maßgeblich daran beteiligt ist, wenn sich die Arterienwände im Alter krankhaft verändern. Das berichten sie in der aktuellen Ausgabe des Journal of Experimental Medicine (2009, Vol. 206, S. 233-248). "Bisher ging man davon aus, dass vor allem die Ablagerungen (Plaques) und Entzündungsreaktionen in der Gefäßinnenwand für die lebensbedrohlichen Veränderungen der Arterien verantwortlich sind", sagt Andreas Habenicht, Leiter des Instituts für Vaskuläre Medizin (IVM) am Universitätsklinikum Jena, "wir glauben aber, dass diese Vorstellung zu einfach ist". Rolf Gräbner, wissenschaftlicher Assistent in der Arbeitsgruppe Habenicht, konnte nun zusammen mit Kollegen vom Fritz-Lipmann-Institut (FLI) Jena und Arbeitsgruppen in den USA und Holland erstmals detailliert nachweisen, dass altersabhängige autoaggressive Immunabwehrprozesse an der Außenseite der Gefäßwand eine bedeutende Rolle im Krankheitsbild spielen. Im Mittelpunkt der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Kooperation steht die Rolle so genannter ATLOs. Diese "Arteriellen Tertiären Lymph-Organe" entstehen in der Nähe von chronischen Entzündungen und organisieren vor Ort die spezifische Immunantwort. Offenbar werden die ATLOS, die sich außerhalb der Gefäße anlagern, von den Plaques innerhalb der Gefäße übermäßig aktiviert. In Zukunft, so hoffen die Forscher, könnten spezielle Medikamente zur Unterdrückung von Autoimmunreaktionen Linderung verschaffen, wie sie beispielsweise bei rheumatischen Erkrankungen verschrieben werden.

Mehr Informationen beim Universitätsklinikum Jena: hier klicken

Neue Gene für Herzinfarkt entdeckt

Pipettierroboter für Hochdurchsatz-AnalysenLightbox-Link
Pipettierroboter für Hochdurchsatz-AnalysenQuelle: Annett Thiemig
Jedes Jahr sterben in Europa rund 750.000 Menschen an einem Herzinfarkt. Neben traditionellen Risikofaktoren wie Alter, Bluthochdruck und Übergewicht spielen auch vererbbare Risikofaktoren eine Rolle. Seit Jahren suchen Wissenschaftler mit Hochdruck nach verantwortlichen Genregionen. Zusammen mit europäischen und amerikanischen Kollegen haben Forscher der Universität Lübeck gemeinsam mit Kollegen der Christian-Albrechts-Universität Kiel nun in drei Studien (hier, hier und hier), die parallel in der Fachzeitschrift Nature Genetics (Online-Veröffentlichung, 8. Februar 2009) erschienen, gleich mehrere bisher unbekannte Herzinfarkt-Risikogene identifziert. Die Lübecker Wissenschaftler um Jeanette Erdmann und Heribert Schunkert sind an allen drei Studien beteiligt und griffen dabei aus Daten der von Forschern um Christian Schreiber an der Universität Kiel koordinierten Popgen-Biobank zurück, dern Aufbau im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde (mehr...).  und die erst kürzlich zum Auffinden eines Langlebigkeitsgens beitragen konnte (mehr...). In der ersten der jetzt veröffentlichten Studien untersuchten die Wissenschaftler insgesamt eine Million genetischer Marker bei 1.200 Patienten mit Herzinfarkt und ohne. Das Ergebnis: Auf den Chromosomen 3 und 12 sitzen Gene, deren Varianten den Herzinfarkt verursachen können. In der zweiten Untersuchung gelang es mit einer ähnlichen Methode, drei weitere bislang unbekannte Herzinfarktgene auf den Chromosomen 2, 6 und 21 zu entdecken.

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In der dritten Studie wurden nicht nur einzelne, mit Markern gekennzeichnete Genabschnitte untersucht, sondern Kombinationen aus bis zu zehn benachbarten Markern. Damit wollten die Forscher auch Wechselwirkungen einzelner Risikogene erfassen. An der Universität Lübeck hat die Entdeckung von Herzinfarktgenen schon beinahe Tradition. Im Jahr 2007 veröffentlichten die Forscher die allererste systematische Studie zur Vererbung des Herzinfarktes im New England Journal of Medicine (2007, 18. Juli). Mit den neuen Entdeckungen stammen beinahe alle relevanten Gene, die bisher im Zusammenhang mit Herzinfarkt identifiziert wurden, aus dem von der Europäischen Kommission geförderten "Cardiogenics"-Projekt, das von Lübeck aus koordiniert wird.

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