Algentechnikum: Perfektes Licht für grüne Kerosin-Fabriken

Dank einer speziellen LED-Technik können im neuen Algentechnikum die Lichtverhältnisse jedes Ortes auf der Erde simuliert werden. So wird erforscht, welche Mikroalge das Zeug zur sprudelnden Biokerosinquelle hat. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Dank einer speziellen LED-Technik können im neuen Algentechnikum die Lichtverhältnisse jedes Ortes auf der Erde simuliert werden. So wird erforscht, welche Mikroalge das Zeug zur sprudelnden Biokerosinquelle hat. Quelle: Andreas Heddergott/TUM

14.10.2015  - 

Das Potenzial von Algen ist enorm. Die grünen Winzlinge produzieren nicht nur Inhaltsstoffe, die für die Pharma- und Kosmetikindustrie interessant sind. Aus den Lipiden im Algenöl lässt sich auch Kerosin gewinnen. Bisher werden jedoch nur zehn der 5000 bekannten Algenarten kommerziell genutzt. Mit dem weltweit ersten „Algentechnikum“ auf dem Ludwig Bölkow Campus der Technischen Universität München in Ottobrunn soll sich das nun ändern. In dem 10 Millionen Euro teuren Hightech-Gebäude können Klima- und Lichtbedingungen exakt simuliert werden. So sollen effiziente Verfahren zur Produktion von Biokerosin und chemischen Wertstoffen aus Algen erforscht werden. Der Neubau wurde im Rahmen des Projekts „AlgenFlugKraft“ jeweils zur Hälfte aus bayerischen Landesmitteln und der Airbus Group finanziert.

Sowohl für die Forscher wie auch deren Studienobjekte bietet das 1500 Quadratmeter große Algentechnikum paradiesische Bedingungen. Das Besondere: hier können die technischen und klimatischen Bedingungen für praktisch jeden Ort auf der Welt simuliert werden. Die Fassade besteht aus Spezialglas, das auch UV-Strahlung passieren lässt. Eine ausgefeilte Klimatechnik sorgt dafür, dass sowohl tropische als auch sehr trockene Klimabedingungen erzeugt werden können. In den beiden äußeren Hallen können dabei unterschiedliche Klimazonen simuliert werden.

LED-Beleuchtung lässt sich feinsteuern
Die mittlere Halle dient Anzucht- und Vorbereitungsexperimenten. Eine zusätzliche LED-Beleuchtung ermöglicht es, dass die Licht- und Klimabedingungen jedes Ortes auf der Welt erzeugt werden können. Die hoch effizienten LEDs liefern Licht im Wellenlängenbereich zwischen 300 und 800 Nanometern und einer dem Sonnenlicht sehr nahekommenden Intensitätsverteilung. Da die verschiedenen LED-Typen einzeln ansteuerbar sind, können die Wissenschaftler zusätzlich auch von der Sonne abweichende, individuelle Spektren einstellen.

Hingucker: Das Ottobrunner Algentechnikum im Betrieb.Lightbox-Link
Hingucker: Das Ottobrunner Algentechnikum im Betrieb.Quelle: Andreas Heddergott/TUM

Biokerosin aus Algen
Kerosin aus Algen gilt für die Luftfahrt als Flüssigtreibstoff der Zukunft. Als photosynthesetreibende Organismen wandeln Algen Licht und Kohlendioxid durch ihren Stoffwechsel in energiereiche Lipide um. Diese Verbindungen bilden den Rohstoff für biobasierte Treibstoffe. Wie produktiv bestimmte Algenarten tatsächlich sind, ist jedoch noch weitgehend unerforscht. Experten zufolge sind von den 150.000 Arten, die es auf der Welt gibt, gerademal 5.000 bekannt. Davon werden wiederum bisher nur zehn industriell genutzt. Die Erforschung neuer Algenarten zur Gewinnung von Biokerosin steht daher im Fokus der Arbeit von Brück und seinem Team. „Niemand kann voraussagen, ob eine Alge aus der Südsee unter den Lichtbedingungen in Deutschland genauso produktiv ist wie in ihrer Heimat. Genauso wenig weiß man, ob hier in Bayern erfolgreiche Kandidaten unter den Lichtbedingungen der Sahara noch genauso erfolgreich wären“, erklärt Brück. Genau diese unterschiedlichen klimatechnischen und lichttechnischen Bedingungen können am „Algentechnikum“ nun nachgestellt werden. Die Kultivierung ist dabei nicht auf einen Typ Photo-Bioreaktor beschränkt. In den Hallen können verschiedene offene und geschlossene Systeme parallel bei gleichen oder unterschiedlichen Klimabedingungen getestet werden. Dank der ausgefeilten Gebäudeautomation arbeitet das Algentechnikum höchst energieeffizient.

Mehr zum Thema:

News: Alternative Biomasse: Biofolien aus Algen
News: Lichtstudie: Algen im Trainingscamp
News: Algenforschungszentrum geht in Jülich an den Start

Keine Konkurrenz mit Nahrungsmittelproduktion
Für den TUM-Biotechnologen Thomas Brück bestechen Mikroalgen nicht nur mit ihrer großen Vielfalt an hergestellten Naturstoffen. Sie sind auch anspruchslos: „Während bei der Produktion von Biokraftstoff aus Mais eine problematische Konkurrenz zwischen Teller und Tank besteht, wachsen Algen auch in Salzwasser. Sie brauchen keinen fruchtbaren Boden und keine Pestizide. Trotzdem können sie einen bis zu zehn Ma höheren Ertrag pro Hektar und Jahr liefern.“ Von den perfekten Forschungsbedingungen werden auch die Wissenschaftler des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts „Advanced Biomasse Value“ profitieren. Hier streben die Verbundpartner das Konzept einer „Algenbioraffinerie“ an, bei der die entstandene Algenbiomasse möglichst vielfältig und vollständig genutzt wird.
Airbus Group investiert in regenerative Treibstoffe
„Die Investition in das Algentechnikum auf dem Ludwig Bölkow Campus unterstreicht einmal mehr das starke Interesse und das Engagement der Airbus Group an der Entwicklung regenerativer Treibstofftechnologien“, betonte der Technikchef des Unternehmens, Jean Botti anlässlich der Eröffnung. Für die Airbus Group ist es nicht das erste Engagement auf dem Gebiet der Algenforschung. Das Unternehmen ist einer der Partner des vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten Verbundprojekt "Aufwind", in dem Wissenschaftler am Algenforschungszentrum Jülich Algen zur Biomassenutzung untersuchen (mehr...).

© bioökonomie.de/bb + pg

Broschüre Bioökonomie in Deutschland

Bioökonomie in Deutschland

In immer mehr Industriebranchen spielen biobasierte Prozesse und Produkte eine Rolle. Sie sind der Schlüssel zu einem nachhaltigen und ressourceneffizienten Wirtschaften. Die neue Broschüre gibt einen umfassenden Überblick, wo Deutschland auf dem Weg zu einer Bioökonomie steht.


Zur Rubrik Publikationen

Bioökonomie weltweit

Bioökonomie weltweit

Die Bioökonomie gewinnt in immer mehr Ländern an Bedeutung. Mehr Informationen erfahren Sie in unserem Dossier.


Bioökonomie weltweit: Ein Überblick

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Ob Photosynthese oder Fermentation - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Bioökonomie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit