Bionische Gleitschicht macht Schiffe sparsamer

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Eine bionische Gleitschicht aus Luft könnte den Reibungsverlust von Schiffen um zehn Prozent senken, sagen deutsche Forscher. Quelle: Klaas Hartz/pixelio.de

14.05.2010  - 

Was der Schwimmfarn mit der globalen Transportbranche zu tun hat, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Die Tricks der  unscheinbaren Pflanze könnten Schiffen jedoch zu einem zehn Prozent geringeren Kraftstoffverbrauch verhelfen. Das glauben Forscher der Universitäten Bonn, Karlsruhe und Rostock. Sie haben nun aufgeklärt, wie der Farn es schafft, sich unter Wasser in ein hauchdünnes Kleid aus Luft zu hüllen und dieses monatelang festzuhalten. Ahmt man diese Lufthülle mit anderen Materialien nach, ließe sich das vielleicht zur Konstruktion neuartiger reibungsarmer Schiffsrümpfe nutzen, so die Wissenschaftler, die ihre Erkenntnisse im Fachblatt  „Advanced Materials“ (Online-Vorabveröffentlichung, 28. April 2010) vorstellen.


 

Der Schwimmfarn Salvinia molesta ist extrem wasserscheu: Taucht man ihn unter und zieht ihn danach wieder heraus, perlt die Flüssigkeit sofort von ihm ab. Danach ist er wieder komplett trocken. Oder richtiger: Er war nie wirklich nass. Denn unter Wasser hüllt sich der Farn in ein hauchdünnes Kleid aus Luft. Diese Schicht verhindert, dass die Pflanze mit Flüssigkeit in Kontakt kommt. Und das selbst bei einem wochenlangen Tauchgang. Materialforscher nennen dieses Verhalten „superhydrophob“. Diese Eigenschaft ist für viele Anwendungen von Interesse – etwa für schnell trocknende Bademode oder eben Sprit sparende Schiffe. Es ist inzwischen möglich, superhydrophobe Oberflächen nach dem Vorbild der Natur zu konstruieren. Diese „Nachbauten“ haben aber einen Nachteil: Die Luftschicht, die sich auf ihnen bildet, ist zu instabil. In bewegtem Wasser verschwindet sie spätestens nach einigen Stunden. Viel zu wenig, um damit Schiffe auszustatten.

Die Forscher aus Bonn, Rostock und Karlsruhe haben nun enträtselt, mit welchem Trick der Schwimmfarn sein luftiges Kleidchen festhält. Schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass auf der Oberfläche seiner Blätter winzigkleine schneebesenartige Härchen sitzen. Diese sind hydrophob: Sie halten das Wasser in der Umgebung auf Distanz.

Ein Wassertropfen auf einem Schwimmfarn-Blatt. Die schneebesenartigen Härchen sind gut zu erkennen, ebenso wie der hydrophile Bereich an ihrer Spitze, mit dem sie den Tropfen festhalten.Lightbox-Link
Ein Wassertropfen auf einem Schwimmfarn-Blatt. Die schneebesenartigen Härchen sind gut zu erkennen, ebenso wie der hydrophile Bereich an ihrer Spitze, mit dem sie den Tropfen festhalten.Quelle: Nees-Institut

Wasser wird „festgetackert“

Das ist aber nur eine Seite der Medaille: „Wir haben zeigen können, dass die äußersten Spitzen dieser Schneebesen hydrophil sind, also wasserliebend“, erklärt Wilhelm Barthlott von der Uni Bonn. „Sie tauchen in die umgebende Flüssigkeit ein und ‚tackern’ das Wasser gewissermaßen in regelmäßigen Abständen auf der Pflanze fest. Die darunter sitzende Luftschicht kann daher nicht so leicht entweichen.“

Barthlott leitet in Bonn das Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen. Dort nahmen die Untersuchungen ihren Anfang, die heute zusammen mit dem Lehrstuhl für Strömungsmechanik der Universität Rostock und dem Institut für Angewandte Physik der Universität Karlsruhe weitergeführt werden. „Nach Aufklärung der Selbstreinigung durch das Lotus-Blatt vor zwanzig Jahren ist die Entdeckung des Salvinia-Effektes eine der wichtigsten neuen Erkenntnisse in der Bionik“, sagt Thomas Schimmel von der Universität Karlsruhe.

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Weltweite Kraftstoffersparnis: ein Prozent

Falls sich die Technik übertragen ließe, hätte sie große Auswirkungen auf die weltweite Transportbranche. Bislang geht bei Containerschiffen mehr als die Hälfte der Antriebsenergie durch Reibung des Wassers am Rumpf verloren. Mit einer Luftschicht ließe sich dieser Verlust nach Schätzung der Forscher um zehn Prozent reduzieren. Da Schiffe riesige Spritschlucker sind, wäre der Gesamteffekt enorm. „Man könnte so wahrscheinlich ein Prozent des weltweiten Gesamtverbrauchs an Treibstoff einsparen“, prognostiziert Barthlott. „Oberflächen nach dem Vorbild des Schwimmfarns könnten den Schiffsbau revolutionieren“, meint auch Professor Alfred Leder von der Universität Rostock.

Nees-Institut

Das Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen an der Universität Bonn beschäftigt sich mit der Erforschung der Biodiversität, Systematik und Ökologie der Pflanzen.

zum Institut: hier klicken

Seit Jahrzehnten arbeitet das Bonner Nees-Institut  an der Erforschung von Oberflächenstrukturen natürlicher Organismen. eine Spezialität der Bonner Forscher sind ebenjene superhydrophoben Oberflächen, die es manchen Tieren und Pflanzen in der Natur erlauben, immer trocken zu belieben.  Die Wissenschaftler haben in der Vergangenheit etwa den "Lotus"-Effekt entdeckt, der es den Blättern der Lotus-Pflanze erlaubt, Regenwasser effektiv abperlen zu lassen und trocken zu bleiben. Aber auch im Tierreich lassen sich Beispiele für die nützliche Eigenschaft finden. Die Wasserjagdspinne bleibt trocken, wenn sie unter Wasser auf Beutefang geht.  Das verdankt sie ihren langen Haaren, die so raffiniert angeordnet sind, dass sich unter ihnen große Hohlräume mit Luft bilden.

 Das ausgeklügelte Haargeflecht nachzubauen, davon sind die Forscher aber noch weit entfernt. Luftbeschichtete Materialien in einer einfacheren Form befinden sich aber schon in der Erprobung. So bleiben Prototypen von Badeanzügen auch nach vier Tagen unter Wasser noch trocken. Bis diese und andere Naturtechniken aber so weit verstanden und nachgebaut sind, damit sie auch vom Menschen nutzbringend eingesetzt werden können, wird noch etwas dauern. Es könnte aber gut sein, dass die ersten Erfolgsmeldungen in dieser Hinsicht aus der Meckenheimer Allee in Bonn kommen.

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