Bioökonomierat: Pflanzen als Hoffnungsträger der Zukunft

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Was muss die Pflanzenforschung für eine Bioökonomie der Zukunft leisten: Experten aus Wirtschaft , Wissenschaft und Politik diskutierten beim BMBF-Fachforum in Berlin. Quelle: Jens Freitag/Genius

11.02.2010  - 

Der steigende Nahrungsmittelbedarf einer explodierenden Weltbevölkerung, knapper werdende Erdölressourcen und der Klimawandel: Die moderne Pflanzenforschung steht in den nächsten 20 Jahren vor enormen globalen Herausforderungen. Welche Weichenstellungen erforderlich sind, um Nahrungsmittelpflanzen produktiver zu machen, nachwachsende Rohstoffe in industrielle Produktionsprozesse zu integrieren sowie die Erderwärmung zu bremsen, dazu soll der in der letzten Legislaturperiode ins Leben gerufene Bioökonomierat die Bundesregierung beraten. Erstmals lud das interdisziplinär besetzte Gremium zu einer öffentlichen Experten-Tagung am 10. und 11. Februar nach Berlin ein.

 

Der Bioökonomierat wurde Anfang 2009 als unabhängiges Berater-Gremium für die Bundesregierung durch das Bundesforschungsministerium (BMBF) und das Bundesernährungsministerium (BMELV) eingerichtet. Es ist administrativ bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatec) angesiedelt (mehr...). Zu dem BMBF-Fachforum „Pflanzenforschung, Klima, Nachhaltigkeit – interdisziplinäre Konzepte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft““ in Berlin hatte der Rat zusammen mit dem Deutschen Pflanzengenomnetzwerk GABI  zur öffentlichen Diskussion eingeladen. Rund 100 Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft, Ministerien und Verbänden diskutierten während der zweitägigen Veranstaltung über die agrarwirtschaftlichen und klimatischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und welchen Beitrag die moderne Pflanzenforschung zu ihrer Bewältigung beitragen kann. Um die Probleme lösen zu können, seien vor allem zwei Dinge zentral, sagte Professor Reinhard Hüttl, Vorsitzender des Bioökonomierates und gleichzeitig Präsident von acatec am ersten Tag der Veranstaltung: „Forschung und der Transfer der Forschungsergebnisse in die Anwendung.“

Schlagwort wissensbasierte Bioökonomie

Gerade weil es keine einfachen Antworten auf die komplexen Herausforderungen der Ressourcen- und Nahrungsmittelverknappung sowie Erderwärmung gebe, sei eine unabhängige, wissensbasierte Technologieberatung wichtig. Bereits im Herbst wird der mit Industrievertretern verschiedener Branchen und Wissenschaftern besetzte Bioökonomierat ein Gutachten vorlegen, das den Weg in eine „wissensbasierte Bioökonomie“ (Knowledge Based Bio-Economy) weisen soll. Dabei geht es laut Ekkehard Warmuth, Leiter des Biotechnologie-Referats im Bundesforschungsministerium, um nichts anderes als die Pflanze als Technologieträger des 21. Jahrhunderts zu etablieren und eine Wirtschaft zu entwickeln, die wissenschaftlichen Fortschritt und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen vereint.

Der Handlungsbedarf scheint groß. Schon in 20 Jahren wird die wachsende Weltbevölkerung laut Hüttl 42 Prozent mehr Nahrungsmittel benötigen, 2050 sollen es bereits 70 Prozent mehr sein. Doch die Landwirtschaft stoße an Grenzen – seit 1990 wachse die Produktivität immer langsamer. Dazu komme, dass die Entwicklung neuer Pflanzensorten Zeit braucht – im Durchschnitt zwischen acht und zwölf Jahre. Zugleich gelte es Antworten auf die Ressourcenverknappung, insbesondere des wichtigen Energieträgers und Industrierohstoffes Erdöl, zu finden und möglichen klimabedingten Effekten wie zunehmender Umweltdegradation und neuen Tier- und Pflanzenkrankheiten zu begegnen, zum Beispiel durch Entwicklung von  Pflanzen, die Krankheiten und Stress besser widerstehen, Nährstoffe effizienter nutzen und besseren Ertrag und Qualität liefern.

Gentechnik nur eines von vielen Werkzeugen

Einen Schlüssel dazu biete die gesamte Palette molekularbiologischer Techniken, erläuterte Bernd Müller-Röber, Vize-Vorsitzender des Bioökonomierates und Pflanzenmolekularbiologe an der Universität Potsdam, vom Smart breeding bis zur gentechnischen Veränderung. Fortschritte in der funktionellen Genomforschung und Metabolomforschung versprächen eine beschleunigte Identifizierung der komplexen Gen- und Proteinnetzwerke, die die Eigenschaften der Pflanzen bestimmen.

