Barbara Mayer: Krebsforschung in der dritten Dimension

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Die Biologin Barbara Mayer hat eine Technik entwickelt, mit der sich Zellen räumlich anordnen können. Quelle: Spherotec

20.06.2008  - 

Als ihr die entscheidende Idee kommt, im Dezember 1999, sitzt Barbara Mayer im Flugzeug von Toronto, Kanada nach München. Sie arbeitet als Stipendiatin am der Sunny Brook Health Science Center der Univertsität Toronto und will die wenigen Urlaubstage, die ihr pro Jahr zustehen, in ihrer Heimat mit ihrem Mann verbringen. Die Biologin grübelt über ein Problem, das sie schon seit Jahren beschäftigt: „Wie bekomme ich Zellen in Kultur dazu, dass sie sich räumlich anordnen?“ Ihr fällt ein neuer Ansatz ein, den sie gleich im Urlaub in ihrem alten Labor an der Universität München ausprobieren will. Heute ist dieser Ansatz die Basis der Firma Spherotec, die Meyer vor zwei Jahren zusammen mit ihrer Kollegin Ilona Funke gegründet hat.

Das Problem, das sie beschäftigt, ist keine Spinnerei im Elfenbeinturm, sondern etwas, das viele Krebsforscher, Mediziner und Pharmazeuten beschäftigt. Die einfachste und billigste Möglichkeit, ein neues Medikament zu testen, sieht so aus: Das Mittel wird auf eine Zellkultur gekippt und dann geschaut, was mit den Zellen passiert. Doch die Ergebnisse dieses Verfahrens sind oft trügerisch. Das Medikament Taxol zum Beispiel tötet Brustkrebszellen in einer Kulturschale zu 100 Prozent. Doch gibt man Taxol einer Patientin mit metastasierendem Brustkrebs, dann liegt die Wirksamkeit weit unter 50 Prozent. „Diese Diskrepanz hat mich schon immer skeptisch gemacht“, erinnert sich Mayer.

Zellen zwingen, eine dreidimensionale Struktur zu bilden

Zellen in Kultur wachsen fast immer am Boden ihrer Schale, eine liegt neben der anderen wie Pflastersteine auf einer Straße. „Monolayer“ nennt der Wissenschaftler diese zweidimensionale Anordnung. Tumore im Körper dagegen sind räumlich organisiert, selbst kleine Metastasen haben bereits die dreidimensionale Struktur einer unförmigen Kugel. Mayer vermutet, dass dieser Unterschied ein wichtiger Grund dafür ist, dass Medikamente oft viel besser in Zellkulturen als im menschlichen Körper wirken. „Bei Zellen im Monolayer kann das Medikament zu jedem Zeitpunkt gleichmäßig an jeder Zelle angreifen, das ist bei Tumoren nicht der Fall“, begründet sie ihre Vermutung.

Sperotec bietet Testsysteme mit Tumor- und verschiedenen gutartigen Zelltypen an, mit denen sich der Einfluß des Mikromillieus auf  die Arzneimittelwirkung untersuchen lässt.Lightbox-Link
Sperotec bietet Testsysteme mit Tumor- und verschiedenen gutartigen Zelltypen an, mit denen sich der Einfluß des Mikromillieus auf die Arzneimittelwirkung untersuchen lässt.Quelle: Spherotec

Der neue Ansatz, den Mayer in ihren Weihnachts-ferien ausprobieren will, ist eine Idee, wie man Zellen dazu zwingen kann, in einer Schale eine dreidimen-sionale Struktur zu bilden. Nach ersten Vorversuche merkt sie: „Boah, da tut sich was!“ Ihr wissenschaft-licher Ehrgeiz ist geweckt, sie will wissen, ob es wirklich klappt. 72 Stunden später, sie arbeitet jetzt ununterbrochen im Labor, ist sie sicher, dass die Zellen das machen, was sie von ihnen erwartet: sie bilden kleine unförmige Kügelchen. „Ich hab’s! Ich weiß jetzt wie es geht!“, schreit sie aufgeregt ins Telefon. Am anderen Ende der Leitung ihr Mann, der, wie sich Mayer später erinnert, „wenig amüsiert“ war – denn es ist vier Uhr morgens, und drei Tage lang war sie nicht nach Hause gekommen.

Vorhersagen über die Wirksamkeit von Medikamenten

Was genau ihr neuer Ansatz damals war, darf Barbara Mayer auch heute nicht verraten, denn der Patentantrag für ihr neues Verfahren läuft noch. Und viele Pharmafirmen haben Interesse an ihrer Methode. Denn bisher war nur für ganz wenige Zelllinien bekannt, wie man sie dazu bringt, sich in Kügelchen zu organisieren. Mit ihrer Methode kann Mayer fast alle Tumorarten dazu bringen, eine räumliche Struktur in der Kulturschale zu bilden. Mit den Kügelchen - vom Wissenschaftler „Spheroid“ genannt – gelingen oftmals viel bessere Vorhersagen für die Wirksamkeit von Medikamenten als mit normalen Zellkulturen. So kann das bereits erwähnte Taxol, das 100 Prozent aller Brustkrebszellen im Monolayer tötet, nur 60 Prozent aller Spheroide umbringen. „Damit wird das Ergebnis im Patienten viel realistischer widergespiegelt“, freut sich Mayer.

Mehr Informationen

Sie wollen mehr über die Firma von Barbara Mayer erfahren?

www.spherotec.com

Kurz nach diesen ereignisreichen Weihnachtsferien im Jahr 1999 endet ihre Arbeit in Toronto, Mayer geht zurück an die Universität München, um dort eine Arbeitsgruppe zu leiten. Eines Tages erreicht sie ein Uni-internes Rundschreiben, überschrieben mit „Haben Sie eine Idee in der Schublade? Machen Sie einen Businessplan!“ Es ist die Ausschreibung für ein neues Programm der Uni, bei dem BWL-Studenten zusammen mit Naturwissenschaftlern einen Businessplan für eine Firmenausgründung entwickeln. Mayer ist neugierig und schreibt noch in der Nacht eine Bewerbung. Der Plan: eine Firma soll entstehen, die mit ihrer neuen Methode Spheroide herstellt.

Inzwischen ist die Firma „Spherotec“ mit Sitz in Martinsried, die Mayer zusammen mit ihrer Kollegin Ilona Funke gegründet hat, zwei Jahre alt und hat bereits einen großen Kundenkreis aus der Pharma-Industrie, darunter der Schweizer Konzern Novartis. Auf die Beine gekommen ist das Unternehmen vor allem durch Investitionen des Hightech Gründerfonds und von Bayern Capital. Im Sommer startet die erste große klinische Studie, bei der getestet werden soll, ob mit den Spheroiden auch für Patienten das individuell richtige Krebsmedikament gefunden werden kann. Denn nicht jedes Medikament wirkt gleich bei jedem Patienten.


Autor des Textes: Ragnar Vogt

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