Regensburger Impfstoff gegen HIV nimmt erste Hürde

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Diese Grafik zeigt HI-Viren. Typisch sind die Spikes auf der Oberfläche der Virushülle. Diese Proteine bilden für die Infektion wichtige Andockstellen. Quelle: psdesign1/Fotolia

27.03.2008  - 

Das Humane Immunschwäche Virus (HIV) ist ein hartnäckiger Erreger und ein ziemlich wandelbarer noch dazu. Seit seiner Entdeckung Anfang der 80er Jahre versuchen Wissenschaftler, einen Impfstoff gegen den Auslöser der gefährlichen Immunschwächekrankheit Aids zu finden. Bislang erfolglos. Forscher um Hans Wolf und Ralf Wagner von der Universität Regensburg schöpfen nun neue Hoffnung. Unter dem Dach des Eurovacc-Konsortiums haben sie gemeinsam mit internationalen Partnern eine Impfstrategie entwickelt, die in den vergangenen Jahren einer ersten klinischen Prüfung an gesunden Freiwilligen unterzogen wurde. Die jetzt im Journal of Experimental Medicine (2008, Vol. 205, S. 634-77) veröffentlichten Daten stimmen optimistisch: Bei den allermeisten Testpersonen wurde eine Immunreaktion ausgelöst.

Der Mikrobiologe Hans Wolf kennt sich aus im Kampf gegen hartnäckige Krankheitserreger. Ende der 70er Jahre, damals noch am Münchner Max-von-Pettenkofer-Institut, entwickelte er einen Impfstoff gegen das Epstein-Barr-Virus (EBV), welches unter anderem Rachenkrebs sowie das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen kann. Wolfs Ansatz bestand damals darin, dem menschlichen Immunsystem einen Erreger vorzusetzen, den er kennt und bekämpfen kann – das Epstein-Barr-Virus allein wird vom Immunsystem nämlich nicht als Feind erkannt. Seine Wahl fiel schließlich auf Pockenviren, die als Basis für den Impfstoff dienten.

Hans Wolf, Universität RegensburgLightbox-Link
Quelle: Universität Regensburg

Seit Mitte der 80er Jahre ist Hans Wolf auf der Suche nach einem Impfstoff gegen Aids. Sie wollen seine Geschichte im Detail nachlesen?

Mehr Informationen: www.hans-wolf.de

Als schließlich die Immunschwächekrankheit Aids Mitte der 80er Jahre allerorten Angst auslöste, kam das Bundesforschungsministeriums zu Wolf, der heute Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Universität Regensburg ist, und bat um seine Mithilfe als Impfexperte. Angesichts der Erfahrung mit EBV im Rücken, entschied sich der Forscher, in den Kampf gegen HIV einzusteigen. Inzwischen sind Wolf und seine Kollegen eines von vielen Teams weltweit, die nach einem wirksamen Impfstoff suchen. Im Jahr 2000 hat er zudem dazu beigetragen, dass die europäischen Kräfte unter dem Dach des Konsortiums „European Vaccine Effort against HIV/Aids“ (Eurovacc) vereint wurden, in dem mehr als 20 Forschungsgruppen aus sieben europäischen Ländern daran arbeiten, die effektivste Impfstrategie aufzuspüren. 

HIV schleicht sich leise in den Körper ein

Welcher dieser Ansätze am Ende erfolgreich sein wird und ob es überhaupt jemals einen solchen geben wird, ist noch völlig offen. Bis heute weiß niemand, welche Immunreaktion den menschlichen Organismus tatsächlich vor einer Infektion schützt. „HIV ist ein leises Virus“, erläutert Wolf. „Es ruft zwar kurzzeitig Symptome wie bei einer Grippe hervor, aber es spornt das Immunsystem nicht zu Höchstleistungen an.“