Bioökonomierat

Der Bioökonomierat wurde 2009 als unabhängiges Beratergremium für die Bundesregierung eingerichtet. Die Bioökonomie zielt auf die nachhaltige wirtschaftliche Nutzung  von nachwachsenden Rohstoffen ab, unter anderem durch die Nutzung der grünen und der weißen Biotechnologie.

Zur Website des Bioökonomierats: hier klicken

Dieses Wissen eröffne auch Möglichkeiten, sie gezielt zu verändern. Wichtig sei es in diesem Zusammenhang, nicht einzelne Techniken wie die gentechnische Modifikation von Pflanzen zu verdammen, die nur eines von vielen Hilfsmitteln im Werkzeugkasten der Pflanzengenetiker und -züchter sei.  Nachwachsende Rohstoffe — insbesondere in Bioraffinerien zu Wertstoffen fermentierte Pflanzenreste – sind auch für die Chemieindustrie neben der Nutzung von Erdgas oder Kohle eine der möglichen Optionen der Erdölverknappung durch Nutzung alternativer Ausgangsstoffe entgegenzutreten. Allerdings sei noch viel Forschung zu leisten, um wirtschaftliche Fermentationsverfahren in die über Jahrzehnte gewachsene und optimierte Verbundproduktion der Chemieunternehmen einzubinden, sagte Hans Kast von der BASF Plant Science Holding GmbH. Der Schwerpunkt der biotechnologischen Nutzung von Fetten und Kohlenhydraten aus nachwachsenden Rohstoffen liege derzeit auf der Herstellung von Aminosäuren, Vitaminen und organischen Säuren, also hochwertigen Produkten. Die Biomassenutzung stehe derzeit noch vor großen technischen Herausforderungen, wie etwa einem effizienten Verfahren zum Aufschluss von Lignocellulose.

Nachholbedarf bei Kartoffeln und Weizen

In einem moderierten Podiumsgespräch tauschten am zweiten Tag des Fachforums fünf Experten aus Umwelt- und Pflanzenforschung, sowie  des BMBF über die „Zukunft der Pflanzenforschung“ aus.

Leon Broers, Vorstandsmitglied bei der KWS Saat AG aus Einbeck, wünschte sich  von der Politik trotz guter Forschungsstrukturen bessere Rahmenbedingungen um Modelle wie „Public Private Partnerships“ vorantreiben zu können. Und lobte in dieser Hinsicht das Genomforschungsnetzwerk GABI. Er forderte mehr öffentliche Unterstützung für den Aufbau von gemeinschaftlichen Plattformen und Datenbanken für molekulare Marker. Gleichzeitig wies Broers auf Bereiche mit Nachholbedarf hin: „Besonders bei Kartoffeln und Weizen ist die Züchtungsforschung hinten dran“, sagte Broers.

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Um Nutzpflanzen besser vor Trockenheit und Schädlingsbefall zu wappnen, stünden zunehmend „klimaspezifische Zuchtziele“ im Fokus der Saatguthersteller. Dabei sei Weitblick gefordert: „Wir müssen schon heute mit der Züchtung der Pflanzen für das Klima von morgen beginnen“. Volker Mosbrugger, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung betonte, die Pflanzenzüchter müssten ihren Blick vom Ertrag mehr auf das vielschichtige Potenzial von Nutzpflanzen richten.

Bezüglich der Züchtung solcher „multifunktionalen Pflanzen“ meldete Pflanzenforscher Andreas Graner vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben Zweifel an: „Wir können vom Acker nicht alles abfordern.“

Nachwuchs in Bioinformatik dringend gesucht

Graner sieht eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Forschung in der Untersuchung der genetischen Vielfalt gerade bei bislang vernachlässigten Arten, um diese für die kommerzielle Nutzung zu bewerten. Außerdem müsse die Pflanzenforschung sich auch noch stärker mehrjährigen Gewächsen widmen als bisher. In der modernen Pflanzenforschung fielen mittlerweile riesige Datenmengen an. „Deshalb müssen Ressourcen für eine Biodiversitäts-Informatik und Datenmanagement geschaffen werden.“ Doch gerade hier mangele es an Nachwuchs. Sorgenkind bleibt die gesellschaftliche Akzeptanz der Pflanzenzüchtung und der Grünen Gentechnik. Hier komme es entscheidend darauf an, die Bedeutung der Pflanzenforschung stärker zu kommunizieren. Es brauche eine gesellschaftlichen Debatte, die zu mehr Offenheit gegenüber modernen Technologien bei der Pflanzenforschung führe.

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