Thomas Knott: Zwischen Marketing und Membrankanälen

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Thomas Knott wollte schon immer gestalten, sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich. Quelle: Cytocentrics

27.02.2008  - 

Der Werdegang des Biologen Thomas Knott ist geprägt von einem Pendeln zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. „Mein Weg ist nicht so logisch und direkt, sondern getrieben vom Wunsch, etwas zu gestalten“, sagt der 39-Jährige, heute Vorstand des Unternehmens Cytocentrics in Rostock. Knotts Berufsleben spielt sich immer in beiden Bereichen ab: Einen Tag beschäftigt er sich im Labor mit der Fein-Einstellung des Prototypen einer „Patch-Clamp“-Maschine. Am nächsten Tag versucht er, Investoren von der Markttauglichkeit seiner Neuentwicklung zu überzeugen. Gerade hat Knott es geschafft, die Finanzierung seiner Firma bis Anfang 2009 zu sichern.

Doch nicht immer sah die Zukunft für seine Firma so rosig aus. Im Jahr 2004, also zwei Jahre nach der Gründung von Cytocentrics, erlebte Thomas Knott eine große unternehmerische Krise. Der Bio-Chip, den er entwickelt hatte, funktionierte tadellos, doch es gab Probleme mit dem Gerät, in das der Chip eingebaut werden soll. „Wir hatten das unterschätzt: Der Übergang von Mikro auf Makro ist sehr schwierig zu handhaben“, erinnert sich Knott. Eigentlich sollte das Gerät schnell auf den Markt, durch die Verzögerung geht das Geld der Investoren aus. Knott muss vier seiner acht Mitarbeiter entlassen. Doch dann kommt die Rettung aus unverhoffter Richtung.

Patch-Clamp-Methode: Standard in der Pharma-Industrie

Mit dem Gerät soll ein Verfahren automatisiert werden, mit dem die Pharma-Industrie fast jeden neuen Wirkstoff testet: die Patch-Clamp-Methode. Sie gibt es bereits seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals war die Methode bahnbrechend: Die beiden deutschen Wissenschaftler Bert Sakmann und Erwin Neher erhielten dafür im Jahr 1991 den Medizin-Nobelpreis. Heute ist Neher im wissenschaftlichen Beirat von Knotts Firma. Bisher muss die Technik vor allem von hochqualifizierten Wissenschaftlern per Hand durchgeführt werden. Es gibt zwar erste Maschinen von anderen Firmen, diese können aber – zumindest nach Angaben von Knott – nicht komplett die Untersuchung durch einen Menschen ersetzen.

Die Idee, eine Firma im Wissenschaftsumfeld zu gründen, entwickelt sich bei Knott nur langsam. Zunächst studiert er Biologie in Regensburg, Leipzig und Tübingen. Nach dem Diplom verlässt er die Universität, kehrt der Biologie den Rücken  und arbeitet als freier Programmierer. „Da habe ich gelernt, wie man sich als Selbstständiger behauptet und dabei seine Ziele erreicht.“ Seine Frau hat gerade ihr erstes Kind bekommen, mit der Entwicklung von Bankensoftware verdient er genügend Geld, um die junge Familie zu ernähren.

Idee: Vom Handbetrieb zur automatisierten Version

Doch nach zwei Jahren, das zweite Kind ist gerade unterwegs, entscheidet sich Knott, wieder an die Universität zu wechseln. „Ich war nicht zufrieden, denn ich konnte nichts richtig gestalten“, begründet Knott diesen Schritt heute. Für seine Promotion am Naturwissenschaftlich-Medizinischen Institut an der Universität Tübingen erforscht er, wie sich epileptische Anfälle im Gehirn ausbreiten. Dafür misst er mit Hilfe von Mikroelektroden die Ströme, die in Nervenzellen fließen. Eine benachbarte Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Idee, mit Hilfe von Mikrochips das Patch-Clamping zu automatisieren.

