Stefan Jennewein: Optimierte Mikroben für neue Biokraftstoffe
10.08.2009 -
Stationen in England, USA, der Schweiz - Arbeit für Industrie und Universitäten. Mobilität ist ein Leitmotiv von Stefan Jenneweins Forscherlaufbahn. Was den Biotechnologen und Jungunternehmer neuerdings antreibt ist die Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation: Am Aachener Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME) möchte er aus verholzten Pflanzenresten Biosprit für Dieselmotoren erzeugen. Leisten sollen das gentechnisch veränderte Mikroorganismen, die Zellulose abbauen und zu Hexanol vergären können. Mit diesem Vorhaben ist Stefan Jennewein einer der vier Gewinner des „Ideenwettbewerbs Bioenergie“, mit dem das BMBF neue Forschungsansätze für die Nutzung von Biomasse fördert.
Für seine Forschung ist Stefan Jennewein viel unterwegs: Unter der Woche pendelt der 38-jährige Biochemiker bisweilen zwischen seinem Labor am Fraunhofer-IME in Aachen, der TU Darmstadt und seinem jungen Biotech-Familienunternehmen in Rheinbreitbach bei Bonn. So kennt er es aber schon von seinen zahlreichen Forschungsaufenthalten in England und den USA: „Ständige Ortswechsel gehören für amerikanische Forscher zum täglich Brot, besonders in fachübergreifenden Bereichen wie der industriellen Biotechnologie“, sagt Jennewein.
Ideenwettbewerb Bioenergie |
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat 2008 den Ideenwettbewerb Bionenergie ausgerufen. Stefan Jennewein und sein Team gehörten zu den vier Gewinnern. Mehr Infos zum Ideenwettbewerb: hier klicken |
Mikroben als Phytochemiefabriken
Der gebürtige Schwabe ist so etwas wie ein Zell-Ingenieur, der Stoffwechselwege in der Natur analysiert und neu komponiert, eine Disziplin die sich „Metabolic engineering“ nennt. „Letztlich geht es darum, mit Hilfe von Mikroorganismen kleine chemische Moleküle herzustellen“, sagt Jennewein. Damit das funktioniert, müssen Hefen oder Bakterien mit zusätzlichen Genen für Enzyme ausgerüstet werden, um die gewünschten Stoffwechselschritte ausführen zu können. Nach dem Biochemie-Studium an den englischen Universitäten Sussex und Cambridge forschte Stefan Jennewein für seine Doktorarbeit an der TU München, danach an der Washington State University in Pullman, jeweils zum Thema Naturstoff-Biosynthese. Mit der Herstellung von Taxol beschäftigt er sich dabei bis heute.
Taxol ist ein wichtiger phytochemischer Wirkstoff für die Krebstherapie. Bislang kann die Substanz nur aufwendig aus der Rinde der Eibe gewonnen werden. Wenn es nach Jennewein sollen Mikroben den mühsamen Job der Produktion künftig viel eleganter erledigen. „Doch der Syntheseweg von Taxol ist extrem komplex, mit etwa zwanzig enzymatischen Schritten“, erläutert der Forscher. Erst kürzlich ist es ihm gelungen, Hefen gentechnisch so umzurüsten, dass sie nun zumindest eine erste wichtige Vorstufe der Substanz effizient herstellen können.
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Möglichst wasserunlöslichen Biosprit brauen
Als Forschungsgruppenleiter am Aachener Fraunhofer-IME interessiert sich Stefan Jennewein auch für Biokraftstoffe aus verholzten Pflanzenabfällen. Derart gewonnene Treibstoffe sind CO2-neutral und konkurrieren nicht mehr mit der Nahrungsmittelproduktion. Dabei will Jennewein aber weg vom Bioethanol, das gängigerweise mithilfe von Hefen gebraut wird. „Der große Knackpunkt ist, dass hierbei der lösliche Alkohol später energetisch sehr aufwendig vom Wasser wieder abgetrennt werden muss“, sagt Jennewein. „Deshalb haben wir nach Mikroben gesucht, die einen möglichst wasserunlöslichen Treibstoff produzieren.“ Die Wahl der Aachener fiel auf Clostridien, Bakterien die ohne Sauerstoff Stoffwechsel betreiben. Sie können nicht nur die langkettige Zellulose aus den Pflanzenfasern mit eigenen Enzymen kleinhäckseln, sondern auch sehr effizient und günstig zu Butanol umwandeln. Ein Gärprozess, den schon der Israel-Gründungsvater Chaim Weizmann vor dem Ersten Weltkrieg beschrieben hat. „Wir wollen aber einen Schritt über das Butanol hinaus zum Hexanol“, sagt Jennewein. Der Vorteil: Hexanol, ein Alkohol mit sechs C-Atomen, scheidet sich in Produktionskesseln noch schneller von Wasser ab und kann problemlos als Sprit in Dieselmotoren eingesetzt werden. Mit diesem Konzept hat sich Jennewein auch im Ideenwettbewerb Bioenergie des Bundesministeriums für Bildugn und Foschung (BMBF) durchsetzen können. Mit der Millionenförderung will er nun aufklären, wie sich Clostridien zu zuverlässigen Hexanol-Produzenten aufrüsten lassen. „Dazu braucht es wohl knapp eine Handvoll zusätzlicher Enzyme und eine Menge Analysearbeit“, glaubt Jennewein. Am Fraunhofer IME in Aachen finde er dafür die perfekte methodische Ausstattung.
Junges Familienunternehmen stellt Fukose her
Neben seiner Forschung hat Stefan Jennewein, motiviert durch einen Gründerwettbewerb, 2005 mit Bruder und Schwägerin das Unternehmen Jennewein Biotechnologie GmbH mit Sitz in Rheinbreitbach gegründet. Derzeit sind hier acht Mitarbeiter beschäftigt. Mit drei hochwertigen Zuckermolekülen ist das Familienunternehmen bereits auf dem Markt, wie zum Beispiel mit in der Kosmetikindustrie begehrter Fukose. Bislang wurde Fukose aufwendig aus braunen Meeresalgen gewonnen, in den Firmenlabors wird der Zucker nun mit Hilfe von gentechnisch hergestellten, optimierten Enzymen synthetisiert. „Es geht uns primär darum, Markterfahrung zu sammeln“, sagt Geschäftsführer Stefan Jennewein zufrieden. Bei der wissenschaftlichen Unternehmensführung helfen ihm seine Erfahrungen, die er einst als Industrie-Postdoc beim holländischen Biotech-Konzern DSM gemacht hat.
Neben seinen beruflichen Ortswechseln geht Stefan Jennewein auch privat gern auf Reisen. Wenn dazwischen mal Freizeit bleibt, setzt der Forscher auf Mobilität per Muskelantrieb: Radfahren und hoffentlich bald wieder Rudern, wie er es damals an der Cambridge University schätzen gelernt hat.
Autor: Philipp Graf