Sicherheitsventil schützt Pflanzen vor Sonnenbrand
26.08.2009 -
Nicht nur Menschen - auch Pflanzen müssen sich vorsorgen, wenn die Sonne zu stark scheint. Die Photosynthese erlaubt es ihnen, Licht in Energie umzuwandeln. Doch bei einem "Zuviel" an Sonne kann das System überlastet werden und "durchbrennen". Deshalb haben Pflanzen ein Sicherheitsventil entwickelt, dass in Sekundenbruchteilen auf schädliche Leistungsspitzen reagiert. Wie es funktioniert, haben Braunschweiger Forscher um Peter Jomo Walla herausgefunden und im Fachblatt PNAS (Vol. 106, Ausg. 30, S. 12311-12316) beschrieben. In der Zukunft, so hoffen die Wissenschaftler, lässt sich der Überlastungsschutz vielleicht bei neuartigen Photovoltaik-Systemen nutzen.
Pflanzen wandeln das Sonnenlicht in mehreren Stufen in chemische Energie um. Der grüne Farbstoff Chlorophyll spielt dabei eine Doppelrolle. Die meisten Chlorophyllmoleküle sind dabei zum Lichtsammeln abkommandiert. Auf der Blattoberfläche sind sie zu Lichtsammelkomplexen organisiert, die so angeordnet sind, dass ein energetischer Trichter entsteht, der die Lichtenergie zum sogenannten Reaktionszentrum leitet. Dort dienen zwei Chlorophylle wiederum als Akzeptor dieser Energie. Sie sind so speziell angeordnet, dass ihre Anregung zu einer Ladungstrennung führt, die als erster Schritt der eigentlichen Photosynthese betrachtet werden kann. Dabei ist die Pflanze hocheffizient. Jedes Lichtquant oder Photon - die kleinste Einheit, in der Licht vorkommen kann - wird zu fast 100 Prozent für eine elektrische Ladungstrennung eingesetzt.
Ein Sicherheitsschalter für die grüne Energiefabrik
Dies alles geschieht in der Regel unter moderaten Lichtbedingungen. In der Natur kann allerdings die Sonneneinstrahlung innerhalb von Sekunden tausend Mal stärker werden, wenn etwa Wolken aufbrechen oder ein Schattenspender verschwindet. Entsprechend müsste im Reaktionszentrum dann tausendmal mehr Energie umgesetzt werden. "Das ist, als wenn ein Automotor plötzlich statt dreitausend drei Millionen Umdrehungen leisten müsste", erläutert Peter Jomo Walla vom Institut für Theoretische und Physikalische Chemie der Technischen Universität Braunschweig "Kein Apparat hält das unbeschadet aus." Schlagartig muss also die Pflanze umschalten und überschüssige Energie irgendwie loswerden können. Gesunde Pflanzen lassen sich daran erkennen, wie schnell es ihnen gelingt, ihre Energieflüsse an die Verhältnisse anzupassen.
Wie dies aber im Detail geschieht, war über Jahrzehnte unbekannt und Gegenstand intensiver Forschung. Die Arbeitsgruppe um Walla hat den Vorgang nun erstmals nachvollzogen.
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Ultraschnelle Reaktionen und Quantenmechanik in der Pflanze
Sobald die Sonne ein Blatt zu stark bestrahlt, verbindet sich demnach das grüne Chlorophyll umgehend mit orangefarbenen Karotinoid-Blattpigmenten, und zwar nicht auf chemischem Wege, sondern elektronisch. Durch quantenmechanische "Tricks" verhalten sich die beiden Moleküle dann zusammen wie ein einzelnes Molekül. Jedes Molekül erhält dabei etwas von den Eigenschaften des anderen Moleküls. Während der grüne Farbstoff die Lichtenergie normalerweise kurzfristig elektronisch speichert, erzeugen Karotinoid-Moleküle daraus sehr schnell Wärme. Durch das "Mischen" dieser Karotinoid-Eigenschaft mit dem Chlorophyll wird die überschüssige Energie daher sofort gefahrlos in Wärme umgewandelt. Bei sinkender Lichtintensität geben die beiden Moleküle ihre Liaison sofort wieder auf, und die Chlorophyllmoleküle versorgen das Reaktionszentrum wie üblich mit Energie.
Arbeitsgruppe Peter Walla |
In der Abteilung Biophysikalische Chemie an der Technischen Universität Braunschweig forschen Peter Walla und seine Mitarbeiter unter anderem an der Ultrakurzzeitlaser-Spektroskopie. zur Abteilung: hier klicken |
Diese Prozesse finden in unvorstellbar kurzer Zeit statt, nämlich innerhalb weniger Femtosekunden - Billionstel von millionstel Sekunden. Zum Vergleich: Nichts ist schneller als Licht, und trotzdem braucht es schon über 100 Femtosekunden, um nur die Strecke zurückzulegen, die dem Durchmesser eines menschlichen Haares entspricht. "Erst seit der Erfindung der Ultrakurzzeitlaser ist es möglich, diese extrem schnellen und dabei elementaren Schritte überhaupt zu beobachten", erläutert Walla. Seine Arbeitsgruppe verfügt über mehrere Ultrakurzzeitlaser, die Lichtblitze von nur wenigen Femtosekunden Dauer erzeugen, um mit ihnen dann die ultraschnellen Prozesse in der Photosynthese abtasten zu können. Durch eine spezielle Modifikation der Ultrakurzzeitlaser ist es den Braunschweiger Wissenschaftlern gelungen, sogar in lebenden Pflanzen während dieser Regulation direkt nachzuweisen, wie die grün-orangefarbene Gemeinschaftsaktion funktioniert.
Nutzen für Fotovoltaik und Pflanzenzüchtung
"Wir erhalten damit Erkenntnisse, die zum Beispiel für die Züchtung von Nutzpflanzen wichtig sein können, die auch unter extremen Klimabedingungen wie in Ländern der Dritten Welt ertragreich sind," so Walla. "Ein mittelfristiges Ziel unserer Forschung ist aber auch die Entwicklung künstlicher Photosynthese- und neuartiger Fotovoltaik-Systeme zum Beispiel mit speziellen Nanopartikeln. Diese verhalten sich ähnlich wie die Chlorophylle oder Karotinoide, sind aber dafür wesentlich stabiler." Erste Modellsysteme, deren Effizienz ähnlich wie in der Natur von der Schnelligkeit der Energieumwandlungsprozesse abhängt, werden bereits an der TU Braunschweig entwickelt und mit den Ultrakurzzeitlasern untersucht.