So sehen Zellen auf dem Bio-Chip aus, mit dem sich das Verhalten von Kanal-Molekülen in Zellen analysieren lässt.Lightbox-Link
So sehen Zellen auf dem Bio-Chip aus, mit dem sich das Verhalten von Kanal-Molekülen in Zellen analysieren lässt.

Das besondere an der Patch-Clamp-Methode ist, dass damit Kanal-Moleküle in der Zellmembran untersucht werden können. Die Membran, also die Haut der Zelle, ist für viele Stoffe undurchlässig. Die Zelle muss aber Stoffe mit ihrer Umgebung austauschen, um ihren Ionenhaushalt zu regulieren und um mit der Umwelt zu kommunizieren. Dafür besitzen alle Zellen in ihrer Membran Kanal-Moleküle. Diese Kanäle sind hochspezifisch, durch einen Kalium-Kanal passt zum Beispiel kein Natrium-Ion. Sie können geschlossen und wieder geöffnet werden. Ob ein Kanal offen oder zu ist, entscheiden hoch-komplexe Steuerungsprozesse.

Die Regulierung der Kanäle ist zwar noch nicht komplett verstanden, aber durch die manuelle Patch-Clamp-Methode weiß man heute sehr viel darüber. Bei der Methode saugen die Forscher mit einer haarfeinen Pipette eine Zelle an und reißen dann ein Stück aus der Membran heraus. Nun messen die Forscher den Strom, der zwischen dem Inneren der Pipette und dem Äußeren fließt. Auf diese Weise können Wissenschaftler das Verhalten der Kanal-Moleküle untersuchen.

Kein ganz einfacher Firmenstart

Zusammen mit Dr. Alfred Stett von der benachbarten Arbeitsgruppe entwirft Knott die Idee, eine Firma zu gründen, die Patch-Clamping-Maschinen entwickelt. In der Pharma-Indrustie ist so etwas von großem Interesse: Nicht nur in der Grundlagenforschung, sondern auch bei der Medikamenten-Entwicklung arbeiten Forscher mit der Patch-Clamp-Methode. Denn Mediziner haben festgestellt, dass bestimmte Nebenwirkungen von Stoffen darauf beruhen, dass diese Stoffe die Kanäle in der Zellmembran blockieren. Deshalb schreiben die amerikanischen und die europäischen Zulassungsbehörden seit einigen Jahren vor, dass jeder neue Wirkstoff mit der Patch-Clamp-Methode getestet werden muss.

Der Start von Knotts Firma gestaltet sich allerdings nicht ganz einfach. Zumal seine Frau – wie bei jedem großen Schritt in Knotts Berufsleben - ein Kind erwartet, das Dritte. Doch beruflich bekommt Knott schon beim Start seiner Firma Unterstützung von einem holländischen Chip-Hersteller, der noch heute am Unternehmen beteiligt ist. Einen weiteren großen Teil der Anfangsfinanzierung stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit ihrem Programm BioChance vor, mit dem risikoreiche Forschungs- und Entwicklungsprojekte von kleinen und mittleren Unternehmen gefördert werden.

Die unverhoffte Rettung nach der Krise im Jahr 2004 kommt aus dem Nordosten Deutschlands. Der Risikofinanzierer Genius Venture Capital ist bereit, in das Unternehmen Geld zu stecken. Allerdings nur unter einer Bedingung: Cytocentrics, bisher im baden-württembergischen Reutlingen beheimatet, soll nach Rostock ziehen. Denn das ist das Ziel des Finanzinvestors: Firmen nach Mecklenburg-Vorpommern zu locken. Der Umzug an die Ostsee ist ein Schritt, den Knott bisher nicht bereut hat – im Gegenteil: „Hier sind die Kosten für Mieten und Personal geringer, außerdem gibt es hier sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte.“ Heute richtet sich alle Hoffnung der Firma auf den Jahresbeginn 2009, denn dann werden die ersten fertigen Prototypen der neuen Patch-Clamp-Maschine erwartet. Diese sollen dann von ausgewählten Kunden in der Pharma-Industrie getestet werden - wenn dieses Mal alles nach Plan verläuft.

Autor des Textes: Ragnar Vogt

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