Entdeckt wurde der Erreger von Wissenschaftlern um Luc Montagnier aus Frankreich und Robert Gallo aus den USA. Im Jahr 1983 veröffentlichen beide Teams ihre Ergebnisse im Fachmagazin Science (Bd. 220, S. 868 und S. 865). Sie beschreiben darin den Aidsauslöser als Human Immunodeficiency Virus (HIV). Der Erreger gehört zur Familie der Retroviren, deren Erbsubstanz aus RNA besteht, einem nahen Verwandten der DNA des Menschen. Wie andere Retroviren auch braucht das HI-Virus eine Wirtszelle zum Überleben. Mithilfe des Enzyms Reverse Transkriptase wandelt es seine RNA in DNA um und integriert es in das Zellgenom der Wirtszelle. Dadurch kann sich der Eindringling durch die Zellteilung der Wirtszelle vermehren.

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Themendossier: Sie wollen wissen, wie der Aidserreger entdeckt wurde? Dann lesen Sie dazu unser Dossier.

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Im Anschluss verlassen die noch unreifen Viruspartikel die Zelle. Sie besitzen dabei eine Eiweißhülle, die aus dem sogenannten Gag-Protein aufgebaut ist. In der Regel lösen die Viren diese Proteinhülle außerhalb der Wirtszelle auf und bilden durch komplexe Umbauprozesse ihre reife und infektiöse Struktur. Nach dieser Reifung umhüllt ein veränderter Eiweißmantel, das sogenannte Capsid, die Erbinformation und wichtige Eiweißstoffe des Virus.  Experten unterscheiden dabei zwischen HIV-1 und HIV-2, die jeweils weiter in verschiedene Subtypen unterteilt werden. Seit der Entdeckung von HIV hat sich vor allem HIV-1 über die ganze Welt ausgebreitet.
Ende 2007 waren rund 33 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Nicht bei allen tritt die Immunschwächekrankheit Aids tatsächlich auf, doch vielfach führt sie zum Tod. Denn bestehende Medikamente richten sich lediglich gegen die Vermehrung von HIV und können die Krankheit bestenfalls in Schach halten. Eine Heilung gibt es bislang nicht.

Als wirksamsten Schutz vor einer weiteren Verbreitung von HIV sehen Experten in einer Impfung. Diese soll das Immunsystem auf einen Angriff mit dem Erreger vorbereiten. Trotz jahrelanger Forschung ist allerdings noch kein Impfstoff auf dem Markt. Die sonst übliche Impfmethode, eine stark abgeschwächte des jeweiligen Erregers zu benutzen, stellte sich bei HIV als nicht möglich heraus. Das Virus ist zu 'leise', als dass das Immunsystem darauf mit einer starken Abwehr reagiert. Die meisten der in den vergangenen Jahren entwickelten Kandidaten beruhen auf gentechnischen Ansätzen, die eine künstliche HIV-Kopie mit bestimmten Eiweißen des Virus ausstatten und diese mithilfe unterschiedlicher Vehikel (Vektoren) in den Körper transportieren. Beide Komponenten - die Eiweiße und die Vektoren - sollen dabei eine Immunreaktion auslösen.

Joachim Hauber ist Professor am Heinrich-Pette-Institut in Hamburg und forscht schon seit 20 Jahren an HI-Viren.Lightbox-Link
Joachim Hauber vom Heinrich-Pette-Institut in Hamburg forscht schon seit zwanzig Jahren mit HI-Viren. Sein Ziel: Eine wirksame Therapie, die die Erreger vernichtet.  

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Impfung soll Immunsystem anbrüllen

Auch Wolf und sein Kollege Ralf Wagner verfolgen eine solche Strategie. Ihr Ziel ist es, das Immunsystem großflächig in Aufruhr zu bringen. Der Impfstoff soll nicht nur zur Bildung von Antikörpern führen, sondern auch weitere Teile der Immunabwehr wie spezielle Helfer- und Killerzellen (CD4 und CD8 T-Zellen) aktivieren. "Wir haben ein leises Virus so verändert, dass es das Immunsystem nun förmlich anbrüllt: höchste Gefahr", erläutert Wolf.

Die Basis für ihren Impstoff bildet der HIV Subtyp C, der in China, Indien und in Subsahara-Afrika vorherrscht und über 50 Prozent der HIV-Neuinfektionen verursacht. In Kooperation mit der 1999 von Wolf und Wagner gegründeten Biotechnologie-Firma Geneart sowie dem Pharmaunternehmen Sanofi Pasteur MSD wurde eine künstliche Kopie dieses Subtyps mit vier viralen Antigenen ausgestattet, die sich gegen die Proteine Env, Gag, Pol und Nef richten.  Um diese Konstruktion in den Körper einzuschleusen, werden zwei verschiedene Transportvehikel benutzt – rekombinante DNA sowie ein gentechnisch veränderter Pockenvirus. Diese Kandidaten (DNA–HIV-C und NYVAC-C) werden schließlich in  zwei nacheinander folgenden Injektionen geimpft: Die erste Antigen-Dosis erfolgt mithilfe des DNA-Vektors und soll das Immunssystem vorbereiten (priming), während die zweite Injektion die gleiche Antigen-Dosis enthält, aber per abgeschwächtem Pockenvirus in den Körper transportiert wird. Diese zweite Injektion soll eine Immunreaktion verstärken (boosting).

Hintergrund

Europäische Wissenschaftler haben sich im Jahr 2000 zum Konsortium "European Vaccine Effort against HIV/Aids" (Eurovacc) zusammengeschlossen, das von der Europäischen Union mit Fördergeldern unterstützt wird.

www.eurovacc.org

Erste klinische Studie zeigt hoffnungsvolle Ergebnisse

Wie die Forscher nun gemeinsam mit ihren europäischen Kollegen im Fachmagazin Journal of Experimental Medicine (2008, Vol. 205, S. 63-77) berichten, scheint diese kombinierte Strategie besser zu funktionieren als die alleinige Gabe von NYVAC-C. Die Auswertung einer ersten klinischen Studie der Phase I ergab, dass bei der Mehrheit der beteiligten 40 gesunden Freiwilligen eine Immunreaktion ausgelöst wurde. „Kein Proband war negativ, alle haben reagiert“, freut sicht Wolf. Mehr als ein Jahr lang blieben die Immunreaktionen bestehen.

Diese Animation erläutert in englischer Sprache, wie sich HI-Viren vermehren. Quelle: youtube.com

Dennoch bedeutet dies nicht, dass der Impfstoff die HI-Viren auch tatsächlich bekämpfen kann. Dies können erst Studien an Personen zeigen, die aufgrund ihrer Lebensbedingungen ein hohes Ansteckungsrisiko haben und beispielsweise in hoch HIV verseuchten Gegenden in Afrika leben. Dort müsste dann nachgewiesen werden, dass sich von einer Gruppe geimpfter Personen weniger infizieren als in einer nicht geimpften Kontrollgruppe. Hieran scheitern die meisten Kandidaten. Erst im September 2007 stoppte das Pharmaunternehmen Merck eine klinische Phase II, weil sich ihr von vielen als aussichtsreich eingestufter Kandidat V520 doch nicht als wirksam erwies und das Ansteckungsrisiko nicht vermindern konnte.

Dass es jemals einen hundertprozentigen HIV-Schutz geben wird, davon hat sich die Wissenschaft sowieso verabschiedet. „Wir sind für jeden Effekt dankbar“, so Wolf. Selbst ein 30prozentiger Schutz wäre schon ein Erfolg. Seit Anfang des Jahres laufen nun Folgestudien mit 120 Testpersonen in Lausanne, London, Paris und Regensburg. Für Sommer ist der Start einer Studie in Afrika geplant.

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