Licht hören: Neues Verfahren zur Analyse lebender Organismen

Mit Licht und Ultraschall kann die rot fluoreszierende Wirbelsäule im Inneren eines lebenden Fischs sichtbar gemacht werden: Die "multi-spektrale opto-akustischer Tomographie" (MSOT) erlaubt die Untersuchung subzellulärer Vorgänge am lebenden Organismus. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Mit Licht und Ultraschall kann die rot fluoreszierende Wirbelsäule im Inneren eines lebenden Fischs sichtbar gemacht werden: Die "multi-spektrale opto-akustischer Tomographie" (MSOT) erlaubt die Untersuchung subzellulärer Vorgänge am lebenden Organismus. Quelle: TU München/Helmholtz-Zentrum München (Fotomontage)

09.07.2009  - 

Schon lange nutzen Wissenschaftler Licht, um Gewebe unter dem Mikroskop zu analysieren. Forscher um Vasilis Ntziachristos von der Technischen Universität München haben inzwischen ganz neue Methoden entwickelt, mit denen sich Untersuchungen auch an lebenden Organismen durchführen lassen. In Nature Photonics (2009, Vol. 3, S. 412-417) berichten sie jetzt von einem Verfahren, das Licht und Ultraschall miteinander verbindet.

Seit der Erfindung des Mikroskops nutzen Wissenschaftler Licht, um Gewebeschnitte von Organismen zu untersuchen – und beispielsweise festzustellen, ob es krankhafte Veränderungen gibt oder um die Funktionen von bestimmten Zellen zu analysieren. „Wenn Sie ihre Finger vor eine helle Lampe halten, können Sie sehen, dass Gewebe lichtdurchlässig ist. Licht kann einige Zentimeter tief in Gewebe eindringen“, erläutert Vasilis Ntziachristos, Professor für biologische Bildgebung an der Technischen Universität München und Direktor des Instituts für biologische und medizinische Bildgebung des Helmholtz Zentrum München. „Die Schwierigkeit liegt allerdings darin, aus den Lichtreflexionen aussagekräftige Bilder zu gewinnen“, betont der Grieche. Einerseits wird das Licht durch Gewebe stark gestreut und absorbiert, andererseits haben unterschiedliche Gewebearten auch unterschiedliche Effekte. Deshalb eignen sich für solche Lichtuntersuchungen nur hauchdünne Gewebeschnitte von einem halben bis einem Millimeter Dicke.

Die Licht-Tomographie kann eine lebende Maus vollkommen durchleuchten und das Wachstum von Lungenkrebs (grün) verfolgen. Lightbox-Link
Die Licht-Tomographie kann eine lebende Maus vollkommen durchleuchten und das Wachstum von Lungenkrebs (grün) verfolgen. Quelle: Ntziachristos (aus Faszination Forschung 4/09 - TU München)

Seit 15 Jahren experimentiert der gelernte Elektroingenieur und Computerwissenschaftler Ntziachristos mit Filtern und Laserpulsen, mit Kernspin- und Computertomographen und komplexen mathematischen Gleichungssystemen. Im Jahr 2007 konnte der Grieche für die TU München und das Helmholtz Zentrum München gewonnen werden und kehrte dafür der renommierten Harvard Medical School (Boston/USA) den Rücken. 2008 wurde der Forscher schließlich mit einer Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates ausgezeichnet.

Inzwischen haben er und sein Team Computerprogramme zur Hand, mit deren Hilfe das aus dem Gewebe dringende Licht in hochpräzise Bilder umwandeln könnnen. Ein Dutzend unterschiedlicher biologischer Bildgebungsverfahren hat der Grieche auf diese Weise entwickelt. Kleine Organismen wie Mäuse, Zebrafische oder Fruchtfliegen können komplett durchleutet und durch Licht-Tomographie entstehen dreidimensionale Bilder. Bei der „Fluoreszenz-Tomographie“ wird der Körper wiederum in verschiedenen Winkeln angestrahlt, wobei die Reflexionen der mit Fluoreszenzmarkern ausgestatteten Strukturen zu Querschnittsbildern am Computer zusammengesetzt werden. „Heute ist die Auflösung unserer Methode vergleichbar mit der der Kernspintomographie“, erläutert der Forscher. „Gleichzeitig können wir molekulare Strukturen so spezifisch erkennen wie mit der klassischen Fluoreszenzmikroskopie.“

