Mit Pilzen verstrahlte Böden sanieren

HZDR-Forscher untersuchen Pilze im Labor. <ic:message key='Bild vergrößern' />
HZDR-Forscher untersuchen Pilze im Labor. Sie könnten eine wichtige Rolle bei der Behandlung radioaktiv belasteter Böden spielen. Quelle: HZDR

08.08.2016  - 

30 Jahre nach dem Atomunfall im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl sind die Böden weiterhin radioaktiv verseucht. Im Projekt BioVeStRa suchen Forscher aus Dresden, Jena und Hannover nun einen Weg, um mithilfe von Pilzen, kontaminierte Gelände zu sanieren. Das Forschungsvorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für drei Jahre mit rund einer Million Euro unterstützt.

Am 26. April 1986  explodierte der Reaktor Nummer vier im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl. Drei Jahrzehnte später sind die Folgen für Mensch und Umwelt noch immer spürbar. Nach einer aktuellen Studie im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace leben rund fünf Millionen Menschen in der Ukraine und Weißrussland auf verseuchtem Boden. Auch in Deutschland werden noch immer, vor allem in Bayern, Spuren radioaktiver Stoffe in Pilzen und Tieren gefunden. Ein vielversprechender Kandidat, um kontaminierte Gelände zu sanieren, scheinen Pilze zu sein. Bekannt ist, dass einige Pilzarten das Potenzial haben, radioaktive Stoffe wie Strontium-90 und -85, Cäsium-137 aus Böden zu ziehen.

Schadstoffverträglichkeit erkunden

Im neuen BMBF-Forschungsprojekt BioVeStRa (Biologische Verfahren zur Strahlenschutzvorsorge bei Radionuklidbelastungen) wollen Mikrobiologen vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) gemeinsam mit Kollegen der Friedrich-Schiller-Universität Jena, des VKTA – Strahlenschutz, Analytik & Entsorgung und der Leibniz Universität Hannover nun die Pilzsorten Schizophyllum commune und Leucoagaricus naucinus auf ihre Fähigkeiten genauer untersuchen. „Die meisten Untersuchungen beschränken sich bisher auf den oberirdischen Fruchtkörper. Welche Prozesse sich im eigentlichen Pilzkörper, also dem Myzel, abspielen, ist bisher ungeklärt. Wir können deshalb noch nicht für alle Radionuklide sagen, weshalb die Pilze die Schadstoffe aufnehmen und vor allem warum sie sie vertragen“, erzählt Johannes Raff vom Institut für Ressourcenökologie am HZDR.

Verstrahlte Erde nutzbar machen

Im Fokus der Laborexperimente stehen die radioaktiven Isotopen Strontium-90 und -85, Cäsium-137 und Americium-241 sowie weitere nicht-radioaktive Isotopen der Elemente Strontium, Cäsium und Europium. Im Projekt wollen die Forscher aber nicht nur Pilze auf ihre Fähigkeit Schadstoffe zu binden untersuchen. Eine weitere Frage ist, welchen Einfluss Pilze auf Nutzpflanzen haben. „Dabei geht es natürlich hauptsächlich um die Frage, ob die Pilze die schädlichen Stoffe von den Pflanzen fernhalten können, was zum Beispiel bei einigen nicht-radioaktiven Schwermetallen der Fall ist. Darauf aufbauend könnte eine Methode entwickelt werden, um kontaminierte Flächen wieder landwirtschaftlich nutzbar zu machen.“

Mehr zum Thema:

News: Schmutz-und Wasserblocker aus Pilzproteinen

News: Mit Naturheilkunde Pflanzen stärken

Förderbeispiel: Pilz-Biokohle-Mix als Gartendünger

Neben der Eigenschaft radioaktive Stoffe aufzunehmen haben Pilze die Fähigkeit, sich in kurzer Zeit weiträumig auszubreiten. „Gerade bei akuten Störfällen, beispielsweise bei Leckagen in Rohrleitungs- und Schleusensystemen, könnten sie eingesetzt werden, um zu verhindern, dass radioaktive Stoffe in das Grundwasser und damit in den Nahrungskreislauf gelangen“, erklärt Raff. Die hohe Lebensdauer einiger Pilzsorten - sie können bis zu 100 Jahre alt werden- lässt die Forscher hoffen, dass Schadstoffe solange gespeichert werden können, bis sie zerfallen.

Praxistest in Tscherobyl

Doch zunächst müssen die Wissenschaftler um Johannes Raff grundlegende Kenntnisse im Labor sammeln und die ausgewählten Pilzkandidaten auf ihre Fähigkeiten genau untersuchen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dann bei einem Freilandversuch mit radioaktiv belastetem Boden aus der Sperrzone um den havarierten Reaktorblock in Tschernobyl unter realistischen Bedingungen getestet werden. „Sollten die Ergebnisse überzeugen, könnte sich daraus auf lange Sicht auch ein Reinigungsverfahren für belastetes Abwasser oder Schlämme ableiten“, sagt Raff.

© bioökonomie.de/bb

Broschüre Bioökonomie in Deutschland

Bioökonomie in Deutschland

In immer mehr Industriebranchen spielen biobasierte Prozesse und Produkte eine Rolle. Sie sind der Schlüssel zu einem nachhaltigen und ressourceneffizienten Wirtschaften. Die neue Broschüre gibt einen umfassenden Überblick, wo Deutschland auf dem Weg zu einer Bioökonomie steht.


Zur Rubrik Publikationen

Bioökonomie weltweit

Bioökonomie weltweit

Die Bioökonomie gewinnt in immer mehr Ländern an Bedeutung. Mehr Informationen erfahren Sie in unserem Dossier.


Bioökonomie weltweit: Ein Überblick

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Ob Photosynthese oder Fermentation - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Bioökonomie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit