Marina Rodnina: Blick auf die Entstehung molekularer Arbeitstiere

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Frischgebackene Direktorin am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Götingen: Marina Rodnina. Quelle: MPI für biophysikalische Chemie Göttingen

30.04.2008  - 

Eiweiße gelten als die molekularen Arbeitstiere lebender Organismen. Doch bevor sie ihre Funktionen erledigen können, müssen sie hergestellt werden. Diesem Prozess der Proteinbiosynthese hat sich Marina Rodnina schon seit Jahren verschrieben. Auf der Basis biophysikalischer Methoden will die Molekularbiologin genau verstehen, was in den Eiweißfabriken der Zellen, den Ribosomen, im Detail abläuft. Vor allem die Störfälle hat sie dabei im Visier - die sollen schließlich vermieden werden. Seit April ist die heute 48jährige Professorin an der Universität Witten-Herdecke jetzt auch Direktorin der Abteilung „Physikalische Biochemie“ am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen.

Alle wichtigen Funktionen der Zelle - Katalyse, Bewegungs- und Transportprozesse, Signalübertragung und Informationsverarbeitung - werden von Eiweißen ausgeführt. Die Bauanleitungen der Eiweiße sind als genetische Information in der Erbsubstanz (DNA) einer jeden Zelle festgeschrieben. Bei der Proteinbiosynthese wird die genetische Information in eine Kette von Aminosäuren - die Bausteine der Eiwweie - übersetzt, die sich dann zu der dreidimensionalen Struktur des Eiweißes faltet. Für diese Übersetzung ("Translation") ist das Ribosom zuständig: Eine komplexe Miniatur-Maschinerie aus über 50 Eiweißkomponenten und drei bis vier Ribonukleinsäure-Molekülen, die zu einer kleinen und einer großen Untereinheit zusammengesetzt sind. Mit einem Durchmesser von 20 bis 30 Nanometern (millionstel Millimeter) sind diese molekularen Maschinen winzig. Ihre Funktionsweise lässt sich nur mit größerem Aufwand untersuchen.

Wichtigstes Ziel: Störfälle in der Mini-Maschine vermeiden

Marina Rodnina hat sich schon seit Jahren genau dieser Aufgabe zugewandt.  Angefangen hat alles an der Universität Kiev (Ukraine), wo sie zunächst studierte und 1989 in Molekularbiologie und Genetik promovierte. Mit dem politischen Umbruch im Jahr 1990 wechselte sie nach Deutschland an die Universität Witten-Herdecke. Dort widmetete sie sich bereits dem Zusammenbau der Eiweiße und forschte an der Proteinbiosynthese - als Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung. Nach ihrer Habilitation im Fach Biochemie wurde Marina Rodnina 1998 von der Universität Witten-Herdecke als Professorin berufen. Dort leitet sie seit 2000 den Lehrstuhl für Physikalische Biochemie.

Um die Arbeit der Mini-Maschinen im Detail besser zu verstehen, wendet die Wissenschaflterin verschiedene biophysikalische Methoden wie Fluoreszenzmessungen und schnelle Kinetiken an. In der Entwicklung und in der Anwendung dieser komplexen Methoden bei Untersuchungen von Ribosomen ist die Arbeitsgruppe weltweit führend.

Die Wissenschaftlerin interessiert es vor allem, wie "Störfälle" in der Eiweißfabrik vermieden werden. "Der Zusammenbau der Eiweiße muss äußerst genau sein und Proteine mit exakt der richtigen räumlichen Struktur liefern“, erläutert Rodina. „Wir möchten herausfinden, welche Regulationsmechanismen in der Zelle für die Qualitätskontrolle sorgen und wie Fehler vermieden werden. Denn selbst kleinste Fehler können für die Zelle bereits fatale Folgen haben."

Wichtige Grundprinzipien der Qualitätskontrolle hat Rodnina in der Vergangenheit bereits erfolgreich aufklären können. Ihre Forschungsarbeiten haben sich dabei vor allem auf den Zusammenbau der Eiweiße in Bakterien konzentriert. Für die nächsten Jahre hat sich die Wissenschaftlerin noch einiges mehr vorgenommen: "Wir möchten unsere Methoden zukünftig auch auf die Proteinbiosynthese in höheren Zellen ausdehnen, ein System, das noch sehr viel komplexer ist".

Eine genauere Kenntnis der unterschiedlichen Translationsprozesse ist nicht nur entscheidend, um die Ursachen bestimmter menschlicher Erkrankungen aufzuklären, sondern auch Voraussetzung, um gezielt neue Medikamente zu entwickeln. Zahlreiche Antibiotika blockieren bestimmte Prozesse während der Proteinbiosynthese und legen damit die Eiweiß-Maschinerie lahm. Da sich bakterielle Ribosomen in einigen wichtigen Details von den Ribosomen höherer Organismen unterscheiden, verhindern bestimmte Antibiotika erfolgreich die Proteinsynthese in Bakterien, nicht aber in den Zellen unseres Körpers. Detaillierte Kenntnisse könnten daher eine Grundlage für die Neuentwicklung von Medikamenten gegen Infektionskrankheiten schaffen.

Die von ihr entwickelten biophysikalischen Methoden möchte Rodnina zukünftig nicht nur auf Ribosomen, sondern auch auf andere makromolekulare Maschinen in der Zelle anwenden. Dazu biete das MPI für biophysikalische Chemie ausgezeichnete Kooperationsmöglichkeiten, so die neue Direktorin. "Marina Rodninas weltweit anerkannte Expertise bei der Untersuchung großer Proteinkomplexe ergänzt in hervorragender Weise bestehende Forschungsrichtungen am Institut", sagt Christian Griesinger, Geschäftsführender Direktor des MPI für biophysikalische Chemie. "Das Gebiet der Biophysik in Göttingen wird durch ihre Berufung deutlich gestärkt".

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