Licht hören: Laserblitze erzeugen Ultraschallwellen, die von Mikrophonen eingefangen und später zu dreidimensionalen Bildern verarbeitet werden. (Ausschnitt oben mit grün markieter Arteriosklerose)Lightbox-Link
Licht hören: Laserblitze erzeugen Ultraschallwellen, die von Mikrophonen eingefangen und später zu dreidimensionalen Bildern verarbeitet werden. (Ausschnitt oben mit grün markieter Arteriosklerose)Quelle: Fotolia, Grafik: ediundsepp (aus Faszination Forschung 4/09 - TU München)

Sehen, wie ein Flügel wächst

Erst im vergangenen Jahr konnte sein Forscherteam im Fachmagazin Nature Methods (2008, Vol. 5, Nr. 1, S. 45) davon berichten, wie mithilfe der Licht-Tomographie an lebenden Fruchtfliegenlarven beobachtet wurde, wie sich ein Flügel entwickelt – zuvor musste man die Tiere in verschiedenen Entwicklungsstadien töten und Gewebe-Dünnschnitte anfertigen. Jetzt wiederum beschreiben die Forscher anhand von Zebrafischen im Fachmagazin Nature Photonics, wie sie Licht sogar hörbar machen -  mit der „Multi-spektralen opto-akustischen Tomographie“, kurz MSOT. Hierzu bestrahlen sie den Fisch von verschiedenen Seiten mit Laserblitzen, die im Inneren des Fischkörpers auf Fluoreszenzfarbstoffe treffen – die Farbmoleküle wurden dem Fisch gentechnisch angezüchtet. Wenn die Fluoreszenzfarbstoffe unter den Laserbitzen aufleuchten, erwärmt sich ihre Umgebung, die sich ein wenig ausdehnt. Weil dies extrem schnell geschieht, entsteht eine Druckwelle. Ein kurzer Laserimpuls erzeugt so eine Art Ultraschall-Echo, das die Forscher mit einem Ultraschall-Mikrophon einfangen.

Hintergrund
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Ein Porträt der Arbeiten im Universitätsmagazin der TUM: PDF-Downoad
Webseite zur biologischen Bildgebung beim Helmholtz-Zentrum München: hier klicken

Durch mathemathische Formeln entsteht dreidimensionales Bild

Der eigentliche Trick allerdings sind speziell entwickelte mathematische Formeln. Mit denen rechnet ein angeschlossener Computer das Schallwellenmuster, das durch Schuppen, Muskeln, Rippen, Gräten und Einweide des Fischs in unterschiedlicher Weise verzerrt wird, in ein dreidimensionales Bild um. Das Ergebnis von  MSOT ist ein Bild mit einer beachtlichen Auflösung von 40 Mikrometern (vier Hunderstel Millimeter). Und: Der für Untersuchung betäubte Fisch erholt sich nach der Prozedur wieder vollständig. „Das eröffnet der Forschung eine neue Dimension: Erstmals können Biologen die Entwicklung von Organen, Zellfunktionen und Aktivitäten von Genen durch mehrere Millimeter Gewebe hindurch verfolgen“, erläutert Daniel Razansky, Laborleiter am Institut für Biologische Bildgebung. Die große Vielfalt bereits erhältlicher Fluorochromfarbstoffe – unter ihnen das 2008 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Green Fluorescent Protein (mehr...) und zahlreiche, für den klinischen Gebrauch zugelassene Farbstoffe – wird die Untersuchung von biologischer Prozesse in einer Vielzahl lebender Organismen möglich machen – vom Fisch bis hin zu Maus und Mensch. Bio-Ingenieur Ntziachristos ist überzeugt: „MSOT bietet ein enormes Potenzial für die biomedizinische Forschung, die Entwicklung von Medikamenten und die medizinische Versorgung. Weil MSOT die Bildgebung in Gewebetiefen von mehreren Millimetern bis Zentimetern erlaubt, kann diese Technologie sich zum Standard für viele Arten der Bildgebung molekularer Prozesse in Geweben entwickeln.“

Auch die pharmazeutische Forschung könnte so deutlich beschleunigt werden, wenn sich die molekularen Effekte neuer Krebswirkstoffe über längere Zeit in einem Tier verfolgen lassen. Darüber hinaus planen die Forscher, das System für die Untersuchung von Herzkranzgefäßen im menschlichen Brustkorb weiterzuentwickeln. Seine Vision: ein tragbares Gerät, das die Untersuchung verkalkter Gefäße praktisch in jeder Hausarztpraxis ermöglicht.

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