Chef berufen: Demenz-Zentrum in Bonn kann loslegen

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Nervenzellen im Visier der Forschung: Am neuen DZNE in Bonn soll den Mechanismen der Neurodegeneration auf den Grund gegangen werden. Quelle: Pierluigi Nicotera/University of Leicester

26.02.2009  - 

Vor gut einem Jahr fiel die Entscheidung, das nationale Demenz-Forschungszentrum unter dem Dach der Helmholtz-Gemeinschaft in Bonn anzusiedeln. Als Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) hat es dabei einen breiten Forschungsauftrag: Durch die Analyse der Krankheitsursachen soll es neue Möglichkeiten der Früherkennung und Prävention, Wege zur Entwicklung wirksamer Therapien und die besten Formen der Pflege und Versorgung aufzeigen. Nun hat Forschungsministerin Annette Schavan einen Gründungsdirektor für das Zentrum vorgestellt: den italienischen Biomediziner Pierluigi Nicotera.

„Ich freue mich sehr, dass wir mit Professor Nicotera einen international so renommierten und erfahrenen Forscher und Wissenschaftsmanager für diese wichtige Aufgabe gewinnen“, so Schavan. Der 53-jährige war seit 2001 Leiter der Toxikologie-Einheit an der britischen Behörde ‚Medical Research Council’ in Leicester. In der größten europäischen Einrichtung dieser Art hat Nicotera unter anderem die Mechanismen untersucht, die zur Schädigung von Nervenzellen führen. Zuvor forschte Nicotera mehrere Jahre am Karolinska-Institut in Stockholm und leitete den Bereich Molekulare Toxikologie an der Universität Konstanz. Auf die Frage, warum er Gehirnforscher geworden ist, zitiert der Forscher Woody Allen: "Es ist mein zweitliebstes Organ." Als Direktor des Demenz-Zentrums obliegt ihm nun die Aufgabe, rund 500 Stellen zu besetzen. In den nächsten Monaten will Nicotera versuchen, die weltweit besten Forscher des Feldes zu rekrutieren. In Bonn bieten sich demnach erhebliche Karrierechancen für junge Biomediziner. Für Spitzenkräfte werde es auch Spitzengehälter geben, betonte der Italiener, der die neue Einrichtung  "europaweit einmalig" findet. Im April findet die offizielle Einweihung des DZNEs statt.

Der Italiener Pierluigi Nicotera ist zum Chef des Nationalen Demenz-Zentrums berufen worden.Lightbox-Link
Der Italiener Pierluigi Nicotera ist zum Chef des Nationalen Demenz-Zentrums berufen worden.Quelle: University of Leicester

Ziel: Grundmechanismen verstehen und Biomarker finden

Die Anzahl an neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz nimmt inzwischen immer mehr zu. Das liegt vor allem daran, dass die Menschen älter werden, der Ausbruch von Krankheiten wie Alzheimer aber kaum später eintritt. Bis zu 4 Millionen Menschen könnten in Deutschland zur Mitte des Jahrhunderts demenzkrank sein, schätzen Experten. Heute sind es rund 1,2 Millionen Menschen. In den ersten fünf Jahren soll es im Bonner Demenz-Zentrum vor allem darum gehen, die Grundmechanismen zu verstehen, nach denen die Schäden im Gehirn entstehen. Binnen zehn Jahren sollen zudem Biomarker gefunden werden, die den Beginn einer Demenzerkrankung möglichst früh erkennen lassen. Kernelement des neuen Zentrums ist die enge fachlich-räumliche Verbindung zu bestehenden Forschungseinrichtungen wie den Hochschulen und Hochschulkliniken. Das DZNE wird deshalb außer dem Standort in Bonn auch in München, Tübingen, Rostock/Greifswald, Witten-Herdecke, Göttingen und Magdeburg präsent sein und darüber hinaus eine enge Kooperation mit bereits vorhandenen regionalen und überregionalen Partnern pflegen. Nicotera will auch auf die geplante „Helmholtz-Kohorte“ zurückgreifen - einer Bevölkerungsstudie, bei der Tausende von Deutsche regelmäßig nach bestimmten Kriterien analysiert werden sollen (mehr...).

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Jährliches Budget: 66 Millionen Euro

Mit neuen Therapien ist Nicotera vorsichtig. Klassische Pharmawirkstoffe, Stammzellen, Gentherapie, Impfung - man werde sie alle verfolgen, doch Hoffnung auf schnelle Lösungen gebe es nicht, so der Forscher. Er rechnet mit mindestens zehn Jahren, bis die Grundlagen für ursächliche Therapien gelegt seien. Das jährliche Budget des Zentrums umfasst in der Endausbaustufe insgesamt 66 Millionen Euro. 90 Prozent davon trägt das BMBF, 10 Prozent übernehmen die beteiligten Länder.

Zusammen mit dem Universitätsklinikum Bonn, der Forschungseinrichtung Caesar, dem neuen Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns und dem Helmholtz-Forschungszentrum Jülich sowie weiteren sechs Partnerstädten (Göttingen, München, Tübingen, Magdeburg, Witten und Rostock/Greifswald) soll die Forschung zu Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson in Nordrhein-Westfalen nachhaltig gebündelt werden. Insgesamt 40 Millionen Euro werden dabei jährlich auf Bonn, Köln und Jülich entfallen, zwei bis fünf Millionen Euro pro Jahr gehen jeweils an die anderen Standorte. „Wenn wir versagen, dann liegt es nicht an der mangelnden Unterstützung durch Bund und Länder", betont Nicotera. Eine ganz persönliche Verbindung zu seiner neuen Heimat bringt der Forscher übrigens auch mit: Seine Frau ist Kardiologin und stammt aus Deutschland